Ohne jetzt gelesen zu haben was meine Vorredner geschrieben haben möchte ich ein paar Dinge loswerden.
Ich hab mir vorgenommen, ganz besonders kritisch zu sein mit diesem Werk, schon alleine weil AlexW hier im Forum ist und Enkidi das Titelbild gemalt hat ...
Danke, dass du mir das jetzt erst sagst, mit dem Kritischsein, ich wäre sonst nervös geworden ... (ja, es ist ein Unterschied, ob man gegenüber "gesichtlosen Amazon-Lesern" geradestehen muss, oder Leuten, die man aus nem Forum kennt)
Was das Cover angeht - passt das nicht wie die Faust auf`s Auge zur Stimmung im Roman? Ich werde Enkidi bis ans Ende meines Lebens gehackt zu Füssen liegen für den Job ... sie kann malen, was ich denke.
... und bin trotzdem runweg begeistert. Diesen Roman ein Meisterstück zu nennen ist keine Übertreibung. Man mag an Details rumkritisieren - z.B. hat mir nicht so gefallen, wie der Mitschko mitten im Gefecht den ganzen Plan über Bord wirft - aber der Gesamteindruck ist positiv - nein, überragend!
Danke dir. *kotau* Das habe ich nach dieser etwas stressigen Woche gebraucht.
Mischko reagiert hoch unprofessionell im Gefecht, stimmt. Da ist mir der Charakter etwas ausser Kontrolle geraten, und er sich selbst auch. Das war nicht sehr rational, so wenig, wie Yegor abzustechen. Ist halt ein Gemütsork, der liebe Mischko.
Statt auf jedes Kapitel einzeln einzugehen, einfach ein paar Stichworte die ich mit "Kettenhund" verbinde:
Ach, wenn`s nach mir ginge, kannst du gern mehr schreiben.
schnell, düster, das Ende des Happy-Elfen-Punk-Mythos (!), leicht zu lesen, sprachlich raffiniert, aber nicht gekünstelt, gut recherchiert, athmosphärisch, und raubt einen stellenweise echt den Appetit!
... und mein Freund fand es noch zu "heroisch", weil die Leute überleben, die mir wirklich am Herzen gelegen haben. Man merkt mir wohl an, dass mir der Cyberpunk-Anteil in Shadowrun wichtiger ist als Magie und Matrix.
Leicht lesbar ist ein Riesen-Kompliment - das heißt für mich nur, dass die Form und die Funktion in Eins gehen, und das ist mir als Autor unglaublich wichtig. Ich verwende zwar gern verschiedene Techniken (an einer Stelle breche ich alle Perspektive-Regeln sämtlicher Schreibbücher, die ich je gelesen habe), aber wenn der Leser vom Buch abgelenkt wird, weil er bemerkt, was ich tue, dann war die Kelle zu grob.
Was waren die Stellen, die dir den Appetit geraubt haben?
Das einzige was mich ernsthaft gestört hat, war die schwammige Beschreibung der Homosex-Szenen. Da würde ich mich mal für ein Consulting-Gespräch anbieten .
*lol* Nein, das könnte ich wohl auch anders, und hätte es auch gern anders gemacht. Aber Sex zwischen Mischko und Nikita ist ne ziemlich bittere, traurige Geschichte. Mischko muss kontrollieren, und er ist brutal, mit Küssen und Zärtlichkeit ist da nicht viel zu machen. Ich hätte es wie eine Vergewaltigung schreiben müssen, um das rüberzubringen, was da passiert, obwohl es keine Vergewaltigung im technischen Sinne ist - aber es ist so nah dran am Mißbrauch, dass ich mich nicht richtig in diese sehr finstere Ecke getraut habe, wie ich gestehen muss.
Ich wollte eine solche Szene ursprünglich drin haben (Mischko und Nikita haben während des Runs durchaus Sex, wie ich immer wieder angedeutet habe), aber die Umsetzung in der Pespektive wäre schwer gewesen. Ich hätte es aus drei Perspektiven machen können:
1) Janus. Janus hätte etwas wahrgenommen, was wie eine Vergewaltigung aussieht. Es hätte ihn nicht gekümmert, er hätte es ziemlich mechanisch beschrieben, und sich was Fieses dabei gedacht
2) Mischko. Für Mischko ist das so normal wie Essen und Toilette, eine ganz normale körperliche Funktion. Er hat es so oft mit Nikita getrieben, da ist nichts Spannendes oder Aufregendes dabei. Er hat die Spornen, er bestimmt, wo`s langeht, und Küssen und Zärtlichkeit ist für Schwule (im übertragenen Sinne, in Wirklichkeit hat er Angst davor, was zu fühlen - das könnte durchsickern, und dann muss er Nikita umbringen). Eine solche Szene wäre brutal, sachlich und emotionslos, bzw voller Emotionen, die er nicht zuläßt
3) Nikita. Am spannendsten wäre Nikitas Perspektive - nur bekommt der während des ganzen Romans keine Stimme. Und ich wollte nicht nur für eine Szene wechseln, dann hätte ich weitere Nikita-Szenen einbauen müssen, und das hätte dem Roman, so, wie ich ihn im Kopf hatte, eher geschadet.
4) Flechette oder Leoric - wären beide ungeeignet. Leo hätte sich das nicht angesehen, und Flechette hätte nach so etwas niemals freundschaftliche Gefühle für Mischko entwickelt. Vermutlich hätte sie eingegriffen - und das hätte das Equilibrium in der Gruppe gestört.
Aber ich habe mehrere Szenen im Kopf, und ich könnte mir schon vorstellen, davon mal eine zu schreiben. Auch auf die Gefahr, damit alle hetero-Leser bis ans Ende ihrer Tage zu verstören...
*händereib*
Alle anderen Entscheide, bezüglich Wortwahl, Plotverlauf etc. die ich unter Umständen anders gemacht hätte waren nach Reflexion nachvollziehbar und mindestens genau so gut wie meine Varianten.
*kotau* Ich finde ihn insgesamt sehr (zu?) geradlinig, und eventuell einen Tacken zu kurz, aber im Ganzen denke ich, ist "Kettenhund", abgesehen von einem Familiendrama, das ich noch nicht verkaufen konnte (Verlag: "Super Autor, was für ein Talent, aber das Buch ist ja viiiiiel zu ambitioniert, Familiensagas gehen derzeit soooo schlecht" - im selben Jahr, in dem Middlesex und The Corrections international die Bestsellerlisten beherrscht haben...), abgesehen von diesem unglücklichen Buch, ist "Kettenhund" bisher mein bestes, ganz sicher.
Und - erm... wenn du irgendwo Online noch eine Rezi schreiben möchtest, halte ich dich nicht auf...
Edit: Tippfehler, Klarheit, und schamloses Betteln um Rezi