Diesen Beitrag widme ich Boba, der mich gebeten hatte, doch mal Narr zu erklären, und Cayn, die mir geholfen hat, besser zu verstehen, was Narr eigentlich ist.
Zwei Einschränkungen muss ich vorweg machen: Ich erkläre das jetzt mit einem Vergleich mit Jazz. Wenn man keine Vorstellung davon hat, wie Jazz funktioniert, nützt einem der Vergleich ergo nicht so viel
. Aber vorher musste man Literaturtheorie von vor 60 Jahren verstehen. Auch nicht viel besser.
Die zweite Einschränkung ist ein bisschen wichtiger: Es interessiert mich eigentlich mittlerweile gar nicht mehr so richtig, GNS in allen Einzelheiten zu verstehen. Ich erkläre hier also mal frei von der Leber weg, was gutes Rollenspiel für mich ist, und glaube halt, dass das Narr ist. Wird's helfen? Mal sehen.
Also: Narrativismus ist Jazz.
Und was ist Jazz?
Jazz ist Improvisation.
Und was ist Improvisation?
Ah. Jetzt kommen wir zur Sache. Improvisation heisst ja nicht, "einfach irgend was spielen". Eine Jazzband verabredet vorher ziemlich genau, was gespielt wird.
Sagen wir mal "Take the A-Train". Alle wissen, wie die Struktur von diesem Standard aussieht. Ausserdem ist klar, welche Tonart und welche Harmonien das Stück bilden. Damit ist auch schon etwas über die Improvisationsmöglichkeiten gesagt: Das Tonmaterial, das die Musiker verwenden, muss zum Tonmaterial des Stückes passen.
Weiterhin wird verabredet, wer wann wie lange improvisieren darf. Zum Beispeil: Einleitung, Strophe, Refarin, dann 8 Takte Saxophon, 8 Takte Klavier, Refrain, 16 Takte Schlagzeug, Refrain, Strophe, 32 Takte Vibraphon. Oder so. jedenfalls wissen alle, wann sie dran sind und auch wie lange.
Der Witz ist jetzt, dass trotzdem vorher nicht klar ist, wie sich das Stück anhören wird.
Warum?
Hören wir mal rein. Die Band fängt an zu spielen. Daaaa-dap-dap-dap-daaaa.da. Daaaa-badubidudidubidubidu-daaaa- Take the A-Train halt. Jetzt kommt das Saxofon. Die Saxofonisten nimmt die Meldoie auf, und baut so einen komischen Kiekser ein, wechselt kurz die Tonart und kommt dann zur Ursprungstonart zurück. Applaus, Applaus.
Das ist aber noch nicht das ungeplante. Alle haben gut hingehört, und den Kiekser sofort ins eigene Spiel eingebaut. Nehmen wir mal an, der Kiekser war ein Fis. Alle, die die Harmonien spielen, packen jetzt auf ihre Akkrode wo immer es geht auch so ein Fis rein. Dadurch entstehen neue Harmonien.
Und das KLaviersolo, das jetzt kommt, kann wieder mit diesem neuen Material arbeiten. Und das, was das Klavier einbringt, greifen wieder alle auf... und die nächste Improvisation hat wieder anderes Material.
Das Stück entstreht immer im hier und jetzt, an und mit sich selbst.
So ensteht ein rückgekoppelter Kreislauf - die Einzelteile wirken auf die Gesamtgestalt zurück, und so bekommt das Einzelne vor dem Hintergrund des Gesamten wieder neue Möglichkeiten.
Man könnte Narr auch mit Techno vergeleichen, aber das ist weniger offensichtlich. Da müsste man über den zeitlichen Zusammenhang mit den Samples argumentieren... wäre aber auch eine gute Illustration für den Forge - Begriff von Pastiche.
Und Sim ist Orchestermusik: Ein Dirgent erarbeitet mit vielen Musikern eine vorgegebene Partitur, und das Vergnügen und die kreative Leistung besteht dann im gelungenen Umsetzen. Improvisiert wird aber in der Regel nicht.
Vanilla Narr ist Disco: Es gibt einen DJ, der allein die Platten auflegen darf, aber er muss sich der Reaktion der Tanzenden anpassen. Sie können ihm signalisieren, ob er den Stil wechseln muss oder mehr in die gleiche Richtung gehen.
Ich hab aber keine Ahnung, was Gam als Musik ist. Vielleicht einfach Schweinerock - alles ist vorher klar, aber in den Gitarrensoli kommt es drauf an, wer am schnellsten wie viele korrekte Noten spielen kann.
So, ich hab keine Ahnung, ob das wem ausser mit hilft, aber ich versteh's jetzt
.
Ach ja, und für die Biologen unter uns: Pilze sind ja bekanntlich auch Jazz, weil weder Tier noch Pflanze, weder Pop noch Klassik. Also ist Narr auch wie Pilze..falls das jemandem hilft.