Wieviele Konzerne muss es geben, die Runner einstellen, um so viele Runs durchziehen zu lassen?
10 Megas, mit einem vierstelligen Milliardenumsatz und Millionen von angestellten, die in einem permanenten Schattenkrieg verstrickt sind. Zahlreiche Staaten, die genauso skrupellos sind. Der Mob. Unabhängige Organisationen ...
Ich verweise erneut auf die Realität ... der "War on Terror" hat die amerikanische "Söldnerszene" (angefangen beim Personenschützer über den Sicherheitsberater bis hin zum privaten Verhörspezialisten) enorm beflügelt. Stell Dir diesen Zustand als Dauerzustand in SR vor.
Wieviel Aufwand würde es dann in dem betreffenden Land geben, um diese Menge an Gewalt zu verhindern?
Ich verweise auf die Realität: Detroit (höchste Mordrate der USA), Bogota, Johannisburg, Moskau, Bagdad, Mexico City ... In Süd/Mittelamerika ist eine quasi-Entführungsgesellschaft mit einem Jahresumsatz von 1 Milliarde Dollar entstanden, die sich nur darauf spezialisiert, reiche Leute (oft Ausländer) zu entführen und freizuspressen, kontrolliert von Guerillas und Banden.
SR hat keine gesunde und stabile Gesellschaft. Sie ist kaputt, gewaltgeil, zersplittert und zerrissen. Die Autoritäten sind schwach, die Reichen schützen nur ihre Interessen in bewachten Konzernsiedlungen und herrschen über Millionen von Lohnsklaven, wollen aber gleichzeitig nicht mehr nur legale Wege beschreiten, sondern sind auch bereit, für ein entsprechendes Ergebnis illegale Methoden in Kauf zu nehmen. Perfekter Nährboden für Freelancer.
Hinzu kommt zum Teil die Romantisierung dieser Freelancer. Überleg mal: die Megas erdrücken alles, ein perfektes, geregeltes, klinisch totes Leben streng nach Vorschrift, von der Geburt im Konzernkrankenhaus über die Konzernschule bis zu der Konzernabteilung. Außerhalb existieren dann nur noch die Millionen an Arbeitssklaven, die die wirklich unschönen Arbeiten für die Megas machen (billige 1¥ Jobs, Arbeitszeit von 4 Uhr morgens bis 22 Uhr abends in Fabriken, die nicht unbedingt moderne Sicherheitsstandards haben (ich verweise hier auf einen hübschen Artikel im Spiegel über die Arbeitssicherheit in China (tausende tote Bergarbeiter pro Tag, in einer Großfirma verlieren pro Tag bis zu 3 Leute eine Gließmaße))) ... und dann noch die Randgruppen, die sich in den Nischen breitmachen: kleine Firmen und Konzerne, die zu unbedeutend sind, um sie zu schlucken, Lebenskünstler etc. Und dann die jenigen, die querbet durch all diese Gruppierungen waten: Shadowrunner. Ungebunden, absolut der durchorganisierten Megakonzern-Gesellschaft entgegengesetzt, unverzichtbar, James Bond, Rambo & Daredevils aus purer Existenznot.
Perfekter Stoff für aufrende Dokumentationen. Schau Dir mal im Fernsehen teilweise die Berichte über Spezialeinheiten an, wie diese romantisiert werden. Oder aber die Glorifizierung von Rappern mit Gang-Hintergrund (von denen auch nicht jeder unbedingt das ist, was man gesellschaftskonform nennt, von diversen Vorstrafen will ich gar nicht anfangen).
Weiterhin: der BND schätzt, daß die amerikanische Camorra circa 5000 Mitglieder in den USA hat. Das ist herzlich wenig. Auswirkungen auf die Gesellschaft? Ziemlich hoch, siehe auch das Themengebiet "Organisierte Kriminalität". Subgruppe? Es gibt Mafiaklischees, Mafia-Computerspiele, und eines der besten Filmmeisterwerke aller Zeiten ist ein Mafiafilm mit Marlon Brando.
Es ist cool, weil Runner aus dem Rahmen fallen. Sie sind aufregend anders. Ein Bericht über das Leben von Joe260 und sein 12h-Arbeitstag reißt niemanden vom Hocker. Ein Bericht über Joe Runner, wie er in einen Konzern einbricht und dann bei einer Verfolgungsjagd von einer Lone Star Drohne zerblasen, wird schon eher.
Und nochwas: Warum muss das Shadowrunning für die Konzerne abstreitbar sein?
Weil sie offiziell illegal und ungesetztlich sind.
Nur ein Beispiel aus der Realität: die USA foltern nicht. Keine ihrer Soldaten hat den Befehl von oben erhalten, illegale Verhörmethoden anzuwenden. Amerikanische Soldaten sind gute Soldaten und unbescholtene Menschen. Amerikanische Soldaten tun gute Dinge und nicht böse Dinge. Weil es so das Gesetz will. Alles andere sind Abweichler, die gegen die Befehle verstoßen haben und Einzelfälle.
