Hier mal ein paar Rezis von mir :
Skinny Puppy – Mythmaker
Mythmaker heißt das neue Album des amerikanischen Industrial-Urgesteins Skinny Puppy. Es geht um die Archetypen denen Menschen unbewusst folgen, um Manipulation und um Macht. Prominente Vorgänger hat der Silberling aus dem schon lange selbst zum Mythos aufgestiegenen Hause Skinny Puppy zuhauf. Doch was taugt der jüngste Sprössling der Verbindung von cEVIN Key und Ogre selbst? Die Musikpresse scheint sich einig : ein weiterer Meilenstein in der Bandhistorie! Doch mir fällt die Antwort weniger leicht. Ein Selbstversuch.
Die Platte rotiert im Laufwerk und der erste Eindruck ist mit dem Opener Magnifishit erst einmal ernüchternd. Sampleorchester, trifft auf zwitschernde „Chiptune" Linien und dazu gesellt sich der befremdliche Vocodergesang mit dem Ogre das erste mal auf dem letzten Album aufwartete. Man mag mir Konservativismus vorwerfen, doch gerade der animalisch knurrende Gesang der älteren Alben machte für mich viel vom Reiz Skinny Puppys aus. Die neuerdings exzessiv verwendete Technik erweckt hindessen den Eindruck, Ogre müsste die Abnutzung seines Stimmorgans durch Technik kaschieren oder hätte aus irgend einem Grund plötzlich Angst die Töne nicht zu treffen.
Aber hoffnungsvoll höre ich weiter, schließlich haben SP Alben schon immer etwas gebraucht um wirklich zu zünden, zumal ich erfreut feststelle, dass die Produktion anders noch als beim Vorgänger wirklich gut gelungen ist.
Einige Durchläufe später bin ich jedoch weiterhin nicht vollkommen überzeugt. Frickelige Beats mit allerlei digitalen Effekten versehen wissen zu gefallen, genau wie die leider etwas spärlich eingeworfenen düsteren Klangcollagen oder der effektive Gitarrengebrauch. Mythmaker ist beileibe kein schlechtes Album und besser als der Vorgänger. Dennoch bleibt ein flauer Nachgeschmack. Warum klingen die Texte, sofern man sie denn versteht, im Vergleich zu früher so flach? Wo ist die drückende, triebhafte Schwere abgeblieben und was zum Teufel soll dieser Trancelead in Track 8? Dass Skinny Puppy 2007 anders klingen als 1991 braucht mir niemand erzählen. Dass Bands aus den Achzigern ihren Sound erfolgreich neu erfinden können haben vor kurzem erst Laibach bewiesen. Aber ist anders allein automatisch neu und originell? Wohl kaum.
Bleibt nur die Frage ob man Skinny Puppy, den Pionieren des Industrial die nach Angaben der PR-Abteilung mit diesem Album ihr Hauptwerk abliefern überhaupt eine nur mäßig euphorische Kritik verpassen darf? Oder sind sie dazu bei all dem Medienhype nicht schon viel zu sehr der Titan vor dem man sich nur verbeugen kann? Ich erinnere mich an das Inhaltliche Thema des Albums und nach dem ganzen Gegrübel fällt mir die Antwort plötzlich erstaunlich leicht.
Man kann, wenn man nur bereit ist sich dem Mythos zu erwehren.
Note : 3+
Antigama - Resonance
Antigama wissen es einem wirklich den Mund wässrig zu machen. Der Pawlowsche Hund im geneigten Brutal-Death-Metal-Fan springt auf die im Promo-Text enthaltenen Schlagwörter wie "raw power of old-school-grindcore" in Verbindung mit "spastic acrobatics of modern technical metal" und "chaotic vortex of apocalyptic agression and industrial spite" vollkommen an. Auch das schön gestaltete Cover, dass von bizarren Schemen in industrieller Kulisse geziert wird, weiss den Speichelfuss anzuregen.
Doch nachdem der Silberling in der Anlage nun schon eine Weile rotiert, stellt sich heraus, dass sich das Album "Resonance" der Warschauer Band sich nur bedingt zur Konditionierung eignet. Auch zwanghafte Kontraktionen des Nackenmuskels sind leider nicht unbedingt Folge des Konsums dieses neusten Produktes aus dem Hause Relapse. Nach einer ausführlichen Versuchsreihe ist klar - Antigama sind trotz der wortreichen Selbstdarstellung einfach zu brav. Sicher, der Sound drückt, technisch greifen die Jungs auch nicht daneben und die Songs rocken auch schon mal. Aber im Vergleich zu Konkurrenten wie Cryptopsy oder Cephalic Carnage verblasst ihre Leistung einfach.
