Am besten auch die Rezi zum Iron Kingdoms: Character Guide anschauen: http://www.bod-rpg.de/index.php?page_id=95&rezi_id=262Es gibt Dinge, auf die wartet man lange und dann wird man enttäuscht, wie zum Beispiel bei Black & White für den PC. Es gibt auch Dinge, auf die wartet man ewig und dann kommt trotzdem nichts, wie Duke Nukem Forever, ebenfalls für PC. Aber zum Glück gibt es auch (wiederum PC) Spiele wie Warcraft, auf die man länger wartet, die dafür aber richtig toll werden. Das klappt nicht nur auf dem PC, sondern auch bei Rollenspielen. Die Iron Kingdoms (IK) von Privateer Press sind so etwas wie Warcraft von Blizzard. Alles was von denen kommt, ist hervorragend, nur brauchen sie eben einen Tick länger als andere.
Dereinst gaben die Macher von Privateer Press bekannt, dass ihr Material zu umfangreich für einen Band sei. Deswegen haben sie die grundlegenden Elemente in zwei dicke Bücher mit je 400 Seiten gepackt. Das erste war der Iron Kingdoms: Character Guide (IKCG), der die Abweichungen von den regulären d20-Regeln und die Zusatzregeln der Spielwelt enthielt. Der zweite Band ist nun der Iron Kingdoms: World Guide (IKWG) und enthält, wie man sich denken kann, die Beschreibung der Spielwelt.
Das Cover ist wie beim IKCG sehr schön geworden. Es zeigt mehrere Vertreter der spielbaren Rassen an einer Lokomotive, wobei das Motiv sich bis zum Backcover zieht. Extrem geniales Artwork, auch wenn ich die düstere Heldengruppe des IKCG diesem Bild vorziehe. Im Inneren bleibt es leider nicht ganz auf so hohem Niveau. Die Zeichnungen sind zwar alle durchgängig von ziemlicher hoher Qualität und bieten sehr stimmungsvolle Motive, sind aber viel zu selten. Der IKCG war mit sehr viel mehr Illus gesegnet. Gerade bei dem Quellenbuch zur Welt hätte ich mir doch mehr Zeichnungen gewünscht. Ich denke mal, die vorhandene Manpower des Verlags ging vor allem für die Zeichnungen für das TableTop-Spiel WARMACHINE drauf. Das spielt ebenfalls in den IK und hat in seinen Büchern quasi auf jeder zweiten Seite eine aufwendige Illu. So gut die dort auch aussehen und so schön dieses Spiel auch ist, die Rollenspielwelt hätte darunter nicht leiden sollen. Übrigens sind alle Seiten s/w, bzw. in Graustufen und das Layout der Seiten ist augengefällig auf hellgrauem Hintergrund.
Inhaltlich findet sich natürlich die Beschreibung von „Western Immoren“, dem bekannten Teil der Spielwelt. Und die ist mit 400 Seiten ziemlich umfangreich ausgefallen! Dabei ist die Informationsdichte gewaltig. Es wurde eine ungeheure Menge an Informationen, Abenteueransätzen und Beschreibungen auf vergleichsweise wenig Text gepresst. Das ganze hat mich ziemlich erschlagen. Um all die Daten verarbeiten zu können, muss man immer wieder Pausen einlegen und Texte erneut lesen. Etwas trocken gibt sich das ganze dann doch schon, auch wenn einige Ideen wirklich gelungen sind.
Die Geschichte des Settings, die im ersten Kapitel des Buches geschildert wird, legt besonderes Augenmerk auf die Eroberung durch die Orgoth (böse Menschen von jenseits des Ozeans) und die gegenwärtige politische Situation. Diese ist gelinde gesagt, ziemlich instabil. Die großen Nationen befinden sich miteinander im Krieg und die Auswirkungen sind überall zu spüren. Krieg ist damit auch ein Schwerpunkt des Buches und viele der beschriebenen Städte werden vor allem um ihre Stationierung von Soldaten und ihren strategischen Wert beschrieben. Auch sicherlich wieder ein Einfluss durch WARMACHINE, was mir nicht so recht munden will. Durch das Kriegsszenario werden gemischte Gruppen unterschiedlicher Fraktionen schwierig zu spielen und egal, wohin man geht, der Krieg zeigt seine Auswirkungen. Das schränkt einerseits zwar ein, bietet andererseits aber natürlich auch neue Gelegenheiten für Abenteuer.
Das Leben in den IK wird im zweiten Kapitel auf annähernd 100 Seiten beschrieben und lässt kaum Wünsche offen. Handel, Strafrecht und vieles weitere wird hier thematisiert und erweckt das Setting zum Leben, bevor die restlichen Kapitel die einzelnen Nationen näher vorstellen. Die beiden größten Reiche (Cygnar und Khador) nehmen dabei mit jeweils etwa 50 Seiten den größten Platz ein. Die Besonderheit der IK ist ihre Industrialisierung, sowie der Nationalismus der Staatsgebilde. Das Setting wäre irgendwo zwischen der Renaissance und dem ersten Weltkrieg anzusiedeln, wenn ich die Maßstäbe der guten, alten Erde nutzen würde. Damit wäre den IK aber Unrecht getan, denn sie machen was Eigenes. Zwar orientiert sich Khador ziemlich stark an Russland und Cygnar an England / Europa, aber sie haben genug Eigenständigkeit um sie rund und glaubwürdig erscheinen zu lassen.
Okay, den zwanzigseitigen NSC-Appendix hätte ich nicht wirklich gebraucht (ja, das sind unendlich viele NSCs!), aber das Buch hat noch eine farbige Posterkarte der Spielwelt. Die war zwar schon im IK: Character Primer enthalten aber ist dieser a) inzwischen schon lange vergriffen und b) hat man die Chance genutzt, die Karte zu aktualisieren und korrigieren.
Um es noch mal zu betonen, der IKWG ist ein Hintergrundbuch. Es finden sich keine Regeln darin, mal abgesehen von der Levelangabe der NSCs. 400 Seiten nur mit Infos zu einem neuen Setting zu füllen ist nicht schlecht, vor allem wenn der Leser merkt, dass sie noch viel mehr hätten schreiben können. Durch die gepressten Informationen und die wenigen Illus liest es sich aber bisweilen etwas zäh. Seltsamerweise kam ich mit dem Regelbuch, also dem IKCG sogar besser zurecht. Trotzdem ist das Buch ziemlich gut und wer ein d20-Setting sucht und sich nicht von Steampunk, langen Mänteln und kleinen Mechs abschrecken lässt, der sollte hier zugreifen. Der IKCG und der IKWG sind zusammen ein echt starkes Team.