So, melde ich mich auch mal... ich hatte zwar nicht viel Zeit, aber ich bin ohnehin nicht der Typ, der stundenlang an seinen geistigen Ergüssen herumschraubt.
(Ich habe die Überschriften nicht mitgezählt, übrigens.
)
1. Lieblingschar: Nach langem, qualvollen Ringen habe ich mich schließlich für Kara Thrace alias Starbuck aus ‘Battlestar Galactica’ (der neuen Serie) entschieden - im Rennen waren außerdem Lady Brienne (‘Song of Fire&Ice’ von George R.R. Martin), Sayid (aus der Serie ‘Lost’) und Havelock Vetinari, der Patrizier von Ankh-Morpork aus Discworld.
Warum Starbuck? Sie ist cool, sie ist tough, sie ist menschlich. Sie ist eine Kampfpilotin, aber keine sture Militärfanatikerin. Ganz im Gegenteil: Für Hierarchie hat sie nicht allzu viel übrig, sie tut das, was ihr richtig erscheint. Da klaut sie auch schon mal ein Raumschiff und fliegt gegen ausdrücklichen Befehl zu einem Planeten. Starbuck ist eine unglaublich kompetente Pilotin, die beste der ganzen Flotte, und ja - das wird in der Serie deutlich gezeigt. Ihre Kindheit war wohl kein Zuckerlecken, und ihre Verlobung mit Zac Adama endete mit seinem Tod. Trotzdem sprüht sie vor Überlebenswillen, sie ist einfach nicht unterzukriegen, und sie hat ihren Sinn für Humor nicht verloren. Zäh, kann aber lachen, auch über sich selbst - ich schätze, das ist es, was ich am meisten an ihr mag.
2. Einer meiner Char, der sich gut für die Sache hier eignet: Barry Jackson.
„Hey, Barry, ich brauche eine Beschreibung von dir. Kannst du das übernehmen? Schließlich bist du der Dichter...“
„Wenn du meinst... mein Name ist Barry Jackson, ich bin Amerikaner - zur Hälfte Dakota -, 23 Jahre alt, sechs Fuß und ein Zoll groß...“
„Halt mal, was soll denn das? Das ist doch total langweilig! Ich will doch nicht wissen, daß du gut aussiehst und einen Knackarsch hast, ich will wissen, wer du bist! In deinen Geschichten beschreibst du die Charaktere doch auch nicht so!“
„Natürlich nicht. Aktionen, Emotionen... das ist wichtig. Nicht: ‘Wie sieht der Charakter aus?’, sondern: ‘Was hat er getan? Wie fühlt er?’“
„Dann mach mal!“
„Eigentlich ungern... früher, als ich noch studiert habe, konnte ich stundenlang über mich reden, obwohl es gar nicht so viel zu sagen gab. Nur alltäglichen Kram. Aber jetzt? Jetzt stecke ich mitten in einem Horrortrip quer durch die Staaten, stolpere von einem Schreckensszenario ins nächste und weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll. Daß ich Menschen umgebracht habe, obwohl ich früher Gewalt abgelehnt habe? Daß es mir teilweise nicht mal leid tut? Daß ich Visionen habe?“
„Ja, so etwas in der Richtung.... Leider haben wir keinen Platz mehr dafür. Danke, trotzdem.“
(So, das sind präzise 200 Worte. Klar, ich hätte mehr beschreiben können, aber dafür haben wir ja noch die kleine Geschichte, wie?)
3. Der Taxifahrer
Jetzt soll ich also eine Szene aus meinem Leben beschreiben, ja? Ich weiß nicht mal, wer diese Frau ist, die mich darum gebeten hat, aber gut. Erwartet bloß nicht zuviel.
Es fing mit dem fetten Taxifahrer an, der mich nicht mitnehmen wollte, weil ich ihm unheimlich war. Kaum hast du lange schwarze Haare und braune Haut, schon glaubt jeder Idiot, du willst ihn skalpieren. Gut, die verblassten Prellungen im Gesicht haben wahrscheinlich auch nicht geholfen.
Also nahm ich das rostige Gerümpeltaxi, das am Ende der Reihe stand. Der Fahrer war ein kleiner, alter Mann mit gelben Fingern und einem geplatzten Äderchen im rechten Auge - so, als hätte er zwei Pupillen statt nur einer. Er grinste mich mit geschlossenem Mund an, hievte mein Gepäck in den Kofferraum und öffnete mir die Tür. Der Innenraum war mit Papierfetzen übersäht und roch eigentümlich, nach trockenem Staub, Orangen und lange nicht geöffneten Räumen.
