Autor Thema: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?  (Gelesen 4764 mal)

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Offline Dr.Boomslang

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Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« am: 23.04.2005 | 18:55 »
Aus aktuellem Anlass:
Du hängst der falschen Vorstellung nach, dass Rollenspielregeln irgendwas mit der Realität zu tun haben. Die Aufgabe von Regeln ist es aber nicht, irgendeine Realität abzubilden, sondern die Eingaben in den Vorstellungsraum (SIS) zu regeln. ...
Ich bin nicht der Meinung dass Regeln im Rollenspiel grundsätzlich dazu gedacht sind die Realität zu modellieren. Auf oberster Ebene beschreiben die Regeln nur wie das Spiel abläuft, sonst ersteinmal nichts. Die Art wie ein Rollenspiel abläuft beeinflusst aber zweifelsfrei die Art der dabei entstehenden Welt (aka Vorstellungsraum aka SIS). Deshalb können Regeln auch, aber eben nicht auschließlich, Zusammenhänge innerhalb der Spielwelt beschreiben. Solche Regeln müssen nicht vorhanden sein. Das Spiel würde auch ohne sie reibungslos ablaufen, sofern nur klar ist wer unter welchen Umständen wann welche Eingaben machen soll und darf.

Regeln die Spielweltzusammenhänge beschreiben können aber vorhanden sein, und in vielen Rollenspielen kommen sie auch vor, das ist denke ich unbestritten. Die interessanteste Frage ist wahrscheinlich, ob eine solche Art von Regeln grundsätzlich vorhanden sein sollte oder nicht.
Welche Gründe kann es geben solche Regeln zu haben? Sollten diese Regeln dann realistisch sein, und was heißt das überhaupt?

Die Gründe für solche Regeln sind für mich klar. Sie stellen eine Spielhilfe dar. Die Regeln dienen dazu die Art der Eingaben die Spieler machen so zu kontrollieren, dass nur Eingaben gültig werden können die mit einem bestimmten Verhalten der Spielwelt übereinstimmen. Auf dieses Verhalten (der Spielwelt) sollte sich die Gruppe vorher geeinigt haben, oft geschieht dies durch wahl von Setting, System oder Genre.
Mit Realität und Realismus hat das mehr zu tun als man auf den ersten Blick vielleicht sieht. Die Spielwelt sieht vielleicht ganz anders aus als wir das von unserer Realität kennen, aber wir kennen eben die Realität aus unserer Sich am besten. Deshalb muss auch jede fiktive Welt dem Vergleich zur Realität, zumindest einige grundlegende Mechanismen betreffend, standhalten. Das können die banalsten Zusammenhänge sein wie z.B. dass schwierige Sachen nicht so häufig gelingen wie leichte, dass ein Kampf auf Leben und Tod gefährlich ist oder dass Waren ihren Wert nach Angebot und Nachfrage ändern. Ich habe bewusst ein paar Beispiele gewählt die die Rollenspielgemeinde schon seit Jahren in unzähligen Diskussionen über Realismus beschäftigen.
Ich behaupte nicht dass man die genannten oder andere Ansprüche aus der Realität auf jede Spielwelt übertragen können muss. Es geht einfach darum eine fiktive Welt einorden und sich vorstellen zu können indem man ihr Verhalten zumindest in Differenz zur Realität beschreibt. Das ist schließlich der einzige gemeinsame Bezugspunkt den wir haben.

Das Thema dieses Threads soll es aber mehr sein ob die Regeln eines Rollenspielsystems diese Verantwortung übernehmen sollten und können. Das Argument das wahrscheinlich dagegen auftauchen wird ist schlicht, dass Menschen die Realität allein aus ihrer Erfahrung heraus besser beurteilen können als irgendeine Regel das könnte. Dazu sage ich: Das ist sicher auf den ersten Blick richtig. Man sieht das daran, dass die strikte Anwendung solcher "realitätsbildenden" Regeln aus vorhandenen Systemen eher dazu führt dass sich die Spielrealität auf den abgebildeten Mechanismus beschränkt und diese dadurch quasi verarmt. Die Spieler nehmen die Regeln entweder als gegeben hin und mühen sich mit dem schlechten Ergebnis ab, oder es wird onehin von ihnen erwartet, dass sie sich bei Bedarf über diese Regeln hinwegsetzen. Das sind für mich beides keine zufriedenstellenden Lösungen.
Sieht man aber genauer hin, so fällt einem auf dass man Spielern damit eine recht große Last aufträgt. Sie müssen nun nicht nur darüber nachdenken wie sie spielen, sondern auch noch wie sich die Welt realistisch verhalten soll. Dabei kann es sein, dass sie einfach nur wollen dass sich die Welt realistisch verhält das auch bewerten, aber eben nicht erzeugen können, da besteht ja ein erheblicher Aufwandsunterschied. Regeln die Weltverhalten modellieren dienen also letztenendes der Entlastung der Spieler (und vor allem des SL).

So, ich hoffe es gibt jetzt immer noch genug zum diskutieren und ich habe nicht alles vorweg genommen. Aber mit Zustimmung wär ich auch zufrieden ;D

flesh

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #1 am: 23.04.2005 | 21:26 »
Die Regeln eines (guten) Rollenspiels sind in erster Linie dafür da, dass jeder daran Spaß hat.
Hier hat Realismus aber schon einen gewaltigen Nachteil:
Wenn man beim Klettern vom Berg fällt (durch Würfelpech) und dadurch stirbt, ist das realistisch - aber es macht niemandem Spaß.
Daher sollte sich ein gutes Rollespiel in solchen Fällen eben anders Verhalten und dies genau im Regelwerk festhalten und den Käufer nicht mit "Der SL hat das letzte Wort" alleine lassen.

Offline Suro

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #2 am: 23.04.2005 | 21:55 »
Zitat
wenn man beim Klettern vom Berg fällt (durch Würfelpech) und dadurch stirbt, ist das realistisch
Irre ich mich, oder ist es ziemlich unrealistisch, durch Würfelpech vom Berg zu fallen  ;D ?
Suro janai, Katsuro da!

