Autor Thema: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"  (Gelesen 4267 mal)

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Offline Fredi der Elch

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Mensch, wir hatten fast 2 Wochen keinen sinnvollen Theoriethread, ich bin auf Entzug! ;D

Also willkommen zu Fredis Welt. Ich hab mir da gerade mal so was überlegt. Ist vielleicht völliger Quatsch. Ist aber vielleicht eine nette Diskussionsgrundlage.

Mir ist aufgefallen, dass Immersion sehr schnelles denken und handeln benötigt. Man wird in der Rolle des Charakters mit neuen und ungewöhnlichen Situationen konfrontiert. Auf diese muss man dann allein aufgrund von IC-Information aus dem Blickwinkel des Charakters reagieren und dabei gleichzeitig die Glaubhaftigkeit des Charakters wahren. Und vor allem in Dialogen (aber auch in anderen Situationen) hat man keine Zeit, da muss die Antwort sofort kommen, da man sonst ja aus der Rolle fällt (und nicht sagen oder Zögern ist ja auch eine Handlung). Das heißt, man muss eine sehr komplexe Entscheidung sehr schnell treffen.

Dementsprechend führt Immersion IMO dazu, dass man sich in seinen Entscheidungen sehr stark auf Stereotype verlässt. Man muss sich schnell entscheiden, also werden Handlungsmuster angezapft, die man schon mal gesehen oder irgendwo gelesen hat (der coole einsame Wolf, der Hysteriker usw.). Auch möglich ist es, sich so zu verhalten, wie man selbst sich verhalten würde, da einem das immer noch näher liegt als ein völlig fremder Charakter. Auf jeden Fall wird aber eher „konservativ“ gehandelt, d.h. die Glaubwürdigkeit wird stark bewahrt, es wird nichts getan, was den Charakter ändern könnte (denn das könnte ja die Integrität des Charakters zerstören).
Als Vergleich mal den Autor herangezogen. Autoren schreiben ihre Bücher auch nicht einfach so runter. Da wird sich Zeit genommen, da wird überlegt, da wir gefeilt, da wird geändert. Und warum? Weil Charaktere glaubhafter werden, wenn man sich ein bisschen mehr Zeit genommen hat und sich ein wenig Gedanken zum Verhalten der Figur gemacht hat.
(Kurz: es gibt sicher auch Autoren und Rollenspiele, die einfach so wissen, was ein Charakter machen würde und wo das immer 100% stimmt und glaubwürdig und dennoch innovativ und kreativ ist. Aber ich bin das definitiv nicht, mir fallen die besten Pointen immer erst hinterher ein. Und ich denke mal, dass es 90% aller Rollenspieler genauso geht)

IMO ist also Immersion schädlich für Charakterentwicklung (vor allem für schnelle oder komplexere Entwicklung). Um glaubwürdige, komplexe und nicht stereotype Charakterentwicklung hinzubekommen, sollte man sich also
1. Zeit nehmen. Nicht gleich sofort antworten, sondern auch mal eine Auszeit ausrufen oder zu jemand anderem schneiden. Das muss nicht überhand nehmen, aber soviel Zeit muss sein.
2. Einen Schritt zurücktreten. Mal von außen auf den Charakter schauen. Mal die Stereotype oder die eigenen Gefühle beiseite schieben oder wenigstens überdenken.

Tja, das war so, was ich mir überlegt hatte. Meinungen? Ideen?
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Offline Monkey McPants

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #1 am: 30.03.2005 | 16:31 »
Im Prinzip Zustimmung. Wenn man tatsächlich Wert darauf legt einen Charakter konsistent darzustellen dann kann etwas Distanz bzw. eine kurze Pause um sich wirklich in den Char hinein zu versetzen sehr hilfreich sein.

Woran ich mich ein bißchen stoße ist der Satz "IMO ist also Immersion schädlich für Charakterentwicklung...". der Grundgedanke ist solide, aber ich glaube nicht das, in diesem speziellen Satz, "Immersion" wirklich das richtige Wort ist. Immersion hab ich auch, wenn ich in Gedanken die Szene noch einmal durchspiele und so versuche mich wirklich in den Charakter zu versetzen. Es ist also weniger Immersion die die Charakerentwicklung behindert ("schaden" ist da etwas hart) sondern eher die Eile bzw. der "Zugzwang" der im P&P oft herscht.

