Denize verharrte schweigend und reglos am Ufer des Sees. Starrte dem Ritter hinterher, bis keine Bilder mehr in ihrem Geist ankamen. Würde sie sich zu früh wieder rühren, bestand die Gefahr, dass sie eine Dummheit machte. Jetzt bloß nicht anfangen, nachzudenken!
Obwohl sie nicht wirklich wusste, wie sie reagieren würde. Eine trügerisch angenehme Leere beherrschte sie. Wie nach einer Todesnachricht. Die Information wurde immer von irgendetwas im Gehörgang abgepuffert, bevor es das Gehirn vollständig erreichte. Vielleicht gehörte sie auch nur zu dieser begnadeten Sorte von Menschen, die das Schicksal, das sie ereilte als Willen des Pancreators einfach so annehmen konnten. Was sollte man auch noch groß machen, wenn jemand gestorben war? Tot war tot.
Nur ging es in diesem Falle nicht um den Tod.
Es war viel komplizierter.
Das Rauschen der Lüftung mischte sich mit dem Geräusch des Blutes in ihren Ohren. Ein Haar der losen Strähne stach in ihr Auge. Sie wurde sich dessen bewusst, dass sie ziemlich verloren neben dem Tisch stand. Nun, was sollte sie tun? Sich bewegen? Wohin? Ihre Beine ... waren noch da, ja. Gehorchten ihr noch? Möglicherweise. Nachdenken. Doch, ja. Sie musste nachdenken. Ehe sie sich bewegte, sonst brachte sie Gedanken und Gestik am Ende durcheinander.
Also:
Auch die Möglichkeit, dass Masin seine Freiheit verspielt haben könnte, hatte sie bereits in Betracht gezogen, und den Gedanken dann angewidert in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins gedrängt. Sowas passierte einem vernünftigen Freigeborenen nicht.
Vernunft. Das war der springende Punkt. Kühl und klar machte sie es sich bewusst: Sie hatte, bei Severinus, nicht die verdammten Ersparnisse von vierzehn mayaverfluchten Jahren harter Arbeit dem allerletzten Arschloch der Station geopfert, das sie nötig hatte, weil sie oder irgendjemand, in dessen Adern Noy-Blut kreiste, vernünftig war.
Und aus genau diesem Grunde sollte sie vielleicht langsam anfangen, vernünftig zu werden und...
„Niz?“
....
Monn.
Sein schwarzglänzendes Starren durchbrach die Mauer zu ihrer Seele als wäre sie aus Papier, stellte sie nüchtern fest.
....
Mwerron stand vor ihr. Starrte sie weiter an, die Arme halb erhoben, Leicht geduckt, als wollte er sie anspringen? Umarmen? Erwürgen? An den Schultern packen und schütteln?
Was wollte er hier? Warum mischte er sich ein?
Konnte er nicht bei seinem verdammten Frühstück bleiben?
Hilf mir.
Musste er alles mitbekommen, was ihre Privatsache war?
Sag mir was ich machen soll.
War es überhaupt noch ihre Sache?
Sie hatte doch alles getan, was in ihrer Macht stand, nicht?
Ihre Zukunft verschenkt, zum Beispiel.
Sag mir was ich fühlen soll.
Dass Masin sich noch weiter verschuldet hatte, konnte sie ja nicht riechen. Irgendwo war eine Grenze, oder?
Ich müsste doch wütend oder traurig oder irgendwas sein.
Jeder ist seines Glückes Schmied.
Ich kann doch nicht einfach völlig gleichgültig bleiben, oder?
Monn stand vor ihr! Hinderte sie am Denken.
Wenn sie nicht aus langjähriger Erfahrung gewusst hätte, dass der Ukar sich um ihre Gefühle keinen Deut scherte, dann hätte sie seinen Ausdruck als Besorgnis interpretiert. Was fiel ihm ein? Ausgerechnet jetzt? Das war ihr Ding. Das ging ihn nichts, aber auch gar nichts an. Und am allerwenigsten brauchte sie jetzt die herablassende Alienbehandlung Marke na Nolent. Danke fürs Gespräch.
„G’...“ Statt eines schnarrenden Uryariwortes entrang sich nur ein erstickter Laut ihrer Kehle. Sie versuchte es mit Luftholen. Zu laut, zu scharf, zu wütend und trotzdem nur ein Keuchen brachte sie es hervor: „Geh weg!“
In Monns Ohren musste es wie Flehen klingen. Dass sie auch genau die falsche grammatikalische Form benutz hatte! Verdammt. Verdammt!