Offline Teethquest

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #3 am: 23.04.2005 | 23:17 »
Naja, vom Berg fallen muss ja nicht heißen, dass es gleich 200 Meter in die Tiefe geht. Bei einem sehr "tödlichen" System sollte der Spieler im entsprechenden Verhältnis vorsichtiger sein und der SL das Spiel anpassen. Ein Char, der vom Berg fällt könnte auch auf einem Vorsprung oder im Wasser landen und sich so verletzen wie jemand, der sonst (in einem anderen System) aus dreißig Metern Höhe auf einen Felsen geschellt ist.
Das Gleiche gilt für den Kampf. Ein Angriff muss nicht gleichzeitig Treffer sein. Es kommt ganz auf das System an, wie das geregelt wird. Die Spieler dürfen nach einem Kampf nur nicht zwei Arme verloren und einen offenen Bauch haben. Dann ist es notwendig das "Wundenniveau" herunterzuschrauben.

Gut, das alles ist weniger cinematisch. Aber es geht!
Als Cronos sein Gebiss verlor
Führte mich die Reise weit
Weil er mich dazu auserkor,
zu suchen nach dem Zahn der Zeit

Preacher

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #4 am: 23.04.2005 | 23:36 »
Zitat
wenn man beim Klettern vom Berg fällt (durch Würfelpech) und dadurch stirbt, ist das realistisch
Irre ich mich, oder ist es ziemlich unrealistisch, durch Würfelpech vom Berg zu fallen  ;D ?

Touché, wüde ich sagen ;D

@Boomslang:
Ich verstehe nicht recht, worauf Du hinaus willst.
Regeln dienen, nun ja, zur Regelung des Spielablaufes. Soweit klar. Dadurch bestimmen sie, auf welche Art der SIS zustande kommt, indem sie auf die eine oder andere Art festlegen, wer wann welche Eingaben machen darf (auch wenn das in vielen Systemen nicht so eindeutig zu erkennen ist). Auch klar.
Außerdem bestimmen sie (in vielen Systemen) das Zustandekommen des SIS mit, indem sie Vorgaben machen, wie die Spielwelt Funktioniert - ebenfalls klar.

Und wo ist jetzt das Problem? Wünschst Du dir detaillierte Regeln, die möglichst viele Eventualitäten (=verschiedene Situationen, die in der Spielwelt auftreten können) abbilden und simulieren? Oder wünschst Du dir in dem Fall möglichst große Interpretationsfreiheit für SL und Spieler?

Ich persönlich tendiere ganz klar zu letzterem. Die Shadowrun-Regel zur Schadenserhöhung bei Explosionen in engen Räumen mag ja die harte Physik unserer Welt plausibel simulieren - ich persönlich halte das für ganz großen Humbug. Gesunder Menschenverstand sollte greifen, man erhöht den Schaden frei Schnauze und gepfiffen auf die Physik. Weniger Hartwurst, mehr Tempo.
Das ist aber doch eine ganz klare Geschmacksfrage - manche Leute lieben es, jedes noch so kleine Detail zu simulieren.

Oder geht es darum, die Spielrealität in Relation zur "realen Realität" zu setzen (keine Diskussionen zum Thema "was ist Realität", bitte. Die Konstruktivismus-Debatte hab ich ein wenig satt)?
Ist das dann nicht zunächst einmal eine Frage des Settings?
In unserer Welt zieht die Schwerkraft Objekte zu Boden (auch hier: Keine Erbsenzählerei bitte - ja, sie ziehen sich eigentlich gegenseitig an). Wenn in meinem Setting zum Beispiel der Mond Objekte stärker anzieht als die Erde wenn er genau darüber steht  und man da entsprechend "von der Erde fallen" kann, dann muss das zunächst einmal beschreibend festgelegt werden. Um das abzubilden KANN man nun natürlich jede Menge Sonderregeln einfügen. Man KANN (und das wäre meine bevorzugte Methode) aber auch sagen: Macht das frei Schnauze - ihr werdet Euch da schon einig.
Mit einem Minimum an "abbildenden" Regeln zu arbeiten funktioniert aber auch nur gut in einer harmonischen Gruppe, die im allgemeinen die gleichen Spielziele verfolgt - wenn dann über jeden Kleinkram diskutiert wird, wird das ermüdend.

Ich hoffe, ich habe nicht allzusehr am Thema vorbeigeredet. Aber es ist spät, ich bin müde und ich bin nicht sicher, ob ich deinen Punkt richtig verstanden habe.
« Letzte Änderung: 24.04.2005 | 00:07 von Preacher »

Offline Maarzan

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #5 am: 24.04.2005 | 09:39 »
Gesunder Menschenverstand hat den großen Nachteil, daß zu viele Menschen unterschiedliche Versionen davon haben. Was der eine für völlig klar hält, ist für den anderen größter Unsinn. Regeln geben eine eine gemeinsame Basis, wenn es zu solchen Problemen kommen könnte.
Und derjenige, der gesunden Menschenverstand als Grundlage festsetzt meint damit all zu oft nur "Meine Meinung"

Gute Regeln ...
...entsprechen möglichst der größten Schnittmenge von Auffassungen.
...oder erläutern einen wissenschaftlichen Ansatz kurzfür alle
...oder erklären eine Abweichung und ersetzen sie durch ein konsistentes anderes System.

Und man ist nicht vom Berg gefallen, weil man schlecht gewürfelt hat, sondern weil man sich auf ein Risiko eingelassen hat.
Gute Regeln sollten einem Spieler bei qualifiziertem Charakter allerdings eine Idee derSchwierigkeit geben und eine selbst plausible Ergebnisverteilung erzeugen.

Wer unter solchen Umständen aber nicht mit Verantwortung für eigene Entscheidungen leben kann und selbst im Rollenspiel nicht mit Rückschlägen leben kann, sollte einmal in sich gehen, was er von Rollenspiel wirklich will.
     
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Offline 1of3

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #6 am: 24.04.2005 | 10:02 »
@Boomslang: Ich muss in einem Punkt widersprechen.

