Autor Thema: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität  (Gelesen 13214 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #50 am: 11.01.2006 | 09:38 »
@ Preacher:

Zitat
Man kann doch lernen, sich auf seine Mitmenschen einzustellen, Freude daran zu haben, daß sie ihren Spaß haben, ihnen ebendiesen Spaß zu gönnen und selbst Spaß dadurch zu haben, daß die ihren Spaß haben.

Ah okaaaay. Das Problem liegt in dieser verfluchten Differenzierung zwischen Gruppenlevel und Spieler-Level. Einfacher wird es, wenn wir Fredis Diktion folgen und uns nur das Muster auf der Gruppenebene ansehen. Dann sieht man ganz klar:

In Situation A gehen alle Mitspieler auf Mitspieler A ein und geben ihm positives Feedback. Wir haben ein stabiles Muster A. In Situation B gehen alle Mitspieler auf Mitspieler B ein und geben ihm positives Feedback. Wir haben ein stabiles Muster B. Wenn es jetzt noch zuverlässige Anknüpfungspunkte dafür gibt, wann Muster A und wann Muster B gefolgt wird, und wenn Strategien entwickelt werden, um die Widersprüche zwischen Muster A und Muster B ohne Frustration zu lösen – dann hast du das klassische Beispiel für einen Hybrid = kohärentes Spiel.

Wenn man das jetzt mit den Definitionen von Ron Edwards betrachtet, kommt es einem komisch vor, weil man sagt: Mitspieler B und C wechseln doch gar nicht ihre (individuelle) CA, wenn Muster A vorliegt. Sie geben Mitspieler A bloß positives Feedback. Nun, würde Ron sagen, indem sie positives Feedback geben, wechseln sie für den Moment auch ihre CA, jedenfalls dann, wenn es nicht bloß Lippenbekenntnisse sind, sondern sie das Verhalten des anderen Spielers wirklich unterhaltsam finden.

Wenn mich nicht alles trügt, nennt man einen solchen Wechsel von einer CA zu einer anderen CA und zurück „Shift“.
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Preacher

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #51 am: 11.01.2006 | 09:44 »
So kann ich das nachvollziehen. Ok, dann nennt man es eben Hybrid (meinetwegen auch mit Shift).

Eigentlich fast schon schade, daß Du das jetzt nachvollziehen kannst - ich hatte so ein schönes Beispiel aus dem Non-RPG-Bereich für eben dieses Verhaltensmuster parat ;D

Aber war Shift nicht etwas, was man bekämpfen "muss" (oder war das Drift? Und wenn ja, was war das denn nochmal?) ?

Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #52 am: 11.01.2006 | 09:58 »
Tjaha, der Unterschied zwischen Drift und Shift... Also Shift kann man nirgendwo genau nachlesen, das habe ich nur so aus ein paar Nebensätzen destilliert. Ich verstehe das so, dass man temporär hin und her wechselt (es gibt also auch ein Zurück).

Drift ist fundamentaler. Eine Gruppe spielt zunächst eine bestimmte (gemeinsame) CA oder auch inkohärent, und verändert ihr Spiel dann auf Dauer hin zu einer anderen (gemeinsamen) CA. Das passiert oft, aber nicht notwendig, indem das gespielte System sich immer weiter vom geschriebenen System entfernt (Hausregeln, „freies Spiel“ etc.)

Wenn ich in früheren Diskussionen von Drift gesprochen habe, meinte ich meistens Shift... ::)
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Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #53 am: 11.01.2006 | 15:49 »
Wir kommen hier denke ich langsam zu einem Ergebnis. :o

Dass Inkohärenz unter bestimten Bedingungen nicht logisch gleich Dysfunktionalität zu setzen ist haben wir nun herausgearbeitet, es kam aber mehr auf diese Bedingungen an und nicht darauf ob es nun so ist oder nicht.
Bei der Form der chaotischen FI muss man zugeben, dass diese bisher höchst theoretisch und ihre Bedeutung für ein Modell bzw für das Spiel fragwürdig ist. Lord Vermi ist momentan auch der einzige der deren Existenz als bedeutend ansieht, oder überhaupt deren Existenz erkannt hat. Sehe ich das richtig?

