Auch MechKrieger Weinen ...
... schlimm ist, wenn sie nichts anderes tun. Verdammt, jetzt hab ich die Pointe verraten. Macht nichts.
Dieses Buch ist, leider, richtig schlecht. Nicht schlecht im Sinne von "Ich hab schon besseres gelesen", nicht schlecht im Sinne von "Der Umschlag war zu glatt und es ist mir in die Badewanne gefallen" und auch nicht schlecht im Sinne "mein Chef sah das Titelbild und jetzt halten mich alle auf der Arbeit fuer einen Freak."
Nein, richtig schlecht.
Aber, fangen wir am Anfang an.
BattleTech:
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Battletech ist eine Rollenspiel- und Brettspiel-Welt, in der in ferner Zukunft Menschen, sogenannte MechKrieger, riesige, humanoide Kampfroboter ueber das Schlachtfeld steuern. Es gibt politische Fraktionen ("Haeuser"), Intrigen, Action, Kriege, Ehre und Kriegerromantik.
Eigentlich mag ich sowas sehr gern. Ich habe frueher BT-Romane gelwesen, ohne mich weiter fuer die Miniaturen oder den Hintergrund gross zu interessieren. Ich mochte das "Feeling" der Welt. Und ich mag Buecher ueber Krieger und Soldaten. Sehr.
Die Romanserie erweckt diese Hintergrundwelt zum Leben.
Soweit die Theorie.
Randall Bills:
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Randall Bills ist, wenn man seinem Konterfei glauben moechte (und das Bild sieht recht lebensecht aus) jemand, der leicht ueberernaehrt ist (nun gut, die primaer sitzende Taetigkeit der modernen Gesellschaft und des Schriftstellers im Speziellen).
Er hat schwarze Haare und einen sehr sympathischen Goatee-Bart.
Warum er aber fuer ein Bild, das das Innere seines zweiten Romans ziert, nicht darauf achtet, dass das Unterhemd unter dem T-Shirt nicht hervorlugt, ist mir etwas schleierhaft. Andererseits kann es sich dabei um eine Notloesung handeln: solche Dinge passieren. "Hey, Randall, dein Buch geht gerade zum Drucker, schick ma n Bild. Irgendeins!"
Ausserdem ist Randall Bills jemand, der im Wohnungsinneren (er steht neben einem Buecherregal, das halb hinter seinen Kopf hervorlugt, wohl, um in als ueberaus belesenen idealen Schwiersohn in Szene zu setzen) Sonnenbrille traegt. Fuer den Fall, dass Herr Bills blind ist oder unter empfindlichen Augen leidet, meine tief empfundene Entschuldigung, aber Sonnenbrille im Wohnungsinneren ist /nicht/ cool. Es sieht selbst bei U2s Bono peinlich aus.
Wir erfahren, dass Randall Bills weit rumgekommen ist, deutsche Brettspiele "wundervoll" findet, und "seine Schriftstellerkarriere" vorantreibt. Lieber Herr Bills, bitte nicht. Jemand, der seine Kinder nach seinen Romancharakteren benennt (oder umgekehrt), und auf Idee wie "Ryana Nikol" oder "Kenyon Aleksandr" kommt (ich haette mich bei Papi und Mami dafuer bedankt, und ich sehe die herannahende Krise im Hause Bills), der ist schon maechtig weit draussen.
Zur Klarstellung. Ich bin ein Freak, ein Nerd. Ich kennen viele seltsame Leute, und bin einer von ihnen. Und auch ich schreibe Buecher.
Meine Erwartungen
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Ich erwarte nicht allzu viel. BattleTech hat, aehnlich wie andere Rollenspiel-Romane, nicht den Anspruch, Kunst zu sein.
Ich erwarte, dass ein Schriftsteller, der in einer der Serien Buecher veroeffentlicht, diese Welt "in Aktion" zeigt, die Stimmung rueberbringt, und mich fuer ca 300 Seiten soweit unterhaelt, wie ich es von jedem andere Unterhaltungsmedium erwarten wuerde. Ich bin da offen. Es duerfen Action-Plots sein, oder Charakter-Stories.
Mir ist wichtig, dass die Saetze einigermassen lesbar sind, dass die Story nicht alzuviele Durchhaenger hat und auch irgendwie einen Sinn macht. Ich moechte, kurz gesagt, ein Buch gelesen weglegen und innerlich sagen: "Hach, war das schoen", oder "Ja, gut gemacht."