Unsere Realität ist nicht der einzige Bezugsrahmen den wir haben. Genrevorstellungen können ein Bezugsrahmen sein. Kulturelle Symbolik kann ein Bezugsrahmen sein.

Anstatt "Schwierige Sachen gehen häufiger schief." kann ich auch sagen "Sachen, die in Superheld unternimmt, gehen nur schief, wenn ihn ein Superschurke hindert."

Du siehst diese Punkte nicht als gleichwertig an. Du stellt fest, dass man mit Genre eine Differenz zur Realität abstecken kann.

Ich sage: Wenn diese Unterscheidung schon implizit passiert, sind Genre- oder sonstige kulturelle Bezugsrahmen schon so gut, wie die Realität, weil sie genauso wenig erklärt werden müssen.


Nachtrag: Es ist übrigens kein Gegenargument, dass Genrevorstellungen in den Köpfen der Teilnehmer divergieren können. Das tut die Realität auch. Mein Lieblingsbeispiel zu dem Thema ist Treibsand. Tatsächlich versinkt man in Treibsand gar nicht so leicht, kann sogar drüber laufen. Nur wenn man stehen bleibt oder noch schlimmer auf der Stelle tritt gehts abwärts (Der Wattenmeer-Effekt).
Die meisten Leute sind aber Hollywood und damit einem solchen kulturellen Bezugsrahmen aufgesessen.
« Letzte Änderung: 24.04.2005 | 10:07 von 1of3@aera »

Preacher

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #7 am: 24.04.2005 | 11:09 »
Gesunder Menschenverstand hat den großen Nachteil, daß zu viele Menschen unterschiedliche Versionen davon haben. Was der eine für völlig klar hält, ist für den anderen größter Unsinn.
Deswegen funktioniert das Regelminimum meiner Meinung auch nur in einer harmonischen Gruppe wo man zum Großteil gleiche Vorstellungen hat.

Regeln geben eine eine gemeinsame Basis, wenn es zu solchen Problemen kommen könnte.
Das Problem ist, je mehr "Problemfelder" Du regeln willst, desto dicker werden die Regeln. Und je mehr Regeln es gibt, desto mehr wird darüber diskutiert - das ist meine Erfahrung in verschiedenen Gruppen. Also kann es mit "die Regeln legen Mechanismen fest, klären ihren Geltungsbereich eindeutig und verhindern somit Diskussionen" nicht getan sein.

Gute Regeln sollten einem Spieler bei qualifiziertem Charakter allerdings eine Idee derSchwierigkeit geben und eine selbst plausible Ergebnisverteilung erzeugen.
Soweit OK, denke ich. Aber:
Wer unter solchen Umständen aber nicht mit Verantwortung für eigene Entscheidungen leben kann und selbst im Rollenspiel nicht mit Rückschlägen leben kann, sollte einmal in sich gehen, was er von Rollenspiel wirklich will.
Aber wenn doch alles geregelt ist, dann hat man eben NICHT entschieden. Wenn die Würfel sagen, daß ich vom Berg falle, dann ist mit doch die Entscheidung abgenommen worden. Wenn die Würfel sagen, daß ich in Raserei verfalle, dann kann ich mich doch bequem dahinter verstecken, daß ich damit u.U. daß Abenteuer versaut habe: Ich habe halt schlecht gewürfelt.
Nein, wenn NICHT alles durch Regeln nun ja, eben reglementiert wird, dann hat man in diesen Bereichen eine echte Entscheidungsfreiheit als Spieler wie als SL und DANN muss man mit der Verantwortung für die Entscheidungen leben.

Teclador

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #8 am: 24.04.2005 | 11:23 »
Wer unter solchen Umständen aber nicht mit Verantwortung für eigene Entscheidungen leben kann und selbst im Rollenspiel nicht mit Rückschlägen leben kann, sollte einmal in sich gehen, was er von Rollenspiel wirklich will.

Das würde ich gerne näher erläutert haben.
Muss man jetzt in sich gehen, und seine rollenspielerische Zukunft überdenken, nur weil man cineastische Systeme zockt bei denen man keine Rückschläge erleidet?

Offline Dr.Boomslang

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #9 am: 24.04.2005 | 17:41 »
Die Regeln eines (guten) Rollenspiels sind in erster Linie dafür da, dass jeder daran Spaß hat.
Das ist schon klar, aber das bringt uns nicht viel weiter weil man einer Regel eben nicht ansieht inwiefern sie den Spaß maximiert. Vor allem ist der Spaß den eine Regel macht sehr vom Zusammenhang abhängig, d.h. davon wer das Spiel spielt und welche Vorlieben er dabei hat und auch in welchen Zusammenhang zu anderen Regeln sie steht.
Weil wir nicht unmittelbar betrachten können ob eine Regel ansich Spaß macht oder nicht müssen wir uns mit Betrachtungen wie dieser begnügen und Regeln in Kategorien einteilen die unter bestimmten Vorrausetzungen Spaß machen und unter anderen eben nicht.
Und in diesem Thread geht es darum ob Regeln Spaß machen die eine (Pseudo-)Realität modellieren sollen.


Und wo ist jetzt das Problem? Wünschst Du dir detaillierte Regeln, die möglichst viele Eventualitäten (=verschiedene Situationen, die in der Spielwelt auftreten können) abbilden und simulieren? Oder wünschst Du dir in dem Fall möglichst große Interpretationsfreiheit für SL und Spieler?