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Offline Bitpicker

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #2 am: 30.03.2005 | 16:38 »
Also, zunächst einmal ist Echtzeit-Rollenspiel wohl nicht die Regel. Recht häufig wird erst mal etwas diskutiert, bevor eine Handlung durchgeführt wird, auch wenn dazu eigentlich keine Zeit wäre. Solange das OOC stattfindet, um eine glaubwürdige Fortsetzung der Handlung (eben eine zum Charakter passende) zu gewährleisten, ist das auch ok. Ansonsten kommen, da gebe ich dir teilweise Recht, eher die Reaktionen des Spielers, nicht die seines Charakters (wenn es da überhaupt einen wesentlichen Unterschied gibt).

Dann ist es aber auch so, dass die meisten Entscheidungen, vor die ein Charakter gestellt wird, völlig normale Entscheidungen sind, die er genau so schnell lösen kann wie der Spieler es könnte, wenn er im wahren Leben damit konfrontiert würde. Das wenigste berührt doch die wesentlichen definierten (und vor allem von Charakter des Spielers unterscheidbaren) Züge.

Aber ich stimme zu, dass es der Immersion hilft, bei Bedarf einen Schritt zurück zu machen. Übrigens habe ich einige Spieler, die gar nicht vorher festelegen können, wie ihr Charakter wird, sondern dies erst im Spiel herausfinden. Dabei unterscheiden sich die Charaktere durchaus - aber sie müssen wie ein Paar neue Schuhe eingelaufen werden. Wenn sie erst mal entsprechend eingelaufen sind, macht die schnelle und zum Charakter passende Darstellung auch keine Probleme mehr.

Ich selbst neige dazu, den Charakter außerhalb des Spiels 'anzuprobieren', also Szenen mit ihm zu durchdenken, die gar nicht im Spiel stattfinden. Damit ziehe ich die Eingewöhnungsphase vor.

Robin
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Offline Dr.Boomslang

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #3 am: 30.03.2005 | 17:18 »
Einen Schritt zurücktreten. Mal von außen auf den Charakter schauen. Mal die Stereotype oder die eigenen Gefühle beiseite schieben oder wenigstens überdenken.
Das ist wohl der wichtigste Punkt. Ich denke das sollte jeder von Zeit zu Zeit machen, das macht einfach einen guten Spieler aus und das ist ausnahmsweise mal keine Frage des Stils oder der Spielart, sondern einfach eine Frage des Engagements.
Es ist sicher richtig dass viele Entscheidungen im Spiel relativ schnell getroffen werden müssen und Spieler dann Stereotype zur Hilfe nehmen um ihre Rolle auszuspielen. Grade in direkten Gesprächen antwortet oft mehr der Spieler als der Charakter, allerdings hängt das sehr davon ab wie sehr der Spieler seinen Charakter schon "kennt". Durch das Abstandnehmen und Überdenken des Charakters kann man sich einfach besser auf den Charakter einstimmen, auch wenn man nicht wirklich etwas konkretes planen sollte, im Spiel kommt es dann sowieso wieder anders. Der Schritt zurück sollte dazu dienen den Charakter kennenzulernen und nicht wirklich etwas zu vorauszuplanen.

nochwas @Fredi speziell ;)
In der Kritik der Immersion schwingt natürlich wieder deine ganz persönliche Sichtweise vom Rollenspiel mit. Du vergelichst das Ergebnis des Rollenspiels mit einer Geschichte die sich ein Autor ausgedacht hat. Sicher wird durch spontane und direkte Interaktion niemals so eine gute Geschichte entstehen können wie durch Planung, Überlegung und Revision, aber darum geht es ja nicht zwangsläufig beim Rollenpiel. Wir erschaffen ja kein Skript, es geht einfach nur darum das aus der Interaktion entstehende Produkt unmittelbar zu erleben und nicht darum eine Geschichte mit perfekter Storyline und komplexen Charakteren zu erhalten. Bitpicker hats schon angesprochen, es kann auch einfach ein Erlebnis sein zu beobachten was aus einem Charakter wird, sei es durch eigene Entscheidungen oder Umstände. Dadurch definiert sich ein Charakter ja oft erst, nicht durch eine Planung die nichts mit tatsächlichen Spielgeschehnissen zu tun hat.