Was ich erwarte, ist, dass ein Schriftsteller, zumindest im Ansatz, Prosatechniken beherrscht, also weiss, was ein Charakter ist und was ein Klischee, dass es Plots gibt, und dass Auseinandersetzungen spannend sein koennen.
Nun ueberpruefen wir diesen Anspruch an der Realitaet:
Das Buch
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Unbestreitbar: Es ist dankbar, einen Verriss zu schreiben. Das eigene haemische Grinsen, das Haendereiben, und das genuessliche Versenken des Buches, das einem die Lebenszeit geraubt hat.
Ich finde es eher traurig. Ich habe selbst Rollenspiel-Romane geschrieben. Randall Bills ist ein "Kollege". Leider ist Randall Bills aber auch ein verdammt schlechter Schriftsteller, zumindest, wenn man ihn nach diesem Buch bewertet. Mr Bills, don't quit your day job.
Die Story ist schnell erzaehlt (deshalb soviel Vorrede - viel steht naemlich nicht in diesem Buch).
Es handelt sich um den mittleren Teil der Clangruender-Trilogie in der Reihe "Classic Battletech". "Clangruender: Traum" erzaehlt die Geschichte ... nein, falscher Ansatz, da wird keine Geschichte erzaehlt. Nochmal.
Clangruender: Traum" handelt von ... Auch falsch. Handeln tun naemlich niemand. Von einer "Handlung" wollen wir betreten schweigen.
"Clangruender: Traum" ist der Titel, der auf einem Buch steht. Das Buch ist aus Papier, und hat bedruckte Seiten. Auf diesen Seiten sind Woerter abgedruckt, die die Gedankengaenge eines gewissen Andreij Kerensky wiedergeben. Unsere Hauptfigur.
Das erkennt man daran, dass wir meistens in seinem Kopf sind, es sei denn, die Perspektive schwirrt unentschlossen im Raum herum. Was sie tut. Und was fast eine Erloesung ist.
Andrej Kerensky ist der Bruder von Nicholas Kerensky, einer bedeutenden "Fuehrer-Gestalt" im BT-Universum, der, als es ihm in der "Inneren Sphaere" zu bunt wird, seine Leute nimmt und woanders hingeht, um dort eine neue Gesellschaft zu errichten.
Spannende Kiste, sollte man meinen. Nicholas ist ein Anfuehrer, wie er im Bilde steht. Hart, entschlossen, visionaer. Und er baut einen quasi-faschistischen Staat auf, der von mystischer Fuehrer-Verehrung und archaischen Ritualen zusammengehalten wird.
Die "Kapitel" behandeln einzelne Entscheidungen von Nicholas, und deren Auswirkungen. Er git alle Kinder zur Adoption frei, zerschlaegt die Familie, schmiedet seine Armee zu einem Elite-Kader um, der ihm bedingungslos ergeben ist.
Spannende Kiste, eigentlich.
Nur passiert alles Spannende "off camera". Hinter der Kulisse. Alles, was an dieser Story interessant ist, passiert, wenn der Leser nicht dabei ist. Und zwar in der Form, dass Andrej, unser Hauptcharakter, darueber lamentiert. Soll heissen: Er heult rum.
Er macht sich Gedanken zu den aktuellen Entwicklungen, und spricht innerlich mit seinem Bruder, nach dem Motto: "Ach, Nicky, wissen die eigentlich, was du planst? Was du damit vorhast?" Weil diese Zweifel aber niemals zum Konflikt fuehren, und unser Held den Umbau in einen faschistischen Fuehrerstaat mit einem weinerlichen Schulterzucken hinnimmt, ist das Buch droege, droege, droege.
Mich interessiert dieser Andreij nicht. Er hat keine Tiefe. Die wesentliche "schlechte Eigenschaft", die ihm Leben geben soll, ist, dass er ungeschickt ist. Jedenfalls legt er sich auf 80 Seiten exakt 4 mal auf die Nase. Ab Seite 81 macht er das allerdings nicht mehr. Es wirkt, als haette Bills vergessen, dass er Andrej als Tolpatsch angelegt hatte. Vielleicht hat er das Post-It mit der Charakterbeschreibugn verloren. Passiert mir staendig.
Danach nennt er seinen Bruder innerlich "Nicky" und bekommt es nicht auf die Reihe, das nicht auszuplappern, wenn einer dieser droegen, hahnebuechenen und gesteltzten Dialoge mit einer eindimensionalen Nebenfigur kommt, die einen wuenschen lassen, Andrej wuerde nur noch denken. Oder - fast.