Ich persönlich tendiere ganz klar zu letzterem.
Ich persönlich tendiere eher zu ersterem. Interpretationsfreiheit bringt mir nichts. Die größte Interpretationsfreiheit hätte ich doch durch die Festlegung dass ich alles interpretiere. Das Regelwerk für dieses Rollenspiel sieht dann so aus: "[Jeder spielt einen Charakter innerhalb einer fiktiven Welt... bla... sülz]. Reihum wird erzählt was der gespielte Charakter tut, was genau geschieht hängt davon ab wie der jeweilige Spieler die Situation in Abhängigkeit zu einem gegebenen Verhalten der Spielwelt interpretiert."
Dieses Regelwerk hätte nun zwar Regeln aber eben keine Regeln die die (Spiel-)Realität betreffen, worum es in diesem Thread ja geht ( ;) ).
Möchte man etwas Variation und Nichtdeterminismus reinbringen könnte man die Regel auch so abwandeln: "... Reihum wird erzählt was der gespielte Charakter tut, was genau geschieht wird ermittelt indem der Spieler alle vorstellbaren Ausgänge der Handlung nennt, ihnen aufgrund seiner Vorstellung über die Spielwelt Ereigniswahrscheinlichkeiten zuordnet, und dann mit einem %-Wurf ermittelt welche von ihnen eintritt."
Das wäre ein simulationistisches Minimalsystem das ohne Zweifel theoretisch funktioniert (Sogar ohne SL! Cutting Edge, Yes!). Wieviel Spaß es macht weiß ich nicht so recht, man könnte es ja mal ausprobieren :-\
Man kann es sogar durch leichte Formulierungsänderungen in ein narrativistisches oder gamistisches System umwandeln.
Die Regeln nehmen aber in diesem Beispiel keine Arbeit ab, sondern bürden sie den Spielern auf! Der Spielraum für Interpretationen muss nicht erhöht sondern verringert werden. Wohin solche Bemühungen (Verringerung des Interpretationsspielraumes) in der Praxis führen können sieht man wenn man sich Systeme wie Rolemaster ansieht, oder wenn man Jura studiert ;)
Das heißt aber nicht dass es nicht trotzdem ein erstrebenswertes Ziel ist, das nur bisher nicht optimal erreicht wurde. Gesetzte hält man ja trotz ihrer Komplexität und Inkonsistenz prinzipiell für nötig um den Spaß (ich lehn mich jetzt weit aus dem Fenster :o ) in der Gesellschaft aufrecht zu erhalten.

Die Shadowrun-Regel zur Schadenserhöhung bei Explosionen in engen Räumen mag ja die harte Physik unserer Welt plausibel simulieren - ich persönlich halte das für ganz großen Humbug. Gesunder Menschenverstand sollte greifen, man erhöht den Schaden frei Schnauze und gepfiffen auf die Physik.
Solche Sachen sind natürlich immer Abwägungen zwischen Kosten (=Aufwand der Durchführung der Regel) und Nutzen (=Möglichkeit der Anwendung und Relevanz des Ergebnisses).
Trotzdem ist gesunder Menschenverstand eben nicht das gleiche wie eine Regel die physikalische Abläufe grob nachempfindet, denn oft sind den Menschen nichtmal die prinzipiellen Abläufe bekannt.
Eine Welt in der Explosionen in engen Räumen auf Dauer nicht die von mir erwarteten (physikalisch korrekten) Auswirkungen haben gefällt mir vielleicht irgendwann nicht, wenn es mal drauf ankommt. Sie verändert sich dann nämlich auf eine Art und Weise die ich nicht erwarte. Man merkt das oft erst spät, weil das ganze eben durch einen Eindruck geprägt wird. Für einen 12-Jährigen DSA-Anfänger, wie ich es mal war, mag das System der Lebensenergie noch wie eine Offenbarung erscheinen, oder das Prinzip von Attacke und Parade wie die perfekte Simulation eines Kampfes. Aber man merkt doch irgendwann dass dem nicht so ist. Dann reicht es aber nicht einfach zu sagen: "Dann interpretier halt selbst!". Hab ich mir dafür das DSA Regelwerk gekauft und durchgelesen?!


Ich muss in einem Punkt widersprechen.

Unsere Realität ist nicht der einzige Bezugsrahmen den wir haben. Genrevorstellungen können ein Bezugsrahmen sein. Kulturelle Symbolik kann ein Bezugsrahmen sein.
Das ist sicher richtig. Was ich eigentlich sagen wollte ist dass ein solcher Bezugsrahmen besteht und dieser häufig die Realität ist.

Anstatt "Schwierige Sachen gehen häufiger schief." kann ich auch sagen "Sachen, die in Superheld unternimmt, gehen nur schief, wenn ihn ein Superschurke hindert."
Das ist ein gutes Beispiel, aber was wenn ich die Vorstellung meines Bezugssystems (die ich jetzt einfach Realität im Sinne von einer auch möglicherweise alternativen Realität nenne) nicht so einfach in ein paar Konzepten ausdrücken kann? Was wenn ich selber nicht mehr in der Lage bin das Funktionieren zu überwachen durch das einhalten solcher einfachen Konventionen? Dann würde ich mir doch von den Regeln wünschen dass sie mir diese Realität abbilden. Darum geht es.
Ich möchte einfach sagen können "realistisch" oder "so wie bei Star Wars" und das Regelsystem soll mir diese Welt dann liefern von der ich glauben kann dass sie so ist wie ich es wollte, weil ein schlauer Mensch (oder viele) sich darüber Gedanken gemacht haben wie diese Realität funktioniert.
Realität meine ich als kontinuierliches, komplexes Konzept auf das man zurückgreifen kann, das sich nicht so einfach in ein paar Richtlinien zusammnefassen lässt. So ein Konzept braucht man einfach immer, denn sonst wüsste man ja garnicht wo man mit seinen Regeln anfangen sollte. Das können auch Genrekonventionen sein, aber auch die sind nur in Vergleich zur Realität entstanden. Aber das ist nur ein interessantes Nebenthema. Ich will aber auch die Diskussion darüber welche Dinge aus der "echten" Realität in jeder alternativen Realität implizit enthalten sind und was man nun wirklich genau modellieren sollte und was nicht offen lassen...