Es fehlt Resonance der entscheidende Funke Inspiration, die eigene Identät. Das besondere Feature des Albums, die gelegentlichen elektronischen Einprengsel, etwa können das Ganze leider auch nicht auf ein höheres Niveau heben zumal sie nicht immer überzeugend integriert sind. Somit bleibt ein Kompliment an den Autor des Promo-Textes, ein ordentliches Grind-Death Album und ein Redakteur der die geweckten Erwartungen nun durch das Hören eines echten Referenzalbums des Genres befriedigen geht.
Note : 3
Elend - A World Within Their Screams
Während draußen der Frühling seinen Siegesmarsch fortsetzt wird es in meinem Zimmer plötzlich schlagartig bitterkalt. "A world in their screams", die neue CD aus dem französischen Hause Elend ist die Ursache des Temperatursturzes. Die Welt die das Cover des Albums zeigt ist verzerrt und auf Schwarz und Weiß reduziert - und so scheint sich beim Hören auch die Musik wie schwarze Asche auf alles und jeden zu legen.
Was sich dem Hörer präsentiert ist ein Gebilde aus mächtigen Streicherensembles, beklemmenden Klangcollagen, apokalyptischen Chören und dröhnenden Trommeln. Ein klagender Frauengesang leitet die Reise ein, metallische Percussions lösen sie bald ab und werden sogleich von Orchester übertönt, dass sich zu einer tosenden Kakophonie steigert. Schreie, elektronische Geräusche und dazwischen immer wieder eine Stimme, die auf französisch über innere Zustände räsonniert. Ganz ohne den Kitsch den man bei den sogenannten Neoklassikprojekten häufig findet inszenieren Elend einen weiteren persönlichen Weltuntergang. Ihr bisher abgründigstes und destruktivstes Werk. Dabei handelt es sich mittlerweile um das fünfte Album der Gruppe und das Dritte aus dem Albenzyklus "Winds" welcher fünf Veröffentlichungen fassen wird.
Das mithilfe von 30 Sängern und Instrumentalisten realisierte Album ist, wie für Elend typisch, erneut wieder extrem plakativ, hällt aber locker das ebenso extrem hohe Niveau des Vorgängers, "Sunwar the Dead". Chapeau für so viel Können. Auch wenn es nicht die erklärte Absicht der Musiker ist an die literarische Epoche des Expressionismus anzuknöpfen (obwohl dem neuesten Zyklus eine epische Dichtung zugrunde liegt) ist es mir doch ein Bedürfnis hier mit einem Gedicht einen Bezug herzustellen.
Ein Nebel hat die Welt so weich zerstört.
Blutlose Bäume lösen sich in Rauch.
Und Schatten schweben, wo man Schreie hört.
Brennende Biester schwinden hin wie Hauch.
Gefangne Fliegen sind die Gaslaternen.
Und jede flackert, daß sie noch entrinne.
Doch seitlich lauert glimmend hoch in Fernen
Der giftge Mond, die fette Nebelspinne.
Wir aber, die, verrucht, zum Tode taugen,
Zerschreiten knirschend diese wüste Pracht.
Und stechen stumm die weißen Elendsaugen
Wie Spieße in die aufgeschwollne Nacht.
Alfred Lichtenstein - Nebel (1913)
Note : 1-
Marillion - Somewhere Else
Marillion sind zurück. Doch waren sie eigentlich jemals fort? Mit beeindruckender Selbstverständlichkeit bringen die lebendigen Klassiker des Progressive Rock auch im 21. Jarhundert noch ein Album nach dem anderen heraus. Genauso selbstverständlich klingt das neue und mittlerweile 14. Album der Band, "Somewhere Else" dann auch:
Die gefühlvolle, leicht klagend klingende Stimme des charismatischen Sängers Steve Hogarth, irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwebend. Die leise anspruchsvollen aber nie verkopft oder gewollt wirkenden Arrangments. Die zarten Melodien und die gefasste Melancholie.
Das alles ist nicht neu. Aber das alles ist unverändert großartig. 2007 sind Marillion eine perfekt funktionierende Maschine hervorragender Instrumentalisten die zu allem in der Lage scheinen außer einem schlechten Song. Und vielleicht einer großen Überraschung. Doch wozu auch? Marillion hat sich schon lange selbst gefunden und scheint statt auf Innovation darauf abzuzielen die eigene Idee, die über das bloße Schöpfen von Musik herausgeht, möglichst vollkommen zu verkörpern.
Das äußert sich neben den üblich sozialkritischen Texten "He who dies with the most toys... is still dead" (Track 4 - Most Toys) und den Aufrufen im Booklet "Turn the cities into families.Make poverty history".
Aber nicht zuletzt auch in der Veröffentlichungspraxis, welche die Band seit 2004 verfolgt: Sie kehrte der etablierten Musikindustrie den Rücken zu und gründete ihr eigenes, unnabhängiges Label, dass sich nur durch Vorbestellungen der Fans finanziert. Marillion nur eine tadellos funktionierende Songmaschine? Wohl kaum.
Note : 2+