Frohnholm, das Felsenschiff, fuhr seit je her ohne Steuermann. Der Rumpf der Festung war aus massivem Naturstein und scheinbar unbeweglich auf dem letzten Ausläufer des Lefirstranges befestigt. Doch an einem Morgen wie diesem konnte man sehen, wie sich die Mauern und Türme, Häuser und Plätze des Bollwerkes scheinbar bewegten. An der südlichsten Spitze Frohnholms lief der Rumpf des Felsenschiffes beinahe spitz zu, da er sich an die natürliche Form des darunter liegenden Bergausläufers anschmiegte. Gasper Silmerin stand jeden morgen hier, die Festung des Fürsten, sowie das Burgdorf im Rücken und den nahezu endlos wirkenden Fileipwald vor sich. In den frühen Stunden des Tages war alles ruhig, keine Menschen wuselten hier durcheinander, auch weil sie sich ohnehin selten so weit vom Marktplatz, der Schänke oder den Stallungen entfernten. Gasper stellte einen Fuß auf den abgetragenen und verwitterten Mauerrest, der die Menschen eigentlich vor dem schier endlosen Abgrund schützen sollte. Der Wind pfiff ihm aus dem Süden entgegen, wie jeden Morgen. Die Sonne schien wie jeden Morgen in einem satten rot von links über den flachen Wald. Und wie jeden Morgen strömte der Nebel wie ein weißer Schleier über die Wipfel der Bäume und den geschlängelten Pfad am Waldrand. Der Dunst brach sich am Bug des Schiffes und verschwand schließlich irgendwo in den nördlicheren Landen, die schon vor langer Zeit von Menschen in Besitz genommen worden waren. Gasper spührte den Wind in seinen strähnigen, blonden Haaren und genoss es jedesmal, wenn die Luft an seinem Waffenrock zerrte. Er war der Meinung, dass Fürst Gernot niemals ein guter Steuermann sein würde. Er lenkte dieses Schiff mit den Matrosen, Kriegern und Arbeitern zwar nach Süden, doch hatte er offenbar keine Ahnung welche Gewalt diese Festung entfesseln konnte.
Gasper blieb noch eine Weile, bis der Nebel sich beruhigt hatte, die sommerliche Sonne hell am Himmel stand und der Lärm des regen Treibens im Burgdorf so laut war, dass er sogar zu Gasper herüberdrang. Er drehte sich um und ging einige Stufen herunter, an einigen Türmen und Mauern vorbei in Richtung Fürstenresidenz. Letztere war einem Bollwerk viel ähnlicher als der Rest der Burg. Denn eine massige Steinmauer schoss senkrecht empor und endete erst in einer Unzahl von Zinnen. Nur durch eine halbrunde Aussichtsplattform unterbrochen zeigten die Wohnräume des Fürsten ihre kalte, glatte und dunkle Seite. Erst im Laufe des Tages beschien die Sonne einige Teile des Bauwerks. Gasper warf den Käfigen, die neben der Aussichtsplattform hingen finstere Blicke zu. Ihm widerstrebte es schon seit er hier angekommen war, dass die Bewohner von Rießtal dort oben aufgehängt wurden, bis sie verhungert waren. Für die nichtigsten Verbrechen wurden die Unglücklichen öffentlich zur Schau gestellt. Der Hunger allein war da nicht die schlimmste Folter. Schrecklicher noch war, dass niemand helfen konnte. Die Angehörigen konnten weder Trost noch Hoffnung spenden. Die einzigen Besucher waren unzählige Raben, deren Krächzen wie in einem Gelächter über das Burgdorf schallte. Wenn dann die Gefangenen zu schwach waren oder dem Tode nahe kamen, waren die fligenden Schwarzröcke bei der Stelle. Die stärkeren pickten und hackten ihre Opfer zu Tode, die schwächeren folgten dann in Scharen und vergingen sich am Rest des Leichnams. Gasper sah das garnicht gerne. Er wünscht sich die Befungnis vom König zu haben, dem Fürsten solch grausame Spielchen zu verbieten.
