1. Regeln: Ich kann verstehen, weshalb man mit den Regeln von Midgard 2 wunderbar und glücklich spielen kann. Es handelt sich bei Midgard 2 mit Sicherheit unabhängig von den angelegten Kriterien um kein schlechtes Regelwerk. Ich fand mich darin aber ehrlicher Weise nicht wieder. Die Wurstigkeit von DSA atmet Midgard in Teilen auch an vielen Stellen, hinzu kommt aber - womöglich teilweise als Gegengewicht zum pädagogisch-autoritären Unterton des frühen DSA - ein mindestens sachlicher, eher schon technokratischer Duktus, wie ich ihn auch an Rollenspielen wie Traveller oder GURPS nicht mag. Unter dieser Prämisse: hat sich Midgard 5 da wesentlich weiter entwickelt? Würdet Ihr mir raten, nach 30 Jahren doch mal wieder da reinzuschauen? Würde das Spaß machen oder die gleichen Reflexe auslösen?
Auch auf die Gefahr hin, dass mich die Midgard-Fans jetzt steinigen, aber: nein. Wenn du es damals nicht mochtest und dafür gute Gründe hattest, wirst du es aus den gleichen Gründen heute auch nicht mögen, denn Midgard gehört zu den Systemen, die sich über die Jahre nur sehr behutsam verändert haben. Die größte Veränderung ist wohl die Charaktererschaffung, die jetzt etwas flexibler geworden ist (aber noch lange nicht so baukastenmäßig wie z.B. Splittermond). Ansonsten ist vieles beim Alten geblieben - die Textpassagen wirst du teilweise wörtlich (!) aus der 2. Edition wiedererkennen.
Was jetzt nicht heißt, dass es kein schönes Regelwerk ist, aber wenn du es damals schon nicht mochtest, bezweifle ich, dass das heute anders wäre.
2. Setting: Wenn man drölfzig Settings gerade auch im Fantasybereich kennt, lohnt sich dann ein Blick in Midgard bzw. Myrkgard? Oder ist das mehr vom gleichen? Vom Setting habe ich quasi überhaupt keine Ahnung. Wenn Ihr ne Lektüre empfehlen würdet: Welche Bände soll ich mir reinziehen?
Midgard ist ein sehr "erdnahes" Setting, das exakte Gegenteil von "High Fantasy". Keine abgedrehten Rassen, weltenvernichtende Artefakte, direkt eingreifende Götter, Magie an allen Ecken. Die Kulturen sind stark an ausgewählten irdischen Kulturen aus dem Mittelalter oder davor angelehnt und in der Hinsicht sehr konsequent: Keine Renaissance oder Eisenzeit-Ausreißer dazwischen. Wenn du Settings magst, die sich nach "irdisch-realistisch mit etwas Magie" anfühlen, dann würde ich mal reinschauen.
Mit der Lektüre sprichst du aber ein Problem an, denn einen brauchbaren Einstiegsband für die Welt gibt es nicht. Angeblich wird jetzt endlich (nach 20 Jahren Bettelns) an einem gearbeitet, aber erschienen ist der noch nicht. Du musst also für einen Überblick die Passagen aus dem GRW nehmen und dir dann einen Regionalband aussuchen, der gnädigerweise gerade erhältlich ist (der rein abenteuermäßig wichtigste, nämlich Alba, ist es nicht). Erfahrene Midgarder werden mir jetzt wie üblich entgegnen: "Du brauchst ja gar keine Regionalbeschreibung, nimm einfach das Schottland zwischen MacBeth und William Wallace und tu etwas Magie dazu". Aber das befriedigt halt nicht jeden.
3. Abenteuer: Sturm über Mottakam ist in meinen Augen solides Handwerk. Ich fand es aber zu konventionell und etwas langweilig. Für Smaskrifter gilt quasi das Gegenteil: mir ist unklar, wie man als SL damit vernünftig umgehen können sollte. Auf Basis dieser beiden Abenteuer könnte ich mir aber vorstellen, dass es hohe Qualität in der Mitte gibt. Welche Abenteuer von Midgard würdet Ihr für eine Lektüre empfehlen?
Da ich bei Mokattam und Smaskrifter deine Meinung teile, lehne ich mich mal aus dem Fenster. Mein persönliches Lieblingsabenteuer ist wohl "Drei Wünsche frei", und "Blutmond" hat mir gerade beim Lesen gut gefallen. Gute Spielerfahrungen habe ich auch mit "Das Hügelgrab bei Clydach" (ja, ein reiner Dungeon!), "Nebel des Hasses" (ich weiß, schwer zu bekommen), "Vierzig Fässer Pfeifenkraut" und "Das Todeslicht" gemacht.
Die Finger lassen würde ich dagegen von der Karmodin-Kampagne, die wird irgendwie mit jedem Abenteuer schlechter (und hat immer weniger mit dem Karmodin zu tun).
Gut an den Abenteuern ist übrigens, dass man die meisten von ihnen in so gut wie jedes Fantasy-Setting überführen kann. Hier und da muss man sich von ein paar regionalen Besonderheiten verabschieden, aber im Großen und Ganzen klappt das gut.