Natürlich kann man nicht sagen, dass sich „Charakter“ und „Persönlichkeit“ trennen lassen. Letztlich entsteht der Spielercharakter (SC) aus den eigenen Gedanken und Ideen, so dass dort halt auch die eigene Persönlichkeit mit einfließt. Die Situationen, die ein SC erlebt, durchlaufen den Filter der „persönlichen Zensur“ und werden auch nach subjektiven „entscheidungsrelevant ausgewertet“.
Deshalb ist die Frage, ob man Spieler- und SC-Wissen voneinander trennen kann, durchaus berechtigt. Unabhängig von der Frage,
ob dies überhaupt möglich ist, kann man aber auch nach dem WARUM fragen:
WARUM sollte man trennen?.
Dies mag auf den ersten Blick paradox anmuten. Aber ich verstehe den Anspruch, Char und Persönlichkeit zu trennen, als Appell. Ich glaube, so sollte es auch generell aufgefasst werden – nicht, ob die Trennung wirklich möglich ist.
Denn Sinn der Sache ist, gerade weil persönliche Konflikte auftreten können,
deskalierend zu wirken. Mit diesem Appell soll dazu aufgerufen werden, im Zweifel davon ausgehen zu können, dass etwas nicht persönlich gemeint war.
Gut, kann man mir jetzt wieder entgegenhalten, dass man sich hinter so einer „Regel“ auch verstecken kann. Und gleichfalls haben wir alle sicherlich auch „klassische“ Situationen erlebt, in denen es tortzdem zu persönlichen Konflikten kam.
Das ändert aber nichts an dem Anspruch, zumidest zu versuchen, Charakter und Persönlichkeit zu trennen. Daneben gibt dies auch dem Spielleiter die Legitimation, im Ausnahmefall zur Ordnung zu rufen. Etwas platt formuliert ist es Sinn der Sache, zu verhindern, dass sich die Leute an die Kehle springen
Davon unabhängig soll es ja auch Spieler geben, die für sich gerne „neue Erkenntnisse“ bzw. „Blickwinkel“ erarbeiten möchten. Die ggf. den SC „realistisch“ spielen wollen. Insofern ist die Forderung nach einem Trennen von Spieler und Persönlichkeit auch ein Appell, sich selbst kritisch zu überdenken. Zu fragen:
Was würde mein Charakter in dieser Situation tun? Wer immer seine eigenen Emotionen einfließen lässt, verbaut sich die Spielfreude, die aus diesen „neuen Erkenntnissen“ beruht. Dies gilt insbesondere, weil ein Spieler von Anfang an noch nicht weiß, was das „Normengerüst“, welches er seinem SC verpasst hat, langfristig für Konsequenzen haben kann. Es gibt sozusagen auch einen „unentdecken“ Teil des SCs, den sich die Spieler erschließen können. Das geht nicht, wenn man nicht „filtert“.
Daher ist es auch ein Aufruf, seine Charaktere etwas „farbiger“ zu gestalten. Wir kennen sicherlich alle solche Spieler, die jeden Charakter, den sie spielen, gleich spielen. Wenn „Unzufriedenheit“ bei solchen Spielern oder allgemein vorherrscht, kann die Trennung von SC und Persönlichkeit eine Möglichkeit sein, Spielfreude zu fördern – wenn nicht sogar das Interesse am eigenen Charakter (wieder) zu entfachen.
Die Unzufriedenheit der „Gruppe“ kann daher rühren, dass „Entscheidungen“ die der SC eigentlich treffen würde, vom Spieler blockiert werden und stattdessen „persönliche“ Entscheidungen treten – mit der Folge, dass ein SC untypisch handelt. Das kann (!) in der Gruppe sehr negativ aufgefasst werden. Mal überspitzt gesagt: Wenn der Heilpriester-SC eigentlich einen SC heilen würde, aber der SPIELER der Meinung ist, etwas anderes tun zu müssen, KANN dies negativ aufgefasst werden.
Ganz unabhängig davon bringt die praktische Untrennbarkeit von SC und Spielerperson auch die Frage mit sich, wie weit eine Untrennbarkeit gehen darf. Also selbst wenn man sich dazu bekennt, dass SC und Person untrennbar sind, wie weit darf und soll man gehen? Wie weit darf oder soll man sich im Rollenspiel öffnen? Wie qualitativ muss/darf die Untrennbarkeit sein?
Ich persönlich vertrete die Ansicht, dass nichts überschritten werden sollte, was andere verletzen kann. Auf Kollateralschäden kann ich gut verzichten. Weil sich das aber schlecht abschätzen lässt, halte ich zusätzlich zum vereinbarten Rahmen des Rollenspiels eine emotionale „Puffer“- bzw. „Knautschzone“ für angebracht.
Arbo