Huh, mit der Aussage würde ich mich aber nicht zu weit mit aus dem Fenster lehnen.
Als Naturwissenschaftler halte ich es so, und ich weiss, dass es in einem Teil der Geisteswissenschaften genauso ist. In der Informatik moegen da andere Gesetze gelten; ich habe noch nicht viele "informatische" Publikationen zu Gesicht bekommen. Weitere Einschraenkungen siehe oben.
Oha!
Dann bin ich wohl geistig verarmt, gebe ich doch nur allzu gerne Wikipediaquellen an, wenn ich weiß, daß sich die Leserschaft nicht in die Materie einarbeiten will/kann, sondern einen kurzen, verständlichen Überblick haben möchte.
Fuer
wen schreibst Du Fachartikel? Fuer Leute, die keine Ahnung vom Thema haben und keine Lust, sich einzuarbeiten? :-o !
Also, bei uns haben die Profs und die Leser einschlaegiger Fachpublikationen schon Ahnung von ihrem Fachgebiet. Wenn es um "Populaerwissenschaften" oder Einfuehrungstexte fuer Neulinge und interessierte Laien geht, gelten andere Gesetze, aber darueber habe ich nicht gesprochen. Studenten sollen (zumindest in den Naturwissenschaften) nicht zuerst lernen, fuer Laien zu schreiben, sondern den facheigenen Standarts zu entsprechen. Und Wikipedia entspricht keinem naturwissenschaftlichen Standart, noch auch (soweit ich es beurteilen kann) den Standarts zumindest eines Teils der Geisteswissenschaften. Fuer die Informatik weiss ich es nicht.
In der Tat, allein zitierfähiges Material zu finden ist oft schon problematisch. Ich hatte hier erst letztens eine Arbeit, die einen statistischen Artikel aus dem Jahre 1898 zitiert hat, der wirklich nirgendwo mehr aufzutreiben war...
Ich habe auch schon einen Artikel aus dem Jahr 196x nicht bekommen, als ich ihn haben wollte. Und ich wuerde einfach mal behaupten, dass eine Zitation aus 1989 garantiert noch irgendwo herumschwirrt. "Krieg ich nicht per 1-click-Fernleihe" ist etwas anderes als "ist nicht aufzutreiben"! Wenn ich den 196x-Artikel
wirklich gebraucht haette, haette ich nicht nach einem Tag Suche, Diskussion mit den Angestellten der Uni-Bib und Nachforschung in alten Katalogen aufgegeben. Was einmal vor nicht allzulanger Zeit in einer anstaendigen (!) wissenschaftlichen Publikation gestanden hat, ist auch noch verfuegbar (wie sonst haette jemand anders es zitieren koennen?) - es ist nur eine Frage des Aufwands, daranzukommen. Wenn die Uni-Bib nicht hilft, finde die gegenwaertige Adresse des Korrespondenzautors, von dem Du die Zitation hast (bei uns steht sie oft genug auf der ersten Seite), wenn die nicht mehr stimmt, frag in seiner ehemaligen Institution nach oder kontaktiere jemand, der durch viele cross-Zitationen auffaellt; wenn der Korrespondenzautor inzwischen verstorben ist, versuch es mit ein paar andern Namen aus der Autorenliste oder bei Leuten aus dem gleichen Fachbereich, die stehen ja namentlich in den Zitationslisten. Und wenn keiner auch von denen das Original hat oder Dir sagen kann, wo und wie es aufgehoben wurde - gut,
dann nenn' sie "nicht auffindbar", aber frag Dich vielleicht, warum sie nicht wert war, aufgehoben zu werden... Zumindest in den Naturwissenschaften ist die Sammelleidenschaft der Unis jedenfalls fantastisch; die heben schlicht alles auf, was sie in die Haende kriegen koennen. Manchmal muss man halt hartnaeckig sein und nachbohren, aber mit etwas Sturheit sollte es wenig serioeses, zitierfaehig publiziertes (!) Material aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg geben, was man nicht mehr bekommen koennte.
Im Falle von Internetseiten und Zeiten von OpenAccess, in denen Informationen mit einem Mausklick gesichert werden können, erscheint mir dieses Argument etwas schwach; es sei denn, man geht davon aus, daß Autoren pauschal erst einmal zitierte Referenzen fälschen.
Und was daran ist "schwach"? Wenn jemand in 10 Jahren Interesse an Deinen Ergebnissen hat, muss er die Referenzen einsehen koennen.
Im Fall eines Journals oder Buches uebernehmen die Uni-Bibs die Sicherung und Verfuegbarhaltung der Daten. Du musst kein Buch zur Verfuegung halten, das Du so eindeutig kennzeichnen kannst, dass es mit diesen Daten auch anderswo aufzutreiben ist. Du musst keinen Journalartikel zur Verfuegung halten, weil es auch die in den Bibs gibt; Du musst nur eindeutig sagen, wonach man suchen muss. Aber im Internet kannst Du Dinge auch unter Angabe der "richtigen" und eindeutigen Suchdaten eventuell nicht wiederfinden, weil sie geloescht wurden und es eben keine autorisierte Stelle gibt, die diese Daten langfristig verfuegbar haelt. Deshalb muss Dein Vorgehen hier
anders sein: Nicht nur Publikationsdaten, sondern eine Kopie.
Prinzipiell der gleiche Fall kann ansonsten bei der Zitation anderer "unserioeser" Quellen auftreten, also in erster Naehehrung (in meinem Fachbereich) alles, was keine ISBN hat. Alles mit einer ISBN steht vermutlich in irgendeiner Landesbibliothek, ist also prinzipiell (wenn auch eventuell nicht faktisch) verfuegbar. Alles andere muss eben vom Autor verfuegbar gehalten werden - zumindest wenn es um Publikationen mit einem entsprechenden wissenschaftlichen Anspruch geht.