Offline Fredi der Elch

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #4 am: 30.03.2005 | 17:38 »
ich glaube nicht das, in diesem speziellen Satz, "Immersion" wirklich das richtige Wort ist
Hm, da könntest du Recht haben. Das Problem ist doch, dass Immersion nicht wirklich definiert ist und keiner so genau weiß, wovon er da eigentlich reden (mich eingeschlossen). Als Arbeitsdefinition ist Immersion für mich die Konzentration auf das Hineinversetzen in den Charakter, das Ausblenden jeglicher OOC Information und Denkweisen, der Versuch, sich auf den Charakterblickwinkel zu beschränken und den Charakter zu "erleben" also zu versuchen, der Charakter zu "sein". Naja, so halt. So hatte ich "Immersion" wenigstens gemeint.


Also, zunächst einmal ist Echtzeit-Rollenspiel wohl nicht die Regel.
Das mag sein, aber IMO fordert Immersion geradezu diese Art von Rollenspiel, da sie ja gerade den Schritt zurück (ins OOC) ausschließt. Und ich glaube, dass, auch wenn es kaum möglich ist, das dennoch ein (schlechtes) Idealbild davon, wie Rollenspiel zu sein hat, in den Köpfen vieler Spieler ist.

Zitat
Dann ist es aber auch so, dass die meisten Entscheidungen, vor die ein Charakter gestellt wird, völlig normale Entscheidungen sind, die er genau so schnell lösen kann wie der Spieler es könnte, wenn er im wahren Leben damit konfrontiert würde. Das wenigste berührt doch die wesentlichen definierten (und vor allem von Charakter des Spielers unterscheidbaren) Züge.
Deswegen hatte ich meine Punkte ja auch auf Charakterentwicklung bezogen. Und wenn ich jetzt dem dramatischen Verständnis von Charakterentwicklung folge (die Literaturwissenschaftler mögen mich korrigieren), dann entsteht dramatische Entwicklung immer aus Konflikt. Und damit aus Situationen, die nicht normal und alltäglich sind. und gerade in solchen Situationen ist der Rückgriff auf Stereotype (wie er durch Immersion gefördert wird) schädlich.

Zitat
Dabei unterscheiden sich die Charaktere durchaus - aber sie müssen wie ein Paar neue Schuhe eingelaufen werden. Wenn sie erst mal entsprechend eingelaufen sind, macht die schnelle und zum Charakter passende Darstellung auch keine Probleme mehr.
Und auch da denke ich, dass das "Einlaufen" im Endeffekt ein Stereotyp des Charakters bildet und damit gerade die weitere Entwicklung behindert. Wenn man erst einmal "weiß" wie ein Charakter handeln würde, wird weitere Entwicklung (die ja gerade daraus besteht, dass er nicht so handelt, wie er es sonst würde) stark erschwert. Weswegen ich ja den "Schritt zurück" für so wichtig halte, um aus den alten Charaktermustern auszubrechen.


Durch das Abstandnehmen und Überdenken des Charakters kann man sich einfach besser auf den Charakter einstimmen
Auch darum geht es mir nur begrenzt. Denn das "Einstimmen" auf den Charakter behindert ja auch wieder weitere Entwicklung (wie schon oben beschrieben).

Zitat
In der Kritik der Immersion schwingt natürlich wieder deine ganz persönliche Sichtweise vom Rollenspiel mit.
Aber absolut! :) Deswegen habe ich mich ja auch auf komplexe Charakterentwicklung bezogen. Wer das nicht will, für den ist Immersion (aus der Sicht) unproblematisch. Wer das aber gerne hätte, für den sehe ich eben Probleme mit Immersion.
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Offline Maarzan

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #5 am: 30.03.2005 | 19:14 »
Das die Anforderung von Immersion in einer Runde zu STereotypen führen kann, ist sicher richtig. Wenn jemand seinen Möglöichkeiten noch nicht traut und ein sicheres Umfeld schafft und ein dem erst einmal experimentiert ist das sicher verständlich und nichts ehrerrühriges - aka schlechtes Rollenspiel per se. Jeder hat mal klein anmgefangen und solange man dazulernt ist man denke ich immer auf dem richtigen Gleis.
Was ich nicht nachvollziehen kann, ist das daraus ein Zwang kommen soll, d.h. Immersion führt generell zu Stereotypen.