Offline Trurl

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #10 am: 24.04.2005 | 18:18 »
Zitat
Ich persönlich tendiere eher zu ersterem. Interpretationsfreiheit bringt mir nichts. Die größte Interpretationsfreiheit hätte ich doch durch die Festlegung dass ich alles interpretiere. Das Regelwerk für dieses Rollenspiel sieht dann so aus: "[Jeder spielt einen Charakter innerhalb einer fiktiven Welt... bla... sülz]. Reihum wird erzählt was der gespielte Charakter tut, was genau geschieht hängt davon ab wie der jeweilige Spieler die Situation in Abhängigkeit zu einem gegebenen Verhalten der Spielwelt interpretiert."
Es ist aus meiner Sicht notwendig, zwischen drei verschiedenen Faktoren abzuwägen: Genauigkeit der Regeln(In welchem Verhältnis spiegeln die Regeln bzw. die Resultate, die sie liefern, das wieder, was ich haben wollte?), Komplexität der Regeln und Arbeits- bzw. Interpretationsaufwand für die Spieler.
Ein absolut einfaches System, das jede erdenkliche Situation so auflöst, dass es mir plausibel erscheint, und dabei meine eigene Mitwirkung auf null reduziert, gibt es nun einmal nicht.

Den Arbeitsaufwand und die Komplexität der Regeln, die ein spezieller Spieler in Kauf nimmt, um eine bestimmte Genauigkeit zu erhalten, hängt nun nicht nur von diesem Spieler, sondern auch von dessen Vorlieben ab. Manchen Spielern mag es Spass machen, die Warenpreise in einer Fantasywelt bis auf die dritte Nachkommastelle zu berechnen, anderen ist es zu komplex. Und noch anderen macht Simulationsmus generell keinen Spass ;)

Daraus folgt für mich, dass ein System zumindest die Möglichkeit zu einer eigenen Prioritätensetzung -was ist mir wichtig, was möchte ich genau wiedergeben? - beinhalten sollte, oder speziell auf eine bestimmte Menge an Leuten zugeschnitten werden muss, die die gleichen Vorlieben im Großen und Ganzen teilen.
Das zweite lässt sich mit einem guten Ausgleich der drei Faktoren für bestimmte Spielweltvorgänge lösen; in einem System, mit ich bspw. Star Wars simulieren möchte und dementsprechend erwarte, dass meinen Spielern Weltraumkämpfe und Lichtschwertduelle wichtig sind, regele ich diese Bereiche mit mehr Regeln, weil sie am häufigsten auftauchen werden(Aufwand für die Spieler wird reduziert) und am genausten wiedergegeben werden sollen. Aber das erste, also die Möglichkeit der eigenen Prioritätenbildung, scheint für mich zumindest mit einer größeren Interpretaionsfreiheit leichter umzusetzen zu sein.

Catweazle

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #11 am: 24.04.2005 | 18:23 »
Die Frage nach dem Realismus ist eine Subjektive. Als Extrembeispiele möchte ich mal das System "TOON" anführen. Wer möchte hier von der Simulation einer realistischen Welt reden?

Ich denke es geht weniger um Realismus als vielmehr um die Konsistenz innerhalb des Systems (gleiche Voraussetzungen -> gleiche Chancen). Die sollte der Gerechtigkeithalber erhalten bleiben. Es geht aber auch ohne, wenn man sich vertraut.

Offline Shao-Mo

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #12 am: 24.04.2005 | 18:42 »
So fingen auch oft die ersten Rollenspielsysteme an. Es war ja nicht so, dass das erste D&D System perfekt war. Perfekt ist kein System, im Bezug auf das Abdecken aller möglichen eventualitäten.

Mit den Jahren, die dieses Systeme auf dem Buckel bekommen haben, stießen immer mehr Regeln dazu. Durch Erfahrung mit den Regeln Mehr Kampf -> mehr Optionen, mehr Möglichkeiten -> mehr Regeln.
Man versuchte, wie schon oben erwähnt, die mehrheit der Meinungen einzubeziehen.


Viele Systeme die ich so kenne, sind auf der Basis unserer Realität erstellt, Physik, Mathematik, ... das was alles Definiert.
Und dann kommt das Setting, das, was die Realität im Rollenspiel verändert

Beispiel Magie:
Magie gibt es in unserer Realität nicht, und deshalb müssen da schonmal regeln erstellt werden die das abdecken.
Bei DSA, Shadowrun und D&D ist das vollkommen unterschiedlich geregelt und das kollidiert mit der eigenen Meinung zur Magie, die wir durch Bücher und Filme über die Jahre aufgebaut haben.
Als Rollenspieler kann man sich damit anfreunden, weil man das Setting mag, oder man mag das Setting zB deshalb nicht, weil man die Umsetzung von etwas, hier Magie, nicht mag... oder sich nicht anfreunden kann.


Woher kommt es das man in der Realität weiss, das man nicht 10m springen kann. Oder woher weiss man, wie weit man springen kann. Oder Tauschen, woher weiss man wie lange man tauchen kann?
Zuerst geht man von der Realität aus. Dann versucht man das mit der Individualität innerhalb des Systems umzusetzen.
Ergebnis: Regeln.

Aber meist sind die Regeln nur für etwas da, was Extremsituationen darstellen oder Situationen, in denen man als normalsterblicher in der Realität nicht kommt.
Im D&D Regelwerk, ist das zB am Anfang beschrieben. "Kann mein Charakter denn nicht Schwimmen, wenn ich 0 Ränge in Schwimmen hab?" Doch er kann, aber wenn er mit 50kg Gepäck, einhändig versucht einen Freund vor dem Ertrinken zu retten, während er in rauhem Wasser schwimmt, ist das ein Moment in dem man auf die Regeln zurückgreift!
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Detritus

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #13 am: 24.04.2005 | 19:26 »
Gibt es nicht für alles ein Regelwerk? Jap tut es. für alles und jeden.
Realismus findet man in Regeln eher selten.
Shadowrun:
Kann man realistisch gesehen einen Schuß mit einer Ares Predator 2 aus der Distanz von 5 cm überleben? Defenitiv nicht. Was sacht das System?
Würfle mein Freund nix ist unmöglich. Der der versucht das durchzusetzten ist für mich nicht liebenswert.
DAS ist allerdins nur so wen ich Rollenspiel ernst betreiben will und so. ich denke jeder weis was ich meine.
Wen ich Lust auf den surrealismus der Regeln und Welten habe dann soll mir sowas egal sein.
Stetzt man einen funcken gesunden Menscheverstand bei sowas vorraus?
Ja
Was passiert wen man das nicht tut?
DSA  ;D
DAS IST MEINE MEINUNG! Also fangt nicht an hier darüber zu reden.