Der Marktplatz inmitten des Burgdorfes, eingehüllt von den mächtigen Stadtmauern, war nur scheinbar ein sicherer Ort. Wenn schon keine feindlichen Eroberungsstreitmächte jemals einen Weg hinein gefunden hatten, dann doch unzählige Schurken und Gauner. Taschendiebe trieben hier ihr unwesen, auch wenn sie ihre gefangenen Kumpanen in den Käfigen immer im Blick hatten. Die haberländischen Diebe waren verrucht und ebenso furchtlos wie die Abenteuerer, die die Pässe in den gefährlichen Süden suchten. Trotz der Diebe und Gauner scharrten sich unzählige Marktstände von Händlern aller umliegenden Ortschaften aneinander. Die einzige Schenke hier oben drängelte sich zwischen zwei verruste Fachwerkhäuser und zog sich wie ein Langhaus bis zur Stadtmauer. Im "Klingenden Kelch" trieben sich die Menschen und ausländischen Besucher herum, die entweder Geselligkeit suchten oder ihr Geld durch übermäßigen Biergenuss verlieren wollten. Obwohl die Schenke Klingender Kelch hieß, gab es hier fast nur Bierkrüge samt zugehörigem Inhalt und das einzige was klang waren blanke Münzen. In den Morgenstunden waren meist wenige Besucher hier, erst gegen Abend ging es richtig los. Doch in diesen Tagen machten die Goldschenker von sich reden, welche von weit aus dem Norden kamen und offenbar nicht zu gewöhnlichen Menschen zählten. Sie waren allesamt klein, bärtig, untersetzt und vor allem laut. Schon in den Morgenstunden vergnügten sie sich vor der Schenke, obwohl im Inneren noch genügend freie Plätze waren, und sangen Lieder in einer unbkannten, aber betonenden Sprache. Die tiefen Stimmen konnte sich Gasper kaum noch aus dem Burgdorf wegdenken. Vielleicht war er der einzige, den dieses Gehabe nicht störte.
Ungeachtet dessen setzte Gasper aber seinen Weg fort, kam vorbei an den Markständen mit Räucherfleisch, frisch gefangenem Fisch und getrocknetem Obst aus dem letzten Herbst. In der Nähe des Bäckers roch es den ganzen Morgen nach frischem Brot und bei den Schmieden klirrte es so laut, dass man selbst die Goldschenker nicht mehr hörte. Irgendwann aber trat die aggressive Stimme eines stadtbekannten, jungen Mannes aus dem Lärm hervor. Der etwas dumme Junge mit den vorstehenden Zähnen und den kleinen Augen war schon seit seiner Geburt nicht ganz richtig im Kopf. Er war zu fast nichts fähig. Nur eines konnte er: Schreien und Rufen wie kein anderer. Deshalb wurde er auch immer für Ausrufe angeworben. Heute war das nicht anders. Der junge Mann rief:
"Blanke Münze feil für helfende Hand."
Der Ausdruck "helfende Hände" wurde immer gebraucht, wenn Aufträge zu erledigen waren. Und blanke Münzen mochte eigentlich jeder. Dabei wurde natürlich verschwiegen, welche Münzen denn nun feil geboten wurden. Die meisten dachten natürlich an Gold, dabei waren doch wohl eher Kupferkreuzer, bestenfalls Silbermünzen gemeint. Gasper achtete garnicht darauf. Er hörte dieses Gebrüll ja schon seit fast einer Woche. Er warf dem jungen Mann einige nichtssagende Blicke zu und öffnete die Tür der Stube ohne anzuklopfen. Der Innenraum war recht klein, staubig und finster. Das Sonnenlicht, welches durch die matten Glasfächer fiel, reichte gerade aus, um den hölzernen Tisch zu erhellen, der mit allerlei Pergamenten und sogar ein paar Büchern vollgestellt war. Nur noch eine nicht entzündete Öllampe und ein in das Holz gestoßener Dolch waren zu erkennen. Dahinter saß eine Gestalt in brauner, mit Silberornamenten bestickten Lederkleidung. Im matten Licht schienen die angestrengten Augen ganz tief zu liegen und der sich gabelnde, pechschwarze Bart war sogar noch dunkler als die Umgebung. Der Blick des alten und doch lebendig wirkenden Mannes war nach unten gerichtet. In der rechten Hand hielt er einen Federkiel und in der linken ein Stück Pergament. Der alte Mann hatte Gasper natürlich bemerkt, doch blickte er erst jetzt auf. Er seufzte und steckte die Feder in ein Tintenfass. Dann meinte er ruhig:
"Ihr hattet recht, Herr Silmerin. Die Menschen innerhalb dieser Burgmauern haben keinen Geist für das Abenteuer."
Gasper lehnte sich beinahe zufrieden gegen die Tür und versperrte sie somit gleichsam. Er antwortete:
"Einen Gelehrten aus Warmuun kann man wohl nicht belehren, oder? Ich habe euch gesagt, dass ihr hier niemanden finden werden. Glaubt nicht, dass das an fehlender Abenteuerlust liegen würde. Nein, ganz und garnicht. Aber, wenn die Leute Abenteuer wollen, gehen sie in die Armee und marschieren oder reiten neben König Kasimir. Die Bezahlung ist da zwar nicht so gut, aber sicher. Die Leute vertrauen euch nicht. Aber das habe ich euch auch schon gesagt. Nimrott Slivyir ist kein Name, dem man sein Leben anvertrauen würde."