Ich könnte mir vorstellen, daß der eine oder andere diesem offziellen Selbstbild nicht ganz zustimmen wird.
Wenn Konzern A etwas entwickelt und Konzern B die Entwicklungsdaten klaut und es dann selbst veröffentlicht, kann sich Konzern A doch ausrechnen, wer den Run finanziert hat.
Aber kann er es beweisen? Und vor allem: Konzerne sind gigantisch. Ein Protoyp aus Ares Alaska verschwindet. Eine Yamatesu-Abteilung in Vietnam stellt einen Prototypen vor, der einen ähnlichen Aufbau und ähnliche Leistungen hat, aber eben doch im Detail anders ist. Zusammenhang? Schwer nachzuweisen.
Beide Konzerne sind exterretorial. Die Konzerne besitzen doch ohnehin die wirtschaftliche Macht, dass sie quasi unangreifbar sind, ausser von Konzernen. Wer sollte sich den in Aktion setzen, wenn Konzern B bei Konzern A einbricht?
Der Konzerngerichtshof, im Extremfall mit einer Omega-Order. Die Sicherheitsabteilung, die eine (vielleiht sogar im Konzernrecht legale) Strafaktion befielt (eine Autobome beim gegnerischen Exec). Nur als erster Ansatz. Anwälte können richtig häßlich werden, wenn sie etwas in der Hand haben.
Was wird denn extrahiert, wenn man einbricht? Daten? Software? Hardware (also Prototypen)? Menschen?
Wenn die Konzerne so skrupellos sind, dass sie Personal entführen, dann sind sie auch so skrupellos, sich gegen solche Entführungen zu versichern. Dann baut man dem Wissenschaftler eine Kortexbombe oder eine Abhängigkeit ein, die ausgelöst wird, wenn er extrahiert wird.
Das kann und wird so sein. Nur werden entsprechend kompetente Runner auch entsprechende Schutzmaßnahmen auffahren (Störsender etc).
Wieviel Forschungslabors gibt es? Wieviele konkurrieren davon?
Ziemlich viele, fast alle. SR ist der ultimative Haifischkapitalismus, nicht der nette Blümchenkapitalismus. Selbst der heutige amerikanische Kapitalismus ist ein zahmer Pudel dagegen.
Der Nutzen ist für mich doch eher zweifelhaft. Und ich komme aus der Branche.
Wenn Du aus der Branche kommst: gab es da nicht vor ein paar Jahren einen häßlichen Rechtsstreit über Industriespionage, ich glaube zwischen HP und Oracle um den Diebstahl von Firmengeheimnissen.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,358115,00.html oder die Webseite des BKA/BND/BVS zum Thema Wirtschaftskriminalität/Spionage. Je nach Quelle wird bereits heute der Schaden für die Deutsche Wirtschaft durch Industriespionage auf 5 bis 20 Milliarden Euro geschätzt. Zugegeben: es ist nicht einfach, seriöse Infos zu finden.
Aber spinnen wir mal ein gewisses Ereignis mit ein wenig Phantasie aus: während der Entwicklung zum kommerziell sehr erfolgreichen PC-Spiel Half-Life 2 wurde entdeckt, daß der Sourcecode der Enginge illegal kopiert wurde. Diese Engine stand im Ruf, eine vollkommend neue Dimension von Interaktivität und Graphik zu eröffnen und er Computerspielemarkt ist ein Milliardenmarkt, der langsam mit dem Kinomarkt konkurrieren kann, was die Umsätze angeht. Die Lizensierung einer solchen Engine für andere Spiele kostet schnell mal einen höheren fünf- bis niedrigen sechsstelligen Betrag (ich glaube, die Doom3-Engine lag bei 300 000 $ Lizenkosten). Kurz nach der Entdeckung des illegalens Kopierens geisterten die ersten fertig kompilierten und eingeschränkt spielbaren Versionen durch das Netz, wo dann auch bekannt wurde, daß es eine ältere Version war und daß HL2 doch nicht so weit fortgeschritten war wie bislang behauptet. Valve, der Hersteller, sprach von einem sehr großen finanziellen und technologischen Schaden.
Für 50 000 Nuyen bekommt man sicherlich ein Runnerteam, welches in der Lage ist, einen Sourcecode eines Programmes samt Dokumenation aus einer gesicherten Umgebung zu kopieren/stehlen ... und dann wäre ich mir nicht so sicher, ob es Jahre dauern würde, daraus etwas eigenes zu basteln.
Ein Setting, in dem es mehr Nuklearwissenschaftler als Postboten gäbe, würde ich auch nicht glaubwürdig halten.
Email?
SYL