Und noch einen. Nach und nach werden alle Spiele, die ich mir von meinem lecker Weihnachtsgeld gekauft habe, hier auftauchen.
Name: With Great Power…
Verlag:
Incarnadine PressAutor: Michael S. Miller
Preis: 20,- USD (bei
Indie Press Revolution), PDF 12$
Format: Softcover, 6 ½ x 10 ¼ Inch (das ist zwischen A4 und A5), 144 Seiten
With Great Power… ist ein Superhelden-Rollenspiel. Was? Schon wieder Superhelden? War da nicht eben erst
Capes? Stimmt, aber
WGP ist anders. Ganz anders als
Capes. Und beide haben ihre Berechtigung.
WGP behandelt die Frage: "You can save the world, but are you willing to pay the price?"
Es baut Comic-Geschichten aus dem Silver Age nach. Der Autor selbst nennt die von
WGP unterstützten Geschichten "Melodramatic Superhero Story". Es geht also um die „menschliche“ Seite der Superhelden. Beste Beispiele sind Spiderman (von dessen Motto der Titel des Spiels abgeleitet ist), der zwischen heroischen Aufgaben und Alltagsproblemen hin und her gerissen ist oder X-Men, bei denen die Beziehungsprobleme (Wolverine, Cyclops, Jean Grey) oder Identität (Rouge, Firedingens… wie heißt er noch?) eine große Rolle spielen.
Und jetzt kommt das Beste: es hat einen Spielleiter.
Schon anders als
Capes.
AufmachungDas Buch hat ein ganz brauchbares Farb-Softcover. Das Layout ist übersichtlich und schön. Zwischendrin gibt es einige schwarz-weiß Abbildungen im Comic-Stil. Für Forge-Werke ist es insgesamt richtig professionell aufgemacht und kann mit einfacheren Produkten aus der d20-Ecke durchaus konkurrieren. Auch hier enthält das Buch alles, was man braucht (schade für das Book of Noch-Mehr-Superpowers).
Insgesamt: richtig gute Aufmachung, aber nicht mit WotC oder WW vergleichbar.
InhaltWGP beginnt mit einer kurzen Einleitung, in der das Konzept der "Melodramatic Superhero Story" erläutert wird.
Danach geht es weiter zur Charaktererschaffung. Charaktere bestehen bei
WGP aus mehreren (3-6) Aspekten, die Kräfte, Herkunft aber auch Beziehungen oder Wertvorstellungen beschreiben. Sehr schön ist, dass die Charaktererschaffung sehr schnell geht. Gerade dadurch, dass die Kräfte nicht in Einzelteilen beschrieben werden sondern ein gesamtes Kräftepaket nur einen Aspekt ausmacht, ist die Erschaffung schnell zu bewältigen. Toller Nebeneffekt ist, dass alle Kräfte, unabhängig von der Beschreibung auf der mechanischen Seite gleichstark sind. Superman und Batman könne also Seite an Seite kämpfen.
Wichtig ist, dass alle Spieler zusammen erschaffen und sich mit Vorschlägen unterstützen. Am Ende der Erschaffung weiß man dann, wer die Helden sind, und was für sie den Kern der Geschichte ausmachen wird (Strife Aspect).
Hier merkt man auch schon, dass das Buch schön erklärt. Alles wird ausführlich und verständlich behandelt. Außerdem beginnt hier das Beispiel einer Gruppe, die
WGP ausprobiert. Dieses Beispiel zieht sich durch das ganze Buch und illustriert schön die einzelnen Regeln. Auch gibt es viele Beispiele für Aspekte und wie man sie gefährden kann (siehe unten).
Weiter geht es mit dem "Enrichment". Das Enrichment stellt eine Art Exposition (am Anfang des Abenteuers) oder Verdeutlichung von Auswirkungen von Konflikten (mitten im Abenteuer) dar. Hier stellen die Charaktere ihre Aspekte und die damit verbundenen Probleme vor und beleuchten sie für den imaginären Leser. Auch in jeder Enrichment-Szene wird am Ende festgestellt, ob der Charakter in Bezug auf seinen Aspekt das erreichen konnte, was er sich vorgenommen hat. Dazu verwendet
WGP ein Kartensysten, dass für das Enrichment noch relativ simpel ausfällt.