Mit der zusätzlichen Zeit, welche die Immersionsleistung erhöht stimme ich überein. Ich befürworte daher deatillierte Charaktererschaffungen, welche schon bei der Erstellung zu Gedanken über den Charakter führen und wenn die Zeit es zuläßt eine gewisse Bodenständigkeit des Spiels, d.h. klein und lokal anfangen um dem Spieler die Möglcihkeit zu geben seinen Char im Spiel etwas besser kennen zu lernen. Und die Ausziet zwischen Abenteuern kann hier auch helfen den Char besser zudurchdenken - z.B. Bluebooking.

Was Entscheidungen aus der Spielerperspektive allerdings helfen sollen, ist mir völlig schleierhaft. Vielleicht kann ja jemand ein paar Beispiele geben.

Auch kann ich die Problematik des Veränderns nicht erkennen. Um eine erkennbare Änderung oder einen Persönlichkeitskonflikt zu haben, muß ich doch erst einmal etwas haben, von dem ich abweichen kann oder eine Persönlichkeit, die für etwas steht. Eine solche Situation erfordert doch gerade einen festen Charakter und ein durch die Immersion eigentlich erstelltes Rückgrat. Wenn ich eh ein Fähnchen im Wind bin oder eine Puppe nach Tageslaune, was macht eine Änderung da schon aus.

Immersion behindert durch ihre Vorgeschichte auch nicht Änderungen. Natürlich gibt es einen Widerstand, der durch menschliche Gewohnheiten und Erfahrung aufgebaut worden ist. Krisen beruhen aber typischerweise auf Änderungen der äußeren Umstände und bilden damit den Anstoß zur Änderung und im Widerpart zu der bestehenden Persönlichkeit dann den Spannungsbogen der Szene.



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Offline Monkey McPants

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #6 am: 30.03.2005 | 19:44 »
Was Entscheidungen aus der Spielerperspektive allerdings helfen sollen, ist mir völlig schleierhaft. Vielleicht kann ja jemand ein paar Beispiele geben.

Beispiel: Spieler A spielt einen Charakter der dazu neigt agressiv auf Beleidigungen zu reagieren und schon in der Vergangenheit deswegen ausgeflippt ist, wobei es auch schon Tote gab. Spieler B spielt einen Charakter der das Leben etwas lockerer sieht und hin und wieder mal einen Witz reißt. (Auch über andere.)

Während einer Session passiert Spieler As Charakter etwas peinliches, sagen wir sein Pferd bockt und er landet im Misthaufen. Spieler Bs Charakter sieht das (wortwörtlich auf dem hohen Roß) und Spieler B muß nun eine Entscheidung treffen. Wenn er nur nach dem IC geht würde sein Charakter vermutlich einen Witz reißen. Als Spieler weiß er allerdings, daß das Spieler As Charakter dann, wenn er ebenfalls IC reagiert, vermutlich ausflippen würde. Er hat also nun die Wahl IC zu handeln und damit Spieler A den Schwarzen Peter zu zu schieben, oder es sich zu verkneifen. Sagen wir er reißt den Witz.

Dann muß sich Spieler A nun überlegen ob er IC reagiert (und mit Spieler Bs Charakter einen Streit anfängt) oder den Streit vermeidet.

Würde hier rein nach IC Gesichtpunkten gehandelt käme es vermutlich zum Konflikt. In manchen Gruppen ist das ok, in manchen nicht, aber hier bestünde die Gefahr das einer der beiden zu Schaden kommt, was wiederum in manchen Runden nicht wirklich erwünscht sein könnte. Indem die beteiligten Spieler Abstand von der puren Charaktereben nehmen (und effektiv in Author Stance gehen) können sie den möglichen Konflikt erkennen und somit abwägen wie sie handeln.

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Offline Maarzan

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #7 am: 30.03.2005 | 19:56 »
Das pures IC Illussion ist, habe ich in etwa auch gesagt. Nur ist es für mich das leitende Ideal.

Eine solche Situation versuche ich durch geeignetes Einwirken auf die Mitspieler schon vor Beginn der Runde zu entschärfen, indem potentielle Gruppensprenger angesprochen werden. Dann kann man entweder abmildern oder zumindest vorwarnen.

