Gasper zog sein Schwert und bewegte sich mit eiserner Mine auf den eingegrabenen Oger zu. Dieser ahnte offenbar, was auf ihn zukam, so dass er versuchte sich krampfhaft aus seinem Gefängnis zu befreien. Der Paladin aber zögerte nicht und trennte seinem Opfer mit einem gezielten Schlag den Kopf vom Körper, so dass der Leib erschlaffte und das Haupt dumpf neben dem massigen Ungetüm auf dem Boden aufschlug. Der trockene Erdboden wurde von dem dicken, roten Blut des Ogers gesäumt. Gasper kramte ein Lumpentuch aus seiner Tragetasche am Gürtel, zog einmal das Schwert hindurch, um es vom Blut zu reinigen und warf anschließend den Stoff neben den verendeten Oger.
"Widerlich."
sagte der Paladin mehr zu sich selbst und steckte sein Schwert wieder weg. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass Gasper Oger nicht für merkwürdig anmutende, menschliche Wesen hielt, sondern für eine Abartigkeit der Natur. Nimrott mochte den Anblick von Tod und Verderben garnicht. Er sagte nur kurz:
"Lasst uns weitergehen."
Die gedamte Gemeinschaft folgte ohne weitere Worte. Egal, ob diese Monster nun dumm, unkultiviert oder brutal waren, so konnten sie doch reden und empfanden wenigstens sowas ähnliches wie Todesangst. Vor allem bei Talonis blieb ein unbehagliches Gefühl zurück. War es richtig Wesen hinzurichten, die möglicherweise in der Lage waren Metorns Gnade zu empfangen?
Die meisten in der Gruppe aber legten schnell jedgliche Reue ab, da die Gefahren keinesfalls gebannt schienen. Ganz im Gegenteil mochten in dieser Wildnis, im Wald oder auf den weiten Auen weitere Oger lauern. Daher hatten die Reisenden während ihrer Wanderschaft auch immer ein Auge auf das Unterholz. Bald verwendeten sie den Flusslauf nicht mehr, sondern durchquerten das hohe Gras neben dem Waldrand. Mortan, der kaum über die Halme hinwegsehen konnte und sich vorkam, als ginge er durch ein Labyrinth, fragte sich spätestens in diesem Moment, wohin die Reise sie eigentlich führen sollte. Sie verwendeten keine Wege mehr, was vor allem das kleine Volk überhauptnicht mochte. Erst als die Sonne bereits unterging, erreichten die Reisenden einen kleinen See, dessen Ufer nur von niedrigem Bewuchs gesäumt war. Das Abendlicht glitzerte rötlich auf dem Wasser, welches immer wieder kleine, kreisrunde Wellen schlug. Das war ein untrügliches Zeichen von Fischen, welche nach Insekten schnappten. Talonis verstand viel vom Angeln und unterbreitete den Vorschlag die Nacht hier zu verbringen und sich an den Früchten der Natur zu bedienen. Nimrott freute dieser Vorschlag, da er nicht wusste wie lange sie noch von ihren Vorräten leben mussten. Als nur noch der Wiederschein des Halbmondes und der Sterne im Wasser zu erkennen war und Glühwürmchen durch die nahegelegenen Büsche tanzten, war das Lagerfeuer das hellste Licht in dieser Gegend. Die Gruppe saß zusammen im Kreis und bediente sich an schon alt gewordenem Brot. Dazu kam der frisch gefangene Fisch aus dem kleinen See. Nimrott brach das Schweigen und meinte:
"Vielleicht sollte ich euch über mich aufklären. Heute habe ich einen Teil meiner Macht offenbart, als uns die Oger angriffen."
Die Anwesenden lauschten aufmerksam. Die geheimen Künste waren verrucht und in den Ohren vieler hörten sich die Erzählungen darüber wie Märchen an. Heute hatten sie gesehen, was dahinter steckte. Zugegeben waren die meisten Anwesenden nicht völlig unbedarft. Talonis verkehrte mit Zauberern, auch wenn er ihre Macht völlig unterschätzt hatte. Luana mochte auf der einen Seite die Künste der Magier nicht, auf der anderen Seite war sie neugierig, was sie davon lernen könnte. Allein Mortan war überaus neugierig, was es mit der Maige auf sich hatte. Er fragte sich, ob er Talonis etwas von seinen merkwürdigen Visionen erzählen sollte. Nimrott fuhr fort:
"Die Magie der Zauberer ist eine Fortsetzung allen Wirkens auf der Welt. Feuer kann jedermann mit Flint und Zunder machen. Nur Hände und Worte zu verwenden ist eine ähnliche Kunst, nur ist sie weit erhabener. Nicht jeder ist fähig den Fluss der Welt über seinen irdischen Körper, seinen Avatar, hinaus zu beeinflussen. Baratos und ich wurden mit dieser Fähigkeit geboren. Wir wurden unterrichtet und lernten sie zu beherrschen. Dabei haben Sterbliche selten auch nur die geringste Vorstellung, was wir eigentlich tun..."
Nimrott lächelte und blickte in die Flammen des Feuers. Er meinte:
"Einige von uns können sehen, was den meisten verborgen ist. Das ist der erste Schritt die unsichtbaren Welten zu verstehen. Der erste Schritt Magie zu wirken. Seht ihr die Flammen. In den Augen des gemeinen Volkes nur das Spiel von Licht und Farben. Dabei ist es so viel mehr. Es ist keine geheime Kunst zu sehen. Man muss es nur zulassen. Wenn ihr euch bemüht, vergesst wovon ihr überzeugt seid und statt dessen das Geschenk eurer Sinne annehmt, fällt es leichter die wahre Natur der Falmmen zu verstehen."
Die Gemeinschaft schwieg still. Talonis und Gasper sahen sich gegenseitig fragend an. Luana dagegen brauchte nicht erst vom Zauberer belehrt zu werden. Sie sah bereits die unsichtbaren Dinge besser als die meisten sterblichen. Allein Mortan blickte gebannt und gedankenverloren in das Feuer. Plötzlich fürchtete er die merkwürdigen Gestalten nicht mehr, die sich manchmal in sein Gesichtsfeld schoben. Mit einem mal verschwand die Umgebung in absoluter Dunkelheit und nur noch die Flammen züngelten vor seinen Augen. Die flackernden Spitzen vollführten mit einem mal einen Tanz nach einer unsichtbaren Melodie, welche die gesamte Welt durchwebte. Farben wurden zu Mustern, die Hitze des Feuers wurde zu Klängen. Die Klänge zu Worten, die Wahrheit flüsterten. Mortan begann dunkle Schleifen zu sehen, welche sich durch die Flammen züngelten. Dazwischen tauchten schemenhafte Gesichter auf, die etwas zu sagen hatten, aber nicht gehört wurden. Der Zwerg verstand nichts von den Dingen, die gesagt wurden und war doch gefesselt von dem Spiel des Elements. Mit einem mal stieß ihn etwas gegen die Seite. Die Klänge verstummten, die Formen lösten sich in Rauch auf und das Feuer lag vor ihm, wie man es erwartete. Es loderte leicht und hin und wieder knackte funkensprühendes Holz. Talonis fragte:
"Alles in Ordnung?"