Ich finde auch, dass die Diskussion hier sich auf einer zu abstrakten Ebene abspielt, um echte Ergebnisse liefern zu können. Anstatt irgendwelche nationalen Spielstile vergleichen zu wollen (was immer das auch sein mag), sollten wir uns lieber auf die echten Texte stützen (und als guter Postmodernist betrachte ich hiermit alles als Text, was zu einem Rollenspiel erschienen ist) und einfach mal bei den dominanten Rollenspielen bleiben: D&D in USA und DSA in der Bundesrepublik.
D&D ist ein anderes Spiel als DSA: Beide sind verliebt in Details, aber das in ganz verschiedenen Bereichen: Genauer gesagt: Die Spieler dieser Spiele fahren auf unterschiedliche Arten von Details ab: Während zum einen die Fülle von D&D Spieler begeistert (mehr Monster! Mehr Zauber! Mehr magische Gegenstände!), spiegelt sich diese Masse bei DSA in der Detailgenauigkeit der Welt wieder: Und so erhalten Spieler auch den Respekt in ihren Peer Groups: Während sich ein D&D Spieler viel darauf einbilden kann, dir genau zu sagen, in welcher Veröffentlichung welches Feat zu finden ist, kann dir ein DSA Spieler den gesamten Familienbaum aller Häuser von Gareth runterbeten. Beides sind echte Experten auf ihrem Gebiet - mit allem, was das mit sich bringt...
Das Interessante am Phänomen DSA liegt meines Ermessens an der Bedeutung der Abenteuer für die Spielergemeinde: Über die Abenteuer können Meister und Spieler am Weltgeschehen teilhaben und Signature Charaktere treffen (Und dann hat uns Uatha Con Bennain in sein Schloß eingeladen!!! Und wir haben mit Prinz Hal gefrühstückt...): Und das macht DSA als Rollenspiel vielleicht etwas passiver, weil strukturierter und weniger improvisierter, aber es schafft ein unheimliches Gemeinschaftsgefühl zwischen den Spielern - und stellt gemeinsame Gesprächsthemen zur Verfügung (wart ihr schon mal in Al Anfa? Echt krass, da...), bei D&D dagegen gibt es mittlerweile weniger die Abenteuer, die jeder gespielt hat oder gespielt haben muss, aber da kann man sich auch ganz gut über das System unterhalten (und jetzt habe ich noch ne Prestigeklasse und kann jetzt sogar dieses geile Feat in der nächsten Stufe bekommen!!).
Ich würde auch sagen, dass tradiitionell der Meister in DSA mehr Macht als der DM in D&D hat - der Meister ist ja der Regisseur und Dramaturg, der die nächste Episode aus Aventurien produzieren muss: Aber er ist auch sehr viel stärker seinen Experten im Spiel ausgeliefert: Denn diese erwarten, dass er das echte(tm) Aventurien rüberbringt - und bewerten ihn auch dementsprechend... Wenn der Meister nicht weiß, dass sich im Lieblichen Feld genau 5 Kneipen befinden, dann hat er seinen Job nicht gut gemacht, weil er seinen Text nicht gelernt hat, genauso wie ein DM in D&D von seinen Spielern belächelt wird, wenn er alle Zaubersprüche, Monster und Spezialfähigkeiten ignoriert oder nachschlagen muss: Er kennt dann den Text nicht.
Bestimmt gilt das auch für andere Rollenspiele (z.B. Shadowrun oder die alte Welt der Dunkelheit), aber ich denke, dass das eher mit dem Umfang eines Systems zu tun hat: Wächst der Text (also der Kanon) eines Spiels, dann wird er immer verbindlicher (warum hat man denn sonst so viele Kröten für die Bücher bezahlt, wenn man sie nicht benutzt?), da er die Bühne bereitstellt, auf der die Spieler mit ihren Charakteren agieren... Und je wichtiger Bühne und Ausstattung ist, desto leichter fällt es nicht auf, wenn der Rest mal fehlt (gute Charakterisierungen, Plot Twists, etc.): Es ist ja immer noch so viel Stuff(also wieder: Text) da, mit dem sich die Spieler auseinandersetzen können - selbst wenn die Spielercharaktere nichts groß ändern können...
Ich finde, beide Spiele machen ihren Job gut (in den Bereichen, für die sie ausgelegt sind), auch wenn beide nicht so mein Ding ist... Aber ich habe ja auch mitterweile keine Lust mehr, dicke Rollenspielbücher zu lesen....