Ansonsten würde ich so etwas im Spiel dann laufen lassen.
Wenn jemand nun auf einem richtig wunden Punkt getroffen wurde oder abzusehen ist, daß eine auf Dauer annehmbare IC Lösung auch wegen möglicher OOC Gründen (z.B. zu schnell augeheizte Stimmung, algemeine Müdigkeit oder andere Probleme eines Spielers) momentan nicht erzielbar ist, ist die externe Korrektur die beste Lösung.

Wenn das Problem aber erkennbar häufiger auftauchen wird, dann muß eh eine dauerhafte Lösung gefunden werden und die kann genauso IC gefunden werden.

Ich glaube aber auch daß solche sozialen Feuerwehreinsätze nicht alles sind, was mit den OOC Vorzügen gemeint worden ist.

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Offline Monkey McPants

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #8 am: 30.03.2005 | 20:09 »
Ich glaube aber auch daß solche sozialen Feuerwehreinsätze nicht alles sind, was mit den OOC Vorzügen gemeint worden ist.

War auch nur das erste was mir eingefallen ist. :)

Ein anderes Beispiel wäre zB. eine Gruppe die eine "gute Geschichte" erzählen möchte, mit Thema, Anfang-Höhepunkt-Schluß und so weiter. Oder Narrativisten die auf eine Prämisse eingehen möchte.

Oder ein Spieler der, unabhängig von den Wünschen seines Charakters, Interesse an einem bestimmten Teil des SIS bekommen hat und darum "gegen seinen Charakter handelt" um diesen Teil näher zu erleben.

Und und und. Gibt viele Beispiele.

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Eulenspiegel

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #9 am: 1.04.2005 | 00:42 »
@ Fredi
Stell dir vor, du bist ein Pazifist. Du kommst abends nach einem anstrengenden und regnerischen Arbeitstag nach Hause. Du stellst den Regenschirm in die Ecke und bemerkst aus den Augenwinkeln, wie eine maskierte Gestalt deine beiden Kinder hinrichtet. Wie reagierst du?
Ich denke, wenn hier der Spieler spontan entscheidet (und bereits eine Immersion in seinen Charakter hat), kommt die glaubwürdigste Reaktion hervor.
Wenn der Spieler aber einen Schritt zurückgeht und sich überlegt: "Einerseits bin ich Pazifist, aber andererseits könnte ich ja jetzt auch sehr aggressiv werden. - Hmm, das hängt wohl davon ab, wie sehr ich meine Kinder mochte. Mal überlegen."
In diesem Fall bezweifle ich, dass er zu einer besseren Handlung kommt.
Die Reaktion aus dem Bauch heraus ist auf alle Fälle realistischer (wenn auch nicht unbedingt interessanter) als die Reaktion nach reiflichen Überlegen.
Und ich finde, mit der Veränderung, die aus dem Bauch raus getroffen wurde, kann der Spieler auch besser arbeiten, da sie ebend nicht rein rational getroffen wurde, sondern er auch emotional versteht, wieso der Charakter so handelte.

Dann muß sich Spieler A nun überlegen ob er IC reagiert (und mit Spieler Bs Charakter einen Streit anfängt) oder den Streit vermeidet.
Und wieso ist es der Charakterentwicklung dienlich, wenn Spieler B keinen Witz gerissen hätte. Oder wenn Charakter A jetzt darauf verzichtet auszurasten?
Es mag vielleicht aus gamistischer Sicht hilfreich sein, über den Witzt hinwegzusehen.
Und für die Story mag es auch hilfreich sein, wenn die Charaktere unverletzt den Gegnern gegenüberstehen und sich nicht vorher halb tot prügeln.
(Story und Gamismus sind also 2 Gründe, wieso man OOC - Überlegungen anstellen sollte. - Und wenn man in der RPG Gruppe Probleme hat, sollte man auch häufiger in's OOC fallen.)