Die zweite Form der FI wurde von Maarzan "strukturierte Synhese" genannt, es handelt sich dabei um das funktionale Zusammenfügen von per strenger Definition eigentlich inkohärenten CAs. Raven hat dafür "strukturierte Inkohärenz" vorgeschlagen.
Hier müssen wir nochmal genau hinsehen. Man kann der Ansicht sein, dass zu einem kompletten Reward Cycle die gesamte Gruppe gehört. Das würde dazu führen, dass mehrere Spieler die innerhalb eines solchen Zyklus nicht die selbe CA haben sich auch nicht korrekt funktional verhalten können. Vermi hat das in seinem vorletzten Post beschrieben.
Ist das Spiel also funktional, bei unterschiedlichen Grundintentionen (Spieler-CAs) der Spieler, die sich aber abstimmen, dann spricht man eigentlich von einem schnellen zeitlichen Wechsel der CA die auf Gruppenkonsens oder -Kompromiss ausgelegt ist. Die Frage ist dann ob man hier wirklich noch von Inkohärenz sprechen kann oder sollte. Es handlet sich also im Prinzip um ein Definitionsproblem.
Nehmen wir z.B. den Begriff "strukturierte Inkohärenz". Hier sieht man, dass dieser völlig absurd in seiner Bedeutung ist, er bedeutet sowas wie "strukturierte Zusammenhanglosigkeit". Und jetzt bitte keine Diskussionen ob eine Struktur zwangsläufig ein Zusammenhang sein muss. Dieser oder ähnliche Begriffe sind einfach verwirrend und falsch.

Es handelt sich bei der Methode die die Gruppe verwendet um Kohärenz herzustellen, doch auch um ein Muster (ja das ist es wieder), wie bei einer CA. Und es ist nur eine Definitionsfeinheit ob man dies als CA ansehen kann oder nicht.
Ich denke, wir sollten das unter dem Begriff Hybride bzw. Kongruenz nochmal diskutieren. Es geht hierbei ja ausdrücklich um Konsens- oder Kompromissfindung in einer Gruppe mit unterschiedlichen Wünschen. Trotzdem stellt sich ja dann die Frage wie weit so etwas geht und wie verbreitet es eigentlich ist und ob nicht in Wirklichkeit dann jedes Spiel irgendwo hybride Anteile hat, was ja viele sicher so sehen. Ich muss allerdings sagen dass hier die Gefahr besteht wieder in die Bedeutungslosigkeit abzugleiten, wenn man absolut unspezifische und beliebige Mischungen zulässt und als gegeben hinnimmt.
« Letzte Änderung: 11.01.2006 | 15:51 von Dr.Boomslang »

Offline Lord Verminaard

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #54 am: 11.01.2006 | 16:18 »
Diese Diskussion ist vielleicht eine ganz nette Denksport-Übung, aber sie führt nicht wirklich weiter. Von einem praktischen Ansatz her muss das Ziel sein, durch Design oder individuelle Gruppenabsprache auf eine verlässliche CA hinzuwirken. Eine CA, die so prägnant ist, dass alle Spieler ihr ohne Probleme folgen können. Gleiches muss dann auch für einen Hybrid gelten. Kongruenz, behaupte ich mal, lässt sich dauerhaft ohnehin nicht willentlich herstellen.

Damit ist der ganze Rest von funktionaler Inkohärenz in Abgrenzung zu Shift und obskuren Hybriden rein akademischer Natur. Alles, was ich erreichen will, ist Anerkennung einer einfachen Erkenntnis: Nicht alle Rollenspieler, die ohne eine klar erkennbare, kohärente CA spielen, sind frustrierte Idioten. Können wir uns darauf einigen?

Der Nutzen von GNS als Modell liegt da, wo man eine nach GNS-Maßstäben klar identifizierbare gemeinsame CA anstrebt. Und das ist auch eigentlich gar nicht so schwer. Wir machen alles nur unnötig kompliziert, indem wir uns diese Nebenkriegsschauplätze suchen. Theorie ohne praktische Relevanz, könnte man das auch nennen.
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Joe Dizzy

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #55 am: 11.01.2006 | 16:52 »
Alles, was ich erreichen will, ist Anerkennung einer einfachen Erkenntnis: Nicht alle Rollenspieler, die ohne eine klar erkennbare, kohärente CA spielen, sind frustrierte Idioten. Können wir uns darauf einigen?

Klar. Du bist der einzige der behauptet hat, das Gegenteil würde irgendjemand propagieren. ;)

Was propagiert wird, ist jedoch der Glaube das viele Spieler, die ohne erkennbare, kohärente CA spielen, in einer fünfstündigen Sitzung nur 20 Minuten* Spielspaß (definert als: die persönliche Spielpräferenz befriedigen) haben. Dieser Umstand wird als akzeptabler Kompromiss gesehen, den die Spieler eingehen müssen um zusammen Spaß zu haben. Der Gedanke, das dieser Kompromiss nicht notwendig ist liegt der Forge-Theorie zu Grunde.