„Adónde?“, fragte mich der Fahrer. Neben ihm am Rückspiegel hing eine Art kleiner Vogelkäfig, in den bunte Papierfetzen gestopft waren.
„Al rancho ‘Lost Day’, por favor.“ Das war die Ranch meiner Tante Rose, wo ich mich mit meinen Freunden verabredet hatte.
Er nickte eifrig und startete. Zu meiner Überraschung fuhr der Wagen erstaunlich ruhig und flüssig, und aus dem Radio drang leise Klaviermusik. Da der Taxifahrer keine Anstalten machte, mir seine Lebensgeschichte zu erzählen - das hätte mich eigentlich vorwarnen sollen -, fing ich an, mir die kleinen Zettel, die überall verstreut lagen, anzuschauen. Auf jedem davon stand ein einzelnes Wort, umständlich mit der Hand gemalt wie von einem kleinen Kind, oder einem Rechtshänder, der mit links schreiben muß. Ich erkannte meine eigene Handschrift erst nach ein paar Augenblicken. Mein Kopf begann zu dröhnen, und ich wurde plötzlich von Schwindel ergriffen. Hastig griff ich nach weiteren Zetteln - jeder davon in meiner Handschrift beschrieben, in Englisch, Spanisch, Deutsch, Navajo, Dakota... Es war kein Wort dabei, dessen Sinn ich nicht begriff.
„Hoy no está sangre en el cielo“, sagte der alte Mann und drehte sich um, ohne auf die Straße vor sich zu achten.
Verwirrt und mißtrauisch sah ich ihn an. Es war nicht so, daß mich diese Zettel vollkommen überraschten. Ich hatte in den letzten Monaten zuviel gesehen. Genau das jagte mir Angst ein.
„Was?“, fragte ich ihn. „Es ist heute kein Blut am Himmel?“
Mit einem nikotingelben Finger wies er auf die Zettel, die ich in der Hand hielt, und grinste mich an. Irgendetwas stimmte nicht mit seinen Zähnen. „Lies, Barry Jackson“, forderte er mich auf. „Lies deine Worte.“
Er wußte also, wer ich war. Dann wußte er wahrscheinlich auch, daß ich eine Waffe bei mir hatte, und es beunruhigte ihn nicht im geringsten.
Ich blickte auf die Zettel in meiner Hand und erkannte, daß die Worte den Satz bildeten, den er gerade gesagt hatte. Verständnislos sah ich wieder zu ihm auf.
„Was willst du von mir?“
Er lachte rostig, und die Klaviermusik im Hintergrund perlte eine passende Melodie.
„Ich habe von dir gehört“, sagte er in akzentfreiem Englisch. „Sie sagen, du bist neu, hast keinen Respekt. Du solltest tot sein, aber du lebst noch. Vielleicht bist du gefährlich, vielleicht bist du verrückt. Spielt keine Rolle... du kennst Worte, sagen sie.“
Vorsichtig nickte ich. „Ich bin Dichter.“ Nicht gerade ein typischer, aber das wußte der Alte wohl schon. Er sah immer noch nicht auf die Straße, obwohl der Wagen mittlerweile sehr schnell fuhr. Aber das beunruhigte mich nicht halb so sehr wie das begierige Glitzern in seinem blutigen Auge, als er mich musterte.
„Jaaa... so viele Worte“, er leckte sich über die Lippen. „Sei vorsichtig damit. Es gibt Leute, die essen Worte, leben davon, werden satt, wenn andere stumm werden. Weißt du, was das Bathyal ist? Oder die Pardunen? Kannst du blasonieren?“
Stumm schüttelte ich den Kopf. Keines dieser Worte hatte ich je zuvor gehört.
„Dann sei vorsichtig“, herrschte er mich an. „Sonst vergißt du mehr, als du je gewußt hast. Trag deine Worte immer bei dir! Immer, hörst du! So wie ich - mir hat noch keiner ein Wort gestohlen.“
Dann lächelte er mich wieder an, und jetzt sah ich, was mit seinen Zähnen nicht stimmte: Auf jedem einzelnen davon war mit winzigen Glyphen ein einzelnes Wort eingeritzt...
(Und wieder hat es präzise mit den 700 Worten geklappt...
)