Nimrott schnaubte fast wütend und stand beinahe im Sprung von seinem Stuhl auf. Erst jetzt merkte man, dass da noch jemand im Dunkeln stand, ein Schreiber oder Rausschmeißer. Das war nicht genau zu sagen und wäre er nicht bei Nimrotts plötzlicher Bewegung zusammengezuckt, wäre er noch immer unerkannt geblieben. Der Gelehrte rückte seine Robe etwas unbehände zurecht, indem er das Leder zurückwarf. Dann schlich er um den Tisch und kam Gasper näher. Nimrott meinte:
"Deshalb seit ihr zu mir gekommen, ja? Um meine Niederlage auszuweiden? Wisst ihr eigentlich wie viel mich diese winzige Stube kostet? Wisst ihr was mich der Trottel vor der Tür kostet? Und der Typ da hinter mir? Nein? ich kann es euch sagen..."
Nimrott nahm das Pergament mit einer Handbewegung vom Tisch und las vor:
"Zehn Kupferkreuzer für den Bengel mit der lauten Stimme, dreißig für den Aufpasser hinter mir, zwei Silbertaler für die Stube. Für diesen winzigen Raum! Wucher ist das! Dann gehen sieben Kreuzer für jeden dämlichen Wachhabenden drauf, damit die mir den Schreier nicht abführen. Und nicht zu vergessen der tägliche Silberling für die Handweber..."
Gasper blickte auf:
"Ihr bezahlt für die Handweber?"
Nirmrott, der trotz des wenigen Lichtes offenbar noch gut lesen konnte, sprach weiter:
"Ja, ich dachte auch, dass das nicht notwenig wäre. Aber in den ersten Tagen verlor ich so viel durch Taschendiebe, dass ich ebensogut drei Silbertaler an diese Diebesgilde bezahlen könnte. Ich weiß immer noch nicht, wie die hier herein gekommen sind, um sich mein Geld unter den Nagel zu reißen. Der Fürst hat mir versprochen für meine Ausgaben aufzukommen, mich zu bezahlen. Wo ist seine Hilfe? Mich würde es nicht wundern, käme er morgen vorbei, um mir statt dessen noch vier Silbertaler abzupressen."
Gasper genoss irgendwo die Aufregung seines Gegenüber. Vermutlich deshalb, weil sich der Gelehrte bei seiner Ankunft so überaus selbstsicher gezeigt hatte, entgegen aller Warnungen. Aber Gasper war ein gutmütiger Mann und nicht umsonst entstammte er dem Ordenshaus der Paladine. Er sagte ruhig:
"Ich habe da jemanden, der mit euch reisen würde. Und das ohne einen Heller zu verlangen. Das einzige, was er als Bezahlung braucht ist ein wenig Freiheit im Handeln."
Nimrott blickte sein Gegenüber mit seinen tiefen, smaraktgrünen Augen an:
"Freiheit im Handeln? Na gut. Besser als nichts. Wo kann ich ihn treffen?"
Gasper lächelte:
"Ich habe ihn hierher bestellt. Sein Name ist Bruder Talonis. Er ist ein vittländischer Mönch aus dem Orden der Unverhüllten. Er wird euch ein treuer Weggefährte sein. Zum Glockenschlag der zehnten Stunde sollte er hier eintreffen."
Nimrott kniff die Augen zusammen:
"Warum macht ihr das für mich? Oder ist das ein Trick? Einen Priester auf diese Reise mitzunehmen... vielleicht keine gute Idee."
Gasper entgegnete:
"Er ist ein sehr tolerater Mensch. Macht euch keine Gedanken. Selbst mit euch wird er sich anfreunden können. Während ihr hier herumgesessen habt, habe ich mich ein wenig umgesehen und mehr als einen Begleiter für euch auftreiben können. Glaubt mir, sie werden euch die Türen einrennen. Man muss eben nur die Gesetze dieser Stadt kennen. Hier laufen die Dinge anders als in Warmuun. Und ihr fragt, warum ich das mache. Ganz einfach, ich..."
Der Satz wurde jäh unterbrochen, als jemand wuchtig gegen die Tür stieß, welche ja durch das Gewicht von Gaspers kräftigem Körper blockiert war. Fast behäbig ging er zur Seite und öffnete die Tür.
(So, jetzt seid ihr am Zug. Wer eintreten wird, ist an euch. Schreibt einfach wie in einer Geschichte, was als nächstes passiert. Wer kommt rein? Wie sieht derjenige aus? Was stellt er für fragen etc. ? Und euer Text muss natürlich bei weitem nicht so lang sein, wie dieser hier
)