Realismus ist im Spiel eine gute Sache und man sollte, wen man das Pech hat, einen schlechten Wurf auch mal acceptieren können. Das nen Charakter stirbt kommt vor. Wen man das nicht mag kann man sich nen System raussuchen in dem das schwer ist und bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch Hochhäuser springen und und wen 2m neben einem ne Splittergranate explodiert würfeln wie hoch der Schaden ist und iggorieren das vermutlich mindestens eine Seite des Gehörgangs nicht mehr zu gebrauchen ist.
Mach ich ja auch z.T. das auch gerne, aber wen ich ne lange Kampange hab und ich nen Fehler mache muss ich halt dafür büssen.
Das muss ich nicht wen ich jede Regel nutze die es gibt.
Lieber den gesunden Menschenverstand als alle Regeln.

Offline Shao-Mo

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #14 am: 24.04.2005 | 20:24 »
Zitat
Das muss ich nicht wen ich jede Regel nutze die es gibt.
für solche Fälle sind die Regeln da.

- wenn man als Held nicht direkt sterben will.
- wenn man die Realistischen Auswirkungen mit Bonies im Spiel belohnen will.
- ...
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Offline Roland

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #15 am: 24.04.2005 | 20:49 »
Regelsysteme können nur eine Hilfe zur Einrichtung eines gemeinsamen Vostellungsraumes sein.

Mehr können sie aufgrund der sehr vielfältigen und verschiedenartigen Anforderungen der Spieler nicht leisten.


In einer etwas diffusen Wahrnehmung des LP ist nach dem oben genannten Problem die Entwicklung dann in eine Richtung verlaufen die dazu geführt hat dass die meisten Regelsysteme eine Art Goldene Anti-Regel implizit oder explizit formuliert haben, die ungefähr besagt: "Wenn irgendeine Regel den Spielspaß mindert oder sonstwie stört dann lasst sie weg, oder ändert sie"
Diese Goldene Anti-Regel finde ich allerdings eher ein Armutszeugnis von Regelsystemen da sie mich ja mit nichts weiter als dem LP dem Spiel überlässt.
(...)
Ich persönlich möchte aber Regeln die mir helfen diese Vorstellung zu bilden und zwar nicht nur indem sie mir Helfen mich mit meinen Mitspielern zu einigen, sondern indem sie eine Welt generieren die ich selbst nicht so leicht mit der selben Konsistens hätte entwerfen können, also eine alternative Realität.

Boomslang, verlangst Du von eimem System tatsächlich dass es, neben seinen anderen Aufgaben, eine Welt zu simuliert, die genau Deiner Vostellungen entspricht? Und dass das System dies auch für jeden anderen Spieler schafft? 
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Offline Monkey McPants

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #16 am: 24.04.2005 | 21:39 »
Shadowrun:
Kann man realistisch gesehen einen Schuß mit einer Ares Predator 2 aus der Distanz von 5 cm überleben? Defenitiv nicht.

Naja, es gibt Leute die Schußverletzungen aus nächster Nähe überlebt haben. (obwohl es sicher keinen menschen gibt der einen Schuß aus einer Ares Predator überlebt hat, das stimmt schon. ~;D)

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Detritus

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #17 am: 24.04.2005 | 22:21 »
Äh ja Sorry ich hab ne Kleinigkeit vergessen.

In den Hals.

Der Spieler hat darauf bestanden zu würfeln und rechtbekommen. Er hat überlebt, aber mehr als nicken konnte der auch nicht mehr danach.

Eulenspiegel

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #18 am: 24.04.2005 | 22:39 »
Grundsätzlich sind Regeln beim RPG "realistischer" als bei anderen Spielen.
Schach z.B. hat gar nicht den Anspruch, einen Kampf realistisch darzustellen und macht trotzdem Spaß.
Man könnte zwar versuchen, einen Kampf im RPG mit Schach-Regeln auszuspielen. (Es dürfte zwar schwer sein, das Rollenspiel im Kampf aufrechtzuerhalten, aber prinzipiell wäre es möglich.)

Da es aber schwer ist, sich einen Kampf vorzustellen, der nach abstrakten Regeln (wie beim Schach) abläuft, gilt beim RPG hauptsächlich: Wenn eine Regel vorhanden ist, dann sollte sie die Spielrealität beschreiben.
Wobei man sich manchmal mit Approximationen an der Realität zufrieden gibt, weil das System sonst zu kompliziert wird.

Mir fallen beim RPG drei Arten von Regeln ein:
1) Regeln, die die Spielrealität (Naturgesetze des Settings) wiederspiegeln / erklären.
2) Regeln, die das Genre unterstützen. (geistige Stabilität bei Cthulhu, Karma-Poll und Extra-Würfel bei heldenhaften Systemen.)
3) Regeln, die das Erzählrecht aufteilen. (Beim klassischen RPG: Der Spieler darf alles über seinen SC bestimmen, der SL darf alles andere.)

Zum Thema Shadowrun:
Ich halte die Regeln für enge Räume (und reflektieren an Wänden) für sinnvoll.
Denn ich habe nichtmal ansatzweise eine Ahnung, wie sehr sich die Sprengwirkung in engen Räumen verhält:
Ich könnte zwar in meinen Physikerbüchern nachschlagen und eine Stunde mit rechnen verbringen, aber ein Blick in die SR - Regeln hilft mir deutlich mehr.
Oder weißt du ansatzweise, ob sie die Sprengwirkung in einem 2*2m Raum jetzt verdoppelt oder verzehnfacht?
Was ist, wenn der Raum doppelt so groß ist oder eine Tür offen ist?
Alles Fragen, worauf mein gesunder Menschenverstand keine Antworten weiß. (Außer der Schaden wird mehr. Aber ich habe nichtmal ansatzweise eine Ahnung, wieviel mehr.)