Das Buch ist in kurze Kapitel gegliedert, die fast ohne innere Verbindung nebeneinander stehen. Etwas Kleines passiert, Andrej weint etwas, dann passiert gar nichts. Selbst den Nebenfiguren (die allesamt austauschbar und, bis auf Nicholas, auch voellig uninteressant sind) geht der depressive Andrej auf den Geist. Als der erste Nebencharakter Andrej zum ersten mal sagt, er versinke im Selbstmitleid, sagt der Leser begeistert: Ja, genau! Jetzt reiss dich zusammen, Andrej, immerhin bist du ein hochbegabter Mechpilot! Mach was draus!"
Aber Andrej zuckt die Schultern. Und weint.
Und so geht es 251 Seiten lang.
Ich mag Charaktere, die innerlich gebrochen sind. Aber Andrej ist eine Heulsuse, fuer den der Leser nichts als Verachtung empfindet. Leider sind wir die ganze Zeit in seinem Kopf eingesperrt, und waehrend wir spueren koennen, dass da draussen, irgendwo, coole Sachen passieren, die alle spannender waeren als das Herumgreinen (zum Beispiel faellt irgendwo in der neugegruendeten Stadt bestimmt ein Sack Reis um! Das waere ein Abenteuer!), haengen wir in Andrejs Kopf und muessen es bis zum bitteren Ende durchstehen.
Am Ende steht die faschistische Gesellschaft: Nicky hat gewonnen. Und Andrej geht raus in die Nacht (das ist der letzte Satz des Buches)
... um ein bisschen zu weinen.
Roboter:
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Die Mechs sind Staffage. Es gibt zwei kurze (2-3 Seiten pro Stueck) Szenen, wo die Mechs in Aktion treten, aber Spannung kommt keine auf. Auch kein "Feeling". Weil, genau, Andrej auch diese Szenen zum Weinen nutzt.
Stil:
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Ich verneige mich vor den Uebersetzern, Christoph Nick und Reinhold M Mai. Ihnen ist es gelungen, aus der Klischeewueste einen lesbaren Text zu zaubern. Der ist zwar immer noch schlecht, aber nicht mehr grauenhaft. Jede weitere Verbesserung waere wohl ein Neuschreben gewesen, was, leider, bitter noetig waere, aber nicht der Job der Uebersetzer ist, so sehr man es sich gewuenscht haette.
Zitat:
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"Die Traenen, die Andreij jedes Mal aufs Neue zu vergiessen drohte, waren keine Traenen des Stolzes. Oder der Leidenschaft. Oder der Hingabe. Das Jucken hatte seinen Ursprung in einer tieferen Quelle, und sie speise ein stummes Weinen.
Leid.
Eine ploetzliche Erinnerung stieg in ihm auf, und die Traenen brachen sich Bahn. Ein leerer Sockel im Cameron-Park auf Eden. Ich wusste, was geschen wuerde. Ich wusste es damals schon, ich haette nur nie geglaubt, dass es auf einem anderen Planeten dazu kommen wuerde. Die Traenen flossen ohne Ende, so wie jeden samstag. Daemonen, mit denen er an keinem anderen Ort ringen konnte als hier, im Schatten des groessten Generals in der Geschichte der Menschheit.
"Es tut mir Leid, was sie dir angetan haben, Vater."
Leider muss man sagen, dass dieses Zitat von Seite S. 117 weder den Tiefpunkt markiert, noch untypisch ist. Es gibt noch viel, viel mehr davon. Man beachte die inneren Widersprueche und die leeren Phrasen. Bills in Reinkultur.
Positives:
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Die Uebersetzung und Aufmachung sind voellig in Ordnung. Das Cover von Franz Vohwinkel bildet eine der zwei Mech-Szenen ab und verbreitet weit mehr Spannung als der ueberaus duerftige Text.
Fazit:
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"Das Leben ist zu kurz fuer schlechte Buecher", sagte mein Amerikanistik-Dozent, der briliante Dr Werth.
Recht hat der Mann.
Ich gehe jetzt ein bisschen ... weinen.
Daten:
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271 Seiten (Buch hat Glossar)
Verlag: Fantasy Productions (
www.fanpro.com)
Erschienen: Februar 2006
ISBN: 3890645976