Aber für die Charakterentwicklung ist es disfunktional:
Wenn der Charakter aus OOC Gründen eine Tat nicht begeht, dann ist dieser Charakter unglaubwürdig und eine interessante Charakterentwicklung nur erschwert möglich.
(Anders sähe es aus, wenn Spieler A die ganze Zeit in Immersion ist (schreibt man das so?) und sein SC denkt: "Verdammter Schnösel auf seinen Gaul. Am liebsten würde ich ihm eine reinschlagen. Aber ich brauche ihn noch. Also mache ich ihn erst fertig, wenn wir den Auftrag erledigt haben und wieder auf dem Rückweg sind. - Rache wird am besten kalt serviert. / Das wirst du noch büßen." Aber nach einiger Zeit ist sein Jähzorn verraucht und er hat es dem "arroganten Schnösel" bereits verziehen.)
In diesem Fall hat er aus IC Gründen auf eine Tracht Prügel verzichtet. (Der Spieler hatte niemals eine OOC Betrachtung) Und deswegen ist der Charakter für Spieler A immernoch glaubwürdig.

Für Spieler B und den SL macht es keinen Unterschied, ob der Charakter aus IC oder OOC Gründen die Zähne zusammenbeißt und nichts tut. Sie nehmen schließlich nur am äußeren Geschehen teil.
Für Spieler A macht es aber einen riesen Unterschied und es könnte die Glaubwürdigkeit seines SCs zerstören, eine kurze OOC Betrachtung zu machen.

Zitat
Würde hier rein nach IC Gesichtpunkten gehandelt käme es vermutlich zum Konflikt.
Das käme darauf an, wie stark sich Spieler A in seine Rolle hineinversetzt hat.
Und solange sich der Konflikt nur im Spiel abspielt und nicht herausgetragen wird, kann es für die Charakterentwicklung nur positiv sein.

Zitat
M, der pures IC-Spiel für eine Illusion hält.
Oh doch. Das gibt es.
Ist komischerweise die anstrengendste (aber für mich auch interessanteste) Art RPG zu spielen.
Wovon man sich allerdings befreien sollte, ist die Vorstellung, dass man einen Plot lösen muss.
Es existiert schon ein Plot. Aber der dient nur als Kulisse für Handlungen der SCs. Wichtig sind die Motive der SCs.
(Was auch schonmal dafür gesorgt hat, dass man den Plot sprengt und irgend etwas scheinbar nichtiges macht.)

Offline Monkey McPants

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #10 am: 1.04.2005 | 11:27 »
Dann muß sich Spieler A nun überlegen ob er IC reagiert (und mit Spieler Bs Charakter einen Streit anfängt) oder den Streit vermeidet.
Und wieso ist es der Charakterentwicklung dienlich, wenn Spieler B keinen Witz gerissen hätte. Oder wenn Charakter A jetzt darauf verzichtet auszurasten?
[snip]
Für Spieler A macht es aber einen riesen Unterschied und es könnte die Glaubwürdigkeit seines SCs zerstören, eine kurze OOC Betrachtung zu machen.

Zitat
Würde hier rein nach IC Gesichtpunkten gehandelt käme es vermutlich zum Konflikt.
Das käme darauf an, wie stark sich Spieler A in seine Rolle hineinversetzt hat.
Und solange sich der Konflikt nur im Spiel abspielt und nicht herausgetragen wird, kann es für die Charakterentwicklung nur positiv sein.

Marzaan hat nach Vorteilen von "Nicht-pur IC"-Entscheidungen gefagt und ich hab ein paar Beispiele gebracht. Hat so nur bedingt was mit Charakterentwicklung zu tun.
Zitat
Zitat
M, der pures IC-Spiel für eine Illusion hält.
Oh doch. Das gibt es.
Ist komischerweise die anstrengendste (aber für mich auch interessanteste) Art RPG zu spielen.
Wovon man sich allerdings befreien sollte, ist die Vorstellung, dass man einen Plot lösen muss.
Es existiert schon ein Plot. Aber der dient nur als Kulisse für Handlungen der SCs. Wichtig sind die Motive der SCs.
(Was auch schonmal dafür gesorgt hat, dass man den Plot sprengt und irgend etwas scheinbar nichtiges macht.)

Tut mir leid, aber das halte ich immer noch für unglaubwürdig. Nicht das ich dir nicht glaube das ich das nicht toll finde, wie bereits gesagt, Immersion ist auch sehr weit oben auf meiner Liste der "Gründe warum ich rollenspiele", aber 100% IC-Entscheidung hieße auch seine eigenen Wünsche 100% zu ignorieren. Natürlich hat man den Charakter gemacht, also werden sich die Ziele deines Charakters und deine (Im Sinne von "Was möchte ich erfahren/erleben.") vermutlich überschneiden, und umso deckungsgleicher sie sind umso besser, aber Spiel ohne jedes Zurückgreifen auf Meta-Informationen (oder -Wünsche), wie zB. "Was möchte der Spieler" hallte ich für unmöglich.