Wenn jemand mit einer Pistole aus 2m Entfernung auf dich schießt, halte ich es schon für realistisch, dass du stehst:
1) Man zielt normalerweise auf den Torso und nicht auf den Kopf, weil er selbst auf 2m Entfernung nur schwer zu treffen ist. Und selbst ein normal Mensch hat gute Chancen, nach einem Bauch-Treffer nicht sofort ohnmächtig zu werden. (Und ob er jetzt handelt oder schreiend/wimmernd am Boden liegt, hängt von seiner Diziplin und nicht von seiner Verwundung oder Konsti ab.)
2) Selbst bei einem Voltreffer im Kopf (und keinen Streifschutz, der dir nur das Ohr absäbelt, ) kann man überleben. Man verfällt  soweit ich weiß zwar ins Koma. Aber es gibt Leute, die nach einiger Zeit aus dem Koma erwacht sind und kaum mentale oder körperliche Einbußen zu verzeichnen haben. (Einer hatte z.B. aufgrund des Kopfschusses sein Gedächtnis verloren, war ansonsten aber vollkommen geheilt.)
- Wenn man jetzt nicht nur den Schädel sondern auch noch einen Kevlar-Helm als Schutz hat, sieht die Sache auch wieder ganz anders aus.
3) Wollen wir mal sehen, was die Shadorun-Regeln zu dem Fall sagen:
Normale Pistole macht 7M Schaden. Ein durchschnittlich trainierter, ungerüsteter Mensch hat eine Konsti von 4.
- Streifschuss: Der Angreifer hatte 1 Erfolg (also 7M Schaden), wird wahrscheinlich auf eine Leichte Wunde hinauslaufen.
- Volltreffer im Torso (keine Lebenswichtigen Organe getroffen): Der Angreifer hatte 3 bis 4 Erfolge (also 7S Schaden). Wird wahrscheinlich auf eine mittlere Wunde hinauslaufen.
- Für Streifschuss am Kopf gilt das gleiche.
- Volltreffer im Torso (lebenswichtiges Organ getroffen): Entspricht 5 Erfolge (also 8T Schaden). Wird wahrscheinlich auf schweren oder gar tödlichen Schaden hinauslaufen.
-Volltreffer am Kopf (Kugel durchdringt Schädel): Entspricht 6 Erfolge (also 9T Schaden oder 7(2 über T) Schaden). Wir wahrscheinlich auf eine tödliche Wunde hinauslaufen.

Das gilt natürlich nur für einen ungerüsteten durchschnittlichen Menschen. Aber ich finde diese Regelung sehr realistisch. Das du dies nicht realistisch findest, zeigt doch nur, wie unterschiedlich der gMV sein kann. Und wieso es wichtig sein kann Regeln zu haben. (Auf alle Fälle solltest du vor dem Spiel ankündigen, wenn du Regeln aufhebst und nicht den gMV der Autoren, sondern den des SLs benutzt.)
Man kann sich jetzt überlegen, was passiert, wenn der Mensch eine Rüstung trägt oder ein besonders dickes Bärenfell (hohe Konsti) hat.
Dabei merkt man dann die Schwäche, die das System bei gezielten Treffern hat. (Aber zum einen würden realistischere Regeln bei gezielten Schüssen, die Regeln verkomplizieren und zum anderen ist dies nicht das Shadowrun Board. - Weswegen ich hier keine Verbesserungsvorschläge poste.)

Komm wir nun wieder zu einem Punkt, den auch nicht Shadowrun-Spieler interessieren dürfte:
Wie verhalten sich Trolle unter Pistolenbeschuss?
Da Trolle in der Realität nicht existieren, kann man hier also auch nicht mit gesunden Menschenverstand argumentieren, ob Trolle jetzt eher wie guttrainierte Menschen Wunden davontragen oder ob sich ein Troll wie ein organischer Panzer verhält.
Hier ist es dann den Autoren überlassen, ob er dies anhand einer Setting-Beschreibung erklärt. ("Sie schossen mit Atomraketen auf ihn. Als sich der Atompliz langsam verzog, flog der Drache weiterhin unbeirrt seine Kreise." - wäre eher Setting Beschreibung.
"Ein Drache hat Konsti +x und kann das Powerniveau von Schusswaffen um 200 halbieren.", wäre eher Regel- Beschreibung.)
Ich finde, für einen NSC reicht eine Setting-Beschreibung aus. Für einen SC - Charakter möchte ich aber explizit von den regeln her wissen, wie er sich vom Menschen unterscheidet.
Eine Setting-Beschreibung von "Als das Auto Vollgas in den Troll fuhr, flog dieser erstma mehrere Meter nach Hinten, wo er erstmal liegenblieb. Das Auto hatte vom Aufprall mit dem Troll eine riesen Delle und der Motor schien beschdöigt zu sein. - Als Sirenen von der herannahenden Polizei ertönten, rappelte sich der Troll schwer verletzt auf und humpelte davon.")
Das mag vielleicht atmossphärisch sein, sagt aber nicht über die Fähigkeiten des Trolls aus. Eine Regel-Beschreibung dagegen schon.
Aber das ist meine persönliche Meinung.

Detritus

  • Gast
Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #19 am: 24.04.2005 | 23:24 »
Stimmt du weist nur das es mehr wird aber wen ne Kleine Menge c12 neben dir in einem kleinen Raum explodiert kann ich davon ausgehen das du tot bist. Dafür würfle ich nicht.
Woher kenn ich mit C12 aus? Sicherlich durch das System und es gibt mir die Grundregeln vor. Diese ergeben ein Bild zusammen das sich sicherlich von Person zu Person unterscheidet. Das heist aber nciht das ich mich an alles halten muss und alles als richtig empfinden muss.
Ich empfinde ja auch durchaus einleuchtend was andere sagen wen ich es nachvollziehen kann.
Wen dir wer mit ner AP2 in den Hals schießt bist du normalerweise tot spätestens nach 5 min wen dein hirn kein Blut mehr bekommt weil vermutlich eine der Halsschlagadern verletzt ist zudem ist die wahrscheinlichkeit das dir das Blut was austrit in die Luftröhre fliest nicht gering. du hast ja auch nen riesen Loch im Hals.
Es gibt sogar nen Fall da hat ein Junge das halbe Hirn verloren und lebte weiter.
Ein Sprachwissenschafftler der 12 Sprachen sprechen konnte (8 davon fließend) hat sein Sprachzentrum verloren, konnte aber auf einmal wieder alles.
Warum ist mir das bekannt?
Ganz einfach es ist defenitiv nicht normal und somit würdig in die Presse zu kommen.