Leute, die diesen Kompromiss akzeptieren, sind weder frustriert noch Idioten.


* - Das Zeitverhältnis habe ich mir nur so aus den Fingern gesogen. Es geht nur darum, dass die tatsächliche Rundendauer ein vielfaches länger ist, als der Zeitraum, den man durch, mit und aufgrund des Spiels Spaß hat.
« Letzte Änderung: 11.01.2006 | 16:55 von Joe Dizzy »

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #56 am: 11.01.2006 | 16:57 »
Diese Diskussion ist vielleicht eine ganz nette Denksport-Übung, aber sie führt nicht wirklich weiter. Von einem praktischen Ansatz her muss das Ziel sein, durch Design oder individuelle Gruppenabsprache auf eine verlässliche CA hinzuwirken. Eine CA, die so prägnant ist, dass alle Spieler ihr ohne Probleme folgen können. Gleiches muss dann auch für einen Hybrid gelten. Kongruenz, behaupte ich mal, lässt sich dauerhaft ohnehin nicht willentlich herstellen.
Diese Diskussion ist garnicht unnötig. Immerhin begründest du ihre Sinnlosigkeit mit einer Behauptung, nämlich dass alle weiteren Spielformen über "reine", heute bekannte CAs hinaus nicht zielgerichtet anzustreben sind, obwohl du gleichzeitig auch irgendwie das Gegenteil behauptest, das ergibt für mich keinen Sinn.
Außerdem geht es wieder mal um Begriffsbildung, denn solange die Begriffe nicht klar etwas eindeutiges bezeichnen, kann man sie nicht richtig benutzen.
Für mich hat diese Diskussion schon Ergebnisse gebracht, also war und ist sie auch nicht sinnlos, ich weiß nicht wie das alle anderen sehen die sich daran beteiligen.

Nicht alle Rollenspieler, die ohne eine klar erkennbare, kohärente CA spielen, sind frustrierte Idioten. Können wir uns darauf einigen?
Nein. Du behauptest doch indirekt das Gegenteil. Du sagst es müsse das Ziel sein auf eine kohärente CA hinzuwirken, andererseits ist es aber genau so gut dies nicht zu tun, was denn nun?
Du musst zumindest einräumen dass es prinzipiell schlechter ist ohne zielgerichtete CA zu spielen, dass es dann im Einzelfall nicht unbedingt schlechter sein muss, darauf können wir uns einigen.

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #57 am: 11.01.2006 | 23:11 »
Von genau so gut habe ich auch nie gesprochen. Nur von "nicht grundsätzlich schlecht".

@ Joe: Auch wenn das offizielle Forge-Diktion ist, ist das nur venire contra factum proprium. Radioactive waste, anyone? Ich wollte das hier gar nicht lang und breit diskutieren.

@ Boomslang: Okay, so gesehen kann es einen Nutzen geben, vielleicht, irgendwann mal. Ich bin gespannt. :)
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Preacher

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #58 am: 11.01.2006 | 23:13 »
venire contra factum proprium
Bitte was? ???

Offline Dr.Boomslang

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #59 am: 11.01.2006 | 23:25 »

Offline Fredi der Elch

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Re: [Forge] Inkohärenz und Dysfunktionalität
« Antwort #60 am: 11.01.2006 | 23:57 »
Venire wenauchimmer. ::) Ich fand ziemlich gut, was Joe gesagt hat. Bzw. es trifft meine persönliche Erfahrung.

Was wir eigentlich mal diskutieren sollten ist, dass man seinen Spaß nicht aus der kreativen Ebene ziehen muss. "Spaß" kann auch auf technische oder soziale Agenda zurückzuführen sein. Und deswegen glaube ich, dass inkohärente Gruppen mit Spaß diesen vermutlich zu großem Teil aus den anderen Ebenen beziehen. Aber das ist vermutlich ein anderer Thread...
Where is the fun at? - The rules should tell me clearly - And how to get there
- Don't try to make me feel like I live there, make me care about it. -

Zitat von: 1of3
D&D kann immerhin eine Sache gut, auch wenn es ganz viel Ablenkendes enthält: Monster töten. Vampire kann gar nichts.