Aufgrund der Diskussion zum
Social Contract habe ich mir zum Thema "Spaß am Rollenspiel" mal ein paar Gedanken gemacht, die ich euch nicht vorenthalten möchte.
Creative AgendaOk, es gibt die Creative Agenda (CA). Das ist, je nachdem wie man es sieht, eine spieler- oder gruppenbezogene Art, zu spielen. Wichtig hierbei ist, dass es letztendlich um gegenseitiges, positive Feedback der Gruppe während des Spieles geht.
Also: Gibt es in einer Spielgruppe eine CA, so ist dies eine Art Spielstiel, auf den sich die Gruppe geeinigt hat (implizit oder explizit). Wenn ein Spieler diese Maßgaben "erfüllt" bekommt er die positive Resonanz am eigenen Leib zu spüren, d.h. die anderen signalisieren "Hey, dein Spiel ist cool. Mach weiter so." Derart bestärkt, macht das Spielen Spaß.
Aber es gibt auch Rollenspiele, die ohne CA Spaß machen bzw. Spieler, die keinen Spaß aus den Spiel ziehen. Das sehen zwar offenbar nicht alle Theoretiker so, ich denke aber, dass das stimmt. Aus diesem Verständnis heraus muss es noch andere Spaß-Quellen geben. Insbesondere möchte ich mal herausfinden, was man unter "stimmungsvollen Spiel" verstehen soll, denn das scheint für viele klassische Gruppen ganz wichtig zu sein.
Da man gegenseitiges Feedback, dass aus dem Rollenspiel entsteht, bereits durch die CA abgedeckt hat, bleiben noch zwei Möglichkeiten:
1. Es gibt gegenseitiges positives Feedback, allerdings nicht aufgrund des Rollenspiels.
2. Etwas am Spiel macht auch ohne die anderen Spieler Spaß, d.h. man ist dabei nicht auf positives Feedback angewiesen.
Beides ist aufgrund der Definition scheinbar unabhängig von der CA. Allerdings kann der zweite Punkt natürlich schon abhängig sein: je nach CA können unterschiedliche "Spielelemente" auftauchen, so dass z.B. einer Person, die keinen Bezug zur von der Gruppe gespielten CA hat, auch keine Möglichkeit gegeben wird, sonstwie aus den Spiel Spaß zu ziehen (da die CA nur Elemente beinhaltet, die dem Spieler auch keinen Spaß machen).
Ersteres muss allerdings unabhängig von der CA sein, denn wenn es abhängig wäre, müsste es auch was mit dem Spiel zu tun haben.
Soziale QuelleDie einzige mögliche Spaßquelle, die 1. erfüllt und trotzdem am Spieltisch zu finden ist, ist der Soziale Vertrag (Gruppenvertrag, Sozialer Konsens, wie auch immer). Denn außerhalb des Rollenspiels gibt es nur der Social Contract (SoCo), d.h. die sozialen Vereinbarungen der Spieler untereinander bzw. der Umgang miteinander. Folglich gehört alles, was nicht im engeren Sinne Spiel ist und trotzdem am Spieltisch passiert, zum SoCo.
Als Rollenspiel-Autor hat man aber praktisch keinen Einfluss auf den SoCo. Man kann durch Regeln und Anregungen versuchen, das Gruppenklima zu beeinflussen, indem man Vorschriften a la "Die Spieler müssen die Charaktere gemeinsam entwerfen" oder "Während des Spieles muss eine Kerze entzündet sein" machen. Aber ob das tatsächlich den SoCo beeinflusst oder ob dann nicht Teile, die zuvor zum SoCo gehörten, dadurch in das "Rollenspiel" (genauer: System) rutschen, ist mir nicht so ganz klar.
Jedenfalls muss man -- denke ich -- registrieren, dass es eine soziale Quelle für Spaß beim Rollenspiel gibt, die auch aus einem schlechten Spiel ein gutes Erlebnis machen kann. Auf dieser Ebene kann man vielleicht auch von einer Sozialen Agenda reden, d.h. ein Umgangsstiel, für den sich die Gruppe gegenseitig positives Feedback gibt, analog zur kreativen Agenda.
Individuelle QuellenDas sind die Quellen des Spaßes, die ohne die anderen Spieler auskommen; die Quellen können innerhalb oder auch außerhalb des Spiels liegen. Auch wenn mich hier wieder einige schief anschauen, ich möchte hier nochmals die Laws-Typen anführen: Powergamer, Buttkicker, Tactician, Specialist, Method Actor, Storyteller, Casual Gamer (vgl. z.B.
http://www.sven-lotz.de/kombinat/article_texte.php?id_article=14).
Und wenn jemand sagt, die haben doch alle nichts mit dem Big Model zu tun und wären auf einer anderen Ebene: genau. Da will ich hin, und hier bin ich. Unabhängig von der CA. Es ist nunmal so, dass die CA nicht alles ist, und daher werfe ich die Typen in den Raum, um zu schauen, woher die ihren Spaß beziehen; denn sie sind so definiert, dass sie auch ohne ihre Mitspieler Spaß am Spiel haben. Dass diese Aufzählung nicht vollständig ist und es etliche Mischtypen gibt, ist auch klar. Aber für einen Anfang sind sie gut geeignet.
Jedoch sehe ich die Typen nicht völlig unabhängig zur CA. Die Laws-Typen sind oft eine Mischung aus "bevorzugt eher eine bestimmte CA" und "bevorzugt eine oder mehrere Techniken".