Preacher

  • Gast
Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #20 am: 25.04.2005 | 12:05 »
Oder weißt du ansatzweise, ob sie die Sprengwirkung in einem 2*2m Raum jetzt verdoppelt oder verzehnfacht?
Was ist, wenn der Raum doppelt so groß ist oder eine Tür offen ist?
Alles Fragen, worauf mein gesunder Menschenverstand keine Antworten weiß. (Außer der Schaden wird mehr. Aber ich habe nichtmal ansatzweise eine Ahnung, wieviel mehr.)

Oh, ich weiß auch keine Antwort auf diese Fragen. Ich weiß auch nur "der Schaden wird mehr". Mit "gesundem Menschenverstand" meinte ich auch nicht, daß man da die Erhöhung der Sprengwirkung nach "realistischen" Vorgaben berechnet. Das wäre ja nach dem Intellekt, nicht nach dem gesunden Menschenverstand. Ich meine vielmehr, daß der Scahden so erhöht wird, wie es "passend" ist - nach dem dramatischen Effekt, der gewünschten Auswirkung, der coolsten Szene - egal.
Ich meinte eben kein akribisches Nachrechnen. Wieviel mehr Schaden man genau bekommt ist auch völlig wurscht - imho ist die Hauptsache die Dramatik und das Tempo im Spiel, keine möglichst detailgetreue Simulation der Realität.

Offline Maarzan

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Re: Was hat Rollenspiel mit Realität zu tun?
« Antwort #21 am: 25.04.2005 | 17:48 »

Deswegen funktioniert das Regelminimum meiner Meinung auch nur in einer harmonischen Gruppe wo man zum Großteil gleiche Vorstellungen hat.
Genau, einer nahezu Freeformgruppe stehen einen Menge andere Gruppen oder auch ConBegegnungen, wo so etwas eben nciht machbar war. Aber auch die Freeformgruppe, hat sich dise Harmoine über Jahre mit traditionellen Systemen erarbeitet und als man sich nach Jahren mal wieder zusammensetzte kannte zwar keiner mehr die expliziten Regeln, aber den Stil des gemeinsamen Spiels.

Zitat
Das Problem ist, je mehr "Problemfelder" Du regeln willst, desto dicker werden die Regeln. Und je mehr Regeln es gibt, desto mehr wird darüber diskutiert - das ist meine Erfahrung in verschiedenen Gruppen. Also kann es mit "die Regeln legen Mechanismen fest, klären ihren Geltungsbereich eindeutig und verhindern somit Diskussionen" nicht getan sein.
Aber die schriftliche Niederlegung erlaubt es sich vorher ein Bild zu machen, ggf. Korrekturen zu machen oder aber sich auch ein anderes System oder eine andere Gruppe auszusuchen. Dazu kann man von einem Bild der Lage ausgehen und die Regel nach System (+ggf.  einige wenige Hausregeln) als Kompromiss ansehen, ohne im Detail diskuttieren zu müssen.
Und selbst wenn das System nicht erschlagend ist, 80% oder so sind auch schon recht gut und bilden eine Basis, auf der weitergehende Kompromisse aufbauen können.


Zitat
Aber wenn doch alles geregelt ist, dann hat man eben NICHT entschieden. Wenn die Würfel sagen, daß ich vom Berg falle, dann ist mit doch die Entscheidung abgenommen worden. Wenn die Würfel sagen, daß ich in Raserei verfalle, dann kann ich mich doch bequem dahinter verstecken, daß ich damit u.U. daß Abenteuer versaut habe: Ich habe halt schlecht gewürfelt.
Nein, wenn NICHT alles durch Regeln nun ja, eben reglementiert wird, dann hat man in diesen Bereichen eine echte Entscheidungsfreiheit als Spieler wie als SL und DANN muss man mit der Verantwortung für die Entscheidungen leben.

Die Entscheidung war ob man den Berg besteigen sollte, bzw ob man einen Charakter mit einer solchen Schwäche spielen wollte und ggf. die Detailfragen dazu.
Was nicht im Entscheidungsbereich des Charakters liegt, braucht während des Spiels nicht vom Spieler entschieden werden. Und in Härtefällen kann man ja immer darüber diskutieren, als Prinzip widerspricht es in meinen Augen dem Rollenspielgedanken.
Und wenn die Bergbesteigung Nebensache war, z.B. weil es in einem Nar-Spiel ums Ringewerfen auf der Spitze geht,  dann soll man das ganze eben aus dem Fokus herausnehmen. Wenn es aber wichtig sein soll, dann bitte mit allen Konsequenzen. 

Was Persönlichkeitsregeln angeht ist dies eh ein problematisches Feld, da es weit mehr Einflüsse und Ergebnisnuancen kennt als eher physikalische Dinge und eben auch einen Bewußtseinsanteil hat. Daher sollte man so etwas vermutlich eher offener bzw. als optionale Starthilfe einbringen denn als harte Schwarzweißentscheidung.

@ Preacher
Deine Hauptsache ist Dramatik (was immer das ist) und Tempo. Entsprechend wird es Genrerollenspiele geben, die so etwas vermutlich abbilden. Andere Leute haben andere Schwerpunkte und selbst im Simlager wird es unterschiedliche Schwerpunkte für unterschiedliche Leute geben.
Ein Regelsatz ist dazu schon meist eine Abstraktion und Vereinfachung, welche komplexe Umstände in deutlich einfachere Spielregeln umsetzt und solche Fragen für alle und im Voraus überschaubar beantwortet.
Und wenn man so etwa an der Grenze der Killzone steht, hat für manchen Spieler sich diese Priorität auch schon einmal schnell geändert  ;)
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...