Juan läßt sich nichts von seiner Überraschung anmerken, als der Mann sich einmischt. Er hatte gehofft, Giacomo ohne weiter Schwierigkeiten mitnehmen zu können - eine Hoffnung, die langsam schwindet.
Er schaut den Neuankömmling an - in der Tat scheint es sich um einen Eisenländer zu handeln, und einen Adligen noch dazu.
"Ihr gestatt sicher, daß ich mit Euch zusammen die Würfel überprüfe - vier Augen sehen mehr als zwei, wie man so schön sagt."
Juans Gegenüber kneift kurz seine Augen zusammen, aber an seinem Tonfall ändert sich nichts. "Aber wie ich schon sagte - die Farbe des Würfels hat sich in der Tat geändert. Wie Ihr deutlich sehen könnt, ist dieser hier blau, während vorher beide Würfel rot waren."
Juan sagt nichts sondern sieht seinem Gegenüber nur in die Augen. Er muss nicht aussprechen, daß es keinen Sinnmachen würde, den Spielwürfel gegen einen von anderer Farbe auszutauschen. Der Betrug wäre viel zu leicht zu durchschauen. Seine Gedanken rasen. Er hat seinen Bruder seit 8 Jahren nicht gesehen, und er kann nicht ausschließen, daß dieser betrügen würde. Aber er ist trotz allem sicher kein Narr und würde sich geschickter anstellen - so viel steht fest.
Der Eisenländer hebt den Würfel so, daß Juan ihn gut sehen kann, dreht ihn - und zerbricht ihn dann. Deutlich ist zu sehen, daß der Würfel eine Höhlung aufweist und ein Bleigewicht in diesder Höhlung war, welches jetzt klappernd auf den Tisch fällt.
Ein Raunen geht durch deb Saal, der Vendel zeigt anklagend auf Giacomo und schreit "Ich wusste es. Ihr seid ein..."
Weiter kommt er nicht, denn Juan ist etwas an seine Ärmel aufgefallen. Gedankenschnell zischt die Spitze eines seiner Rapiere nach vorne und trennt die Naht der Manschette auf. So schnell und überraschend ist die Bewegung, daß selbst der Eisenländer für einen winzigen Augenblick überracht wird. Er ist gerade in Begriff, seine eigene Waffe zu ziehen, als er seinerseits etwas bemerkt, was ihn innehalten lässt - ebenso wie alle anderen schockierten Gäste:
Aus dem aufgeschlitzten Ärmel des Vendels ist ein roter Würfel auf den Tisch gefallen.
Alle starren sprachlos auf den Würfel, außer Giacomo, der gerade seinerseits wieder in eine Tirade von Anschuldigungen ausbrechen will - aber er wird durch einen herrischen Wink Juans zum Schweigen gebracht und setzt sich wieder.
Juans Aufmerksamkeit gilt dem Eisenländer, der immer noch auf den Würfel auf dem Tisch starrt.
"Nun, Senor - wie es aussieht, haben wir hier eine verfahrene Situation, nicht wahr? Allem Anschein nach haben sich hier zwei Falschspieler gegenseitig betrogen. Da aber kein ehrlicher Spieler einen Schaden davon hatte, würde ich vorschlagen, daß jeder der beiden seinen Einsatz wieder einstreicht, dem Wirt eine angemessene Entschädigung und den Gästen eine Lokalrunde spendiert und dann ohne weitere Händel das Etablissement verlassen. Es ist sicher in unser aller Interesse, hier keinen Aufruhr zu starten, nicht wahr?"
Der Eisenländer schaut Juan mit einer Mischung aus Verwirrung, Ärger und Bewunderung an.
-"Ja, damit habt Ihr wohl recht, mein Herr. Theus sei mit Euch."
-"Und auch mit Euch, Senor. Sagt, mit wem habe ich eigentlich das Vergnügen?"
-"Wulfila von Thurau ist mein Name. Mein Vater ist Gregorius, Graf von Thurau."
Juan lässt sich nichts anmerken, aber er ist erstaunt, beinahe schockiert.
Von Thurau? Die Welt ist wahrlich klein.
"Nun denn, gehabt Euch wohl." Juan packt seinen Bruder, der nun, als die Wirkung des Adrenalins nachlässt die volle Wucht des Alkohols zu spüren bekommt und halb bewusstlos auf seinem Stuhl zusammensinkt.
Der Vendel hat sich scheinbar ebenso leicht in sein Schicksal gefügt, denn er ist nicht mehr zu sehen - das ist auch ratsam, denn eine Anklage wegen Betrugs kann ihm nur schaden. Juan hat sich Giacomo inzwischen halb über die Schulter gelegt und hilft ihm nach draußen. Giacomo bewegt zwar seine Füe ein wenig mit, aber dennoch ist das ganze unverkennbar mehr ein Schleifen als ein gehen.
Draußen angekommen steuert Juan schnurstracks auf die Pferdetränke zu, Raphael und seine "Begleitung" zunächst scheinbar nicht bemerkend, und wirft seinen Bruder in das kalte Wasser. Dieser erwacht prustend, aber Juan ignoriert ihn volkommen und hat sich bereits Raphael zugewandt.
"Wie ich sehe, habt Ihr bereits Freundschaft geschlossen, Senor Sorel. Wollt Ihr uns nicht vorstellen?"