Powergamer: Ich denke, hier wird ansatzweise GAM beschrieben. Aber ohne die Challenge während des Spieles, sondern nur auf der Step-On-Up-Ebene. Das System muss beim Powergamer auch mitmachen: Ist keine Charakterentwicklung vorgesehen, hat der Powergamer ein Problem. Crunchy Bits ist hier das Stichwort, aus dem der Spaß gezogen wird.
Buttkicker: Auch GAM. Er will Gegner plätten, also so eine Art Challenge ohne Step On Up. Seine Motivation dafür wird allerdings auch nicht aus der Gruppe heraus beschrieben, sondern seinen angestauten Frust des Tages. Das liegt sogar noch außerhalb des SoCo. Hier kommt der Spaß aus der Technik Kampf; der Grund für diesen Spaß ist irgendwo anders zu finden, auf den ein Rollenspiel keinen Einfluss hat.
Tactician: Diesen Spielertypen finder ich etwas rätselhaft. Hierunter können sowohl Leute fallen, die gerne SIM spielen, als auch GAM-Leute. Gegen SIM spricht ein bisschen die Forderung, dass sich alle Charaktere strategisch verhalten sollen. Gegen GAM das Umgehen-wollen der Challenges durch strategisch kluges Spiel. Aber was macht diesen Spielern Spaß? Die strategische Planung an sich?
Specialist: Hier kommt der Spaß aus der Verkörperung eines bestimmten Charaktertypen. Laws lässt offen, was der Spezialist denn nun an seinem Charakter so toll findet; daher sehe ich hier keine bevorzugte CA. Auch, ob bestimmte Techniken wie Immersion bevorzugt werden, wird nicht beschrieben. Nur, dass er die typischen Besonderheiten des Charakters "ausspielen" will. Das alles klingt nicht nach einem einzelnen Spielertypen oder einer einzigen "Spaßquelle", sondern nach einer wilden Zusammenfassung unterschiedlichster Typen, die aus verschiedensten Gründen einen Archetypen verkörpern wollen. Also leider auch keine neue identifizierte Spaßquelle.
Method Actor: Hier steht klar die Technik der Immersion im Vordergrund. Sie ist in allen drei bekannten Agenden vertreten, jedoch wird ein Hang zum NAR angedeutet, da es dem Method Actor um Situationen geht, in denen Charakterzüge auf dem Spiel stehen. Hier wird leider nicht deutlich, ob es sich um Bangs handelt. Außerdem erwähnt Laws, dass ein Method Actor am liebsten würfellos spielt, d.h. die Immersion sollte möglichst nicht durch Metagaming unterbrochen werden.
Storyteller: Hier steht das Erzählen einer guten Story im Vordergrund, was wiederum nicht wirklich auf eine CA hindeutet (jedenfalls am ehesten nicht auf SIM). Der Verlauf der Story steht im Vordergrund, die Handlung muss weitergehen. Hier denke ich, kann man wieder eine Technik als Spaßquelle identifizieren. Vor allem muss ein Storyteller auch mal geistig einen Schritt zurücktreten, um einen Spannungsbogen o.ä. zu erkennen.
Casual Gamer: Diese Spieler ziehen ihren Spaß aus dem SoCo. Sie möchten mit den anderen Spielern einen netten Abend verbringen und nehmen nicht wegen des Rollenspiels teil.
Damit sehe ich jetzt grundsätzliche drei verschiedene Ansätze, aus Techniken Spaß zu ziehen:
1. Gauges. Also Verbessern der Charakterwerte, Erwerben von Crunchy Bits (beides oft über den Umweg von XPs), vielleicht auch das Erschaffen von besonders "stimmungsvollen" oder exotischen Charakteren im Rahmen der Regeln.
2. Ausspielen von Konflikten. Also z.B. ein taktischer Kampf auf einem Spielbrett, aber auch Bangs würde ich hier mit hineinrechnen.
3. Stances (actor/author/director). Darunter fällt auch sowas wie Immersion oder Storytelling, als Spezialisierung der actor stance bzw. der author/director stance.
Wahrscheinlich sind diese drei Punkte nicht umfassend. Aber es ist ein erster Ansatz.
SchlussüberlegungenDen Begriff Technische Agenda habe ich bisher vermieden und möchte ihn auch nicht benutzen, denn die Creative Agenda hat ja etwas damit zu tun, für was es positives Feedback von der Gruppe gibt. Eine Soziale Agenda wird es mit Sicherheit auch geben, sie ist dann aber in 1. zu finden und für Rollenspiel-Theorie daher uninteressant, da es außerhalb des Betrachtungshorizontes liegt.
Kommt der Spaß, wie oben angedeutet, allerdings aus bestimmten Techniken heraus, so hat das wenig mit dem Miteinander, sondern mehr mit dem Durchführen der Technik an sich zu tun. Das könnte man sicherlich auch alleine machen. Manche Spieler tun dies sogar, indem sie seitenweise Geschichten zu ihren Charakteren aufschreiben und so einen Imagined Space erforschen, die sie allerdings mit niemandem so richtig teilen. Meistens macht aber die Kombination aus sozialem Zusammensein, der CA und eben der Anwendung der Techniken das Erlebnis Rollenspiel aus.
Daher würde ich eher von technischen Vorlieben der einzelnen Spieler reden.
Kommentare hierzu? Weitere technische Vorlieben? Und wo ist jetzt das stimmungsvolle Spiel, auf das viele so abfahren?
Dom
EDIT: So, ich fahre jetzt erstmal nach Hause... werde mich wahrscheinlich frühestens am Montag wieder ausführlicher äußern könnnen.