Lieber Cousin,
Ich danke dir, dass Du mir geschrieben hast und dich so voller Freude über deine Umgebung äußerst - es freut
mich außerordentlich, zu hören, dass man dich gut behandelt und dass du begierig, wie immer, den Lehren
der Schmiede in Eisen folgst.
Dennoch wisse, dass sich dein Vater grämt und sich Sorgen macht, ob es dir gut geht. Nun, da ich Nachricht von
dir habe, kann ich ihm berichten, aber trotzdem: Merkwürdig ist es schon, dass deine neuen Herren versuchen,
die Familie zu erpressen, findest du nicht? Ich habe diesen Weg gefunden, um dir zu schreiben, denn
ich bin hier, um das vereinbarte Lösegeld zu übergeben. Aber wenn du sagst, du bist freiwillig hier, kann das
nur bedeuten, dass man uns reinlegen will. Oder aber du hast eine perfide Methode gefunden, deinen Vater um
noch ein paar Goldstücke ärmer zu machen, du gieriger Fuchs!
Wie dem auch sei, dein Vater lässt dir ausrichten, dass sein siebzigster Geburtstag näher rückt und er
seinen Sohn noch einmal sehen will, bevor er Theus gegenübertritt. Also mach dich so schnell wie möglich auf den Weg nach Hause -
du weißt dass wir alle dich erwarten und dein Vater noch einmal mit dir unter der alten Eiche am Fluss sitzen
und seine Geschichte von Horacio und Dahlila erzählen möchte.
Ich verbleibe und hoffe auf Antwort
Theus mit dir, lieber Cousin
Diego
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Diego faltet das Pergament zwei Mal und schnürt es mit einem Faden zusammen. Pedro würde den Code erkennen.
Nicht sein alter Vater, sondern Diego hatte mit seinem Cousin immer unter der alten Eiche gesessen. Einen Fluss
gab es dort weit und breit nicht, allenfalls ein kleines Rinnsal, das an den Weiden der Morales vorbei floss.
Doch der FLUSS war das Codewort, dass sie beide sich als Kinder ausgedacht hatten - die Anfangsbuchstaben
eines Gedichtes von Horacio y Almerde:
Flieh, Licht! Unter seidigen Schatten
verbirgst Du Dein sonnig Gesicht.
Endlich, verborgen, verhalten
Steh'n Liebende, fürchten Dich nicht.
Die Geschichte, von der er schrieb, war die, die Pedro und er sich auf Grundlage des Gedichtes ausgedacht hatten -
ein großer Held, der seine Angebetete aus den Klauen eines bösen castilischen Adligen rettete. Der Held schlich sich in die Burg
des Adligen und gab sich als Gaukler aus. In dem er einen Zaubertrick vorführte, lies er seine Geliebte vor
den Augen des bösen Adligen verschwinden. Ein Szenario, das Diego als Plan zur Befreiung von
Pedro auszubauen gedachte...