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Offline Lord Verminaard

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #11 am: 1.04.2005 | 14:12 »
Ob es reines IC gibt oder nicht, ist eine Definitionsfrage. Selbstverständlich kann es keine allein aus dem Charakter heraus motivierte Entscheidung geben, denn der Charakter ist nicht echt, sondern nur ein Kunstgebilde, das der Interpretation durch den Spieler bedarf. Wenn man IC hingegen so definiert, dass der Spieler außerhalb des Charakters liegende Informationen und Motive nicht verwendet, impliziert „verwenden“ eine bewusste Zweckbestimmung, auf die ein Spieler schon verzichten kann.

[Definitions-Anwalt]
Auf forgianisch reden wir hier sowieso über Stances und nicht über IC vs. OOC. Genauer über Actor Stance vs. Author Stance. Siehe dazu Actor Stance existiert nicht. IC und OOC nach Forge beschreiben nur die Art und Weise der Darstellung.
IC = Wörtliche Rede als der Charakter, von dem Charakter in 1. Person sprechen.
OOC = über den Charakter in der 3. Person sprechen, über andere Aspekte des Spiels „von Spieler zu Spieler“ sprechen
[/Definitions-Anwalt]
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streutzer

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Re: Charakterentwicklung braucht den "Schritt zurück"
« Antwort #12 am: 1.04.2005 | 17:34 »
Eine Methodenidee ( in Absatz zwei und drei):

Ich kann zwar nachvollziehen, dass man schnell auf Klischees zurückgreift, wenn man plötzlich improvisierend die Charakter-Aktionen beschreiben muss, bin jedoch auch der Überzeugung, dass grade hier einige Perlen zum Vorschein kommen, die man durch ein abwartendes und erstmal reflektierendes Entscheiden über die Charakter-Aktionen vielleicht nicht erhalten kann. So weit nichts neues. Dazu kam mir jedoch eine Methodenidee (Keine Ahnung, ob schon irgendwo beschrieben oder in Systemen verwendet), die das spontane Beschreiben mit dem behutsameren Konstruieren verbinden könnte:

Mir fiel eine Doku über Kubrick ein, in der ein Schauspieler zu Wort kam, der erzählte, dass Kubrick nicht wirklich von vornherein wusste, wie die Schauspieler genau handeln sollten und er einzelne Einheiten wieder und wieder und wieder drehte/drehen ließ, bis er schließlich ein Ergebnis erhielt, dass ihm schmeckte (Klar ist das wohl irgendwie überall so, er wurde jedoch als Extrem dargestellt).

Ähnlich könnte man es auch im Spiel handhaben und somit zwar dem spontanen Beschreiben der CH-Aktionen den Vorrang vor dem erstmal zurückgesetzten überdachten Beschreiben der Handlungen geben und sich überraschen lassen, jedoch durch das Wiederholen der Erzähl-/erzählten Einheiten daran schleifen kann, bis der SL/alle Spieler zufrieden sind und dadurch versuchen, an bestimmten Stellen Klischees zu vermeiden oder Konflikte oder anderes dem gewünschten Spielstil entsprechend abzuhandeln und Überraschendes zu nutzen.

Klar, das wäre während der Einheiten dann in Richtung Actor-Stance, durch die Entscheidungsgewalt, die eben gespielte Einheit kippen zu können, würde ein Teil Author-Stance hinzukommen.

Inwieweit eine solche Methode überlebensfähig und spaßbringend ist, bliebe noch zu klären. Ein extensiver Einsatz wäre sicher nicht sehr förderlich.

ich will mich hier nicht gegen jegliche OOC-Abstimmung oder verzögerte Entscheidungen (wie im Eingangspost beschrieben) aussprechen oder die Standardweise des Chrakterführens (die ich auch eher bevorzugen würde) negieren, sondern sehe dies als eine Möglichkeit, wenn man auf längerfristige Author-Stance Entscheidungen im Spielen direkt verzichten möchte und trotzdem an der Entwicklung der Geschichte von „Außen“ arbeiten möchte.