Richtig los geht es aber erst mit den Konflikten. Hier treffen die Helden auf die Schurken und die Fetzen fliegen. Hier kommt ein komplexeres Kartensystem zum Einsatz, das einiges an taktischen Möglichkeiten bietet. Der Spieler versucht sich mit seinen Karten gegen den SL durchzusetzen, der ihm dies natürlich so schwer wie möglich machen will. Wichtig ist hier, dass der SL nicht unbegrenzte Möglichkeiten hat. Er ist ebenfalls an seine Karten gebunden und kann nicht unbegrenzt Karten dazubekommen. Der Vorteil für den SL ist hier, dass er mit voller Kraft auf die Spieler einschlagen kann, denn er ist nicht stark genug um sie zum Scheitern zu bringen.
Der gesamte Prozess bei
WGP basiert darauf, dass ein Spieler (oder der SL) Karten bekommt, wenn er seine Aspekte unter Druck setzt. Er bekommt also Macht das zu bekommen was er will (z.B. die Welt retten), wenn er das gefährdet, was ihm lieb ist (seine Aspekte). So entsteht unter der Haube der Taktik immer die Frage, ob man den Konflikt lieber aufgeben soll, oder ob man einen Aspekt noch weiter gefährden sollte, auch wenn er dann vielleicht verloren geht. Genau aus dieser Spannung speist sich der Spaß an
WGP. Hat ein wenig was von Dogs, wenn es auch mechanisch völlig anders abläuft.
Danach folgt ein Kapitel für den Spielleiter. Hier wird die Erschaffung der Schurken geregelt. Die Schurken sind den Helden ähnlich und verfügen über Aspekte. Der SL darf jetzt auch nur die vorhandenen Aspekte gefährden um Karten zu erhalten. Da er auch nicht unbegrenzt Schurken hat, schränkt sich so seine Macht automatisch ein.
Weiter wir erläutert, welchen Plan die Schurken haben könnten (die sind nämlich immer hinter dem Strife Aspect her, den der Spieler als für ihn im Moment wichtigsten Aspekt festgelegt hat). Auch gibt es eine Erläuterung des "Story Arc", der die Geschichte kanalisiert. Er regelt, dass der SL zu Beginn relativ stark ist (die Helden kriegen zu Beginn aufs Maul) und dann schwächer wird, je weiter die Geschichte fortschreitet, bis dann die Helden die Oberhand gewinnen und den Plan des Bösewichts vereiteln.
Abgeschlossen wird das Buch mit ein paar optionalen Regeln.
Wie funktioniert das?Im Gegensatz zu
Capes habe ich mit
WGP noch keine praktische Erfahrung, aber ich werde versuchen dies so bald wie möglich zu ändern.
Auf den ersten Blick scheinen die verschiedenen Teile allerdings gut ineinander zu greifen. Die Aspekte konzentrieren die Charaktere auf das Wesentliche (Kernkonflikte), das Enrichment betreibt Exposition und steuert das Pacing, so dass sich Kämpfe mit ruhigeren Teilen abwechseln. Die Kämpfe spitzen die Spannung zu und bieten sowohl Taktik als auch die ständige Frage was man für den Sieg in diesem Konflikt bereit zu riskieren ist. Unterlegt wird das vom Story Arc, der die Geschichte zu Beginn aufbaut und dann bis zum Klimax treibt. Wenn das wirklich so gut funktioniert wie es schein, dann ist
WGP hervorragend abgestimmt.
Bewertung, eigener EindruckDie Regeln sehen so weit relativ leicht verständlich aus. Sie scheinen sich sehr gut mit der Erzählung zu verbinden. Insgesamt würde ich die Regelintensität im Bereich von DitV sehen, mit denselben Effekten was die Vermischung von Regeln und Erzählung angeht. Der SL bekommt vom Regelwerk unter die Arme gegriffen und kann direkt auf den Charakterblättern der Spiele ablesen, welche Aspekte ihnen wichtig sind, von den Schurken also attackiert werden sollten. Und es benutzt Karten. Leute lieben Karten.
Alles in Allem ist auch
WGP eine lohnenswerte Anschaffung für alle, die gerne mal den Superhelden raushängen lassen und gleichzeitig keine Angst vor neuen Wegen des Rollenspiels haben. Es ist vielleicht für Spieler mit klassischer Rollenspielerfahrung etwas zugänglicher als
Capes, steht diesem aber in nichts nach, was Innovation angeht. Insgesamt mindestens 11 kleine Forge-Elch Geweihe.
EDIT: Und ich möchte es gerne auf dem Großen Treffen anbieten:
[Fredis Liste] With Great Power... Wer also Lust bekommen hat...