Die Zeit verrann. Kläglich langsam, wie es schien, und langsam begann Diego jegliches Zeitgefühl zu verlieren.
Um wenigstens einen gewissen Anhaltspunkt zwischen Regenschauern und nur bewölkten Abschnitten zu haben, hatte er begonnen, in Wegelagerern zu rechnen.
Seit Insel hatten sie sechzehn Wegelagerer und neun Regenschauer hinter sich gebracht.
Mutter betrachtete Diego nachdenklich.
„Du siehst müde aus.“
„Ach ja? Kann es sein, dass es Nacht ist? Es ist zwar dunkel, aber in eurem verfluchten Land ist es das immer!“, ätzte Diego und ließ den Kopf nach hinten sinken. Wasser rann über den breitkrempigen Hut über den Regenmantel hinab.
Mutter warf einen Blick auf den Hut.
„Warum trägst du eigentlich keinen Helm wie jeder vernünftige Mann in Eisen?“
„Weil Helme mich behindern. Sie sind schwer.“, murmelte Diego. Ihm war nicht nach Unterhaltung. Das Land machte ihn krank.
„Wann kommt denn das nächste Gasthaus?“, fragte er dennoch nach einer Weile.
„In acht Wegelagerern.“, antwortete Mutter prompt.
„Ah.“, machte Diego und lächelte matt.
Plötzlich zügelte Mutter sein Pferd. Diego tat es ihm gleich und starrte angestrengt in die Finsternis.
„Wieviele?“, fragte er.
„Einer.“, brummte Mutter.
„Einer?...Willst du, oder soll ich…?“
„Heda!“, rief Mutter. „Aus dem Weg, oder du bekommst Stahl zwischen die Rippen!“
Irgendeiner lachte meckernd.
„Etwas Brot wär mir lieber…“, antwortete es krächzend von vorne.
„Eine Frau!“, staunte Diego. „So spät noch unterwegs, Großmutter?“
Eine verhutzelte Frau schälte sich aus dem Dunkel. Ihr dunkles Kopftuch verbarg einen Großteil ihres verhärmten Gesichtes, und sie zog einen Bollerkarren hinter sich her, auf dem ein kleines, abgemagertes Mädchen saß.
Diego entspannte sich und er merkte, wie seine Rechte vom Griff des Degens abließ.
Er gab seinem Pferd die Sporen und sie trabten weiter.
„Ich werde hier nervös.“, sagte er leise, nachdem die Alte grüßend an ihnen vorbei war. Große Kinderaugen starrten ihnen hinterher, bis sie außer Sichtweite waren.
Mutter nickte. „Kein Wunder. Aber noch weiß niemand, dass du hier bist, um…du weißt schon.“
Diego hob eine Braue. „Wenn es so wäre, landete ich vermutlich schneller im Kerker irgend eines Schweinegrafen als mir lieb wäre…“