Mir ist das Konzept völlig unklar. Was sollen Flags sein? Wie sehen die aus? Wie kann ich die integrieren? Kann man überhaupt noch eine Handlung konzipieren oder läuft das ins Beliebige?...
Mich beschleicht ein bisschen das Gefühl, dass Du den in meinem Blog verlinkten englischen Artikel gar nicht gelesen hast... aber egal... ich versuche eine Erklärung, weil ich aus mehr als 20-jähriger Rollenspielerfahrung weiß, wie wertvoll Flag Framing ist (auch wenn der Ausdruck erst seit ein paar Monaten existiert).
Flags = die Zeichen, die der Spieler (nicht der Charakter) Dir als Spielleiter gibt, was er gerne im Abenteuer erleben möchte, was er gerne ausleben möchte. Alle Hinweise, die der Spieler dir
out-of-character gibt. Flags sind völlig out-of-character.
Bei alten Systemen und Mainstream-Spielen ist das knifflig herauszufinden, deshalb habe ich auf meinem Blog auch ein Deckblatt mit den wichtigsten Fragen an den Spieler (nicht an den Charakter) zum Download bereit. In herkömmlichen Systemen sind es die Spieler nicht gewohnt, nach ihren Vorlieben gefragt zu werden – und dem SL bleibt nichts anderes übrigs, als durch Versuch und Irrtum herauszufinden, was ihnen gefällt und was nicht.
Dabei ist genau das das Wichtigste am Rollenspiel: Die Spieler spielen es, weil sie Bedürfnisse befriedigen wollen. Wenn Du als SL weißt, welche Bedürfnisse die Spieler abdecken wollen, dann kannst Du ihnen ein Abenteuer präsentieren, das für sie sehr viel zufriedenstellender und geiler ist als ein Abenteuer, das im Trockenen vorbereitet wurde und nicht auf die Belange der Spieler achtet.
Wie findest Du Flags heraus?Schau, welche Attribute, Skills, Traits, etc. bei den Charakteren gut oder sehr gut sind. Das ist ein Hinweis darauf, dass diese Eigenschaft dem Spieler wichtig ist. Das ist ein Flag. Schau, welche Beziehungen zu wem die Charaktere haben. Auch das sind Flags, also Dinge, die dem Spieler wichtig sind und die er dementsprechend auch im Abenteuer sehen will – wäre es nicht so, hätte er sie nicht aufgeschrieben. Das Problem bei alten, herlömmlichen und Mainstream-Rollenspielen ist, dass sie eine Unmenge an Zahlen haben und Du Dich als Spielleiter erst mal durcharbeiten musst, um herauszufinden, welches Attribut dem Spieler wirklich wichtig ist. Es dauert etwas länger, aber es geht. Wenn Du diese Attribute rausgefunden hast, schreibe sie Dir auf, das sind Flags. Alle anderen Werte sind für die Tonne – weil sie dem Spieler nicht wichtig sind. Wären sie ihm wichtig, hätter er sie gesteigert oder bei der Charaktererschaffung höher gemacht.
Wenn Du Dir unsicher bist, frage den Spieler: "Was ist Dir wichtig am Charakter?", "Was findest Du cool am Charakter?". Diese direkte Nachfrage ist in herkömmlichen Spielen geradezu verpönt, da muss sogar vor dem Spiel möglichst viel in character ablaufen. Aber genau das hat uns viele, viele Jahre voller langweiliger Scheiß-Abenteuer beschert – ein SL, der die Gründe der Spieler nicht kennt, warum sie spielen (Flags), kann nur Zufallstreffer (im Sinne von guten Abenteuern) landen.
In neuen Spielen wie etwa TSOY (oder auch Wushu) ist es einfacher: Jedes TSOY-Secret ist eine Flag, jede Ability, jeder Key. Oder in Wushu: Alle Traits sind Flags.
Erschaffen von NSCsWenn Du die Flags Deiner Spieler aufgeschrieben hast, überlege Dir Nichtspielercharaktere, die diesen Flags entweder entgegenstehen oder sie unterstützen oder die sie benutzen wollen, um irgendetwas damit zu erreichen.
BeispielWenn ein Spieler für seinen Charakter die Flags "Ehrlichkeit ist ihm sehr wichtig" und "Wichtigste Connection: seine Familie" hat, dann könntest Du einen NSC erschaffen, der lügt und betrügt, und der zur Familie des Charakters gehört. Damit würdest Du beide Flags ansprechen, und zwar dadurch, dass der NSC gegen die Flags arbeitet. Du könntest zum Beispiel dann drauf kommen (ich improvisiere jetzt einfach mal), dass dieser NSC durch seine Lügen die Eltern des Spielercharakters in Lebensgefahr gebracht hat... was weiß ich, er hat einen Drogenboss beschissen, und der geht jetzt den Eltern ans Leder. Was ist, wenn dieser NSC der Bruder oder die Schwester des Spielercharakters ist? Oder sein/e Frau/Mann?
Verstehst Du, was ich damit ausddrücken möchte? Jede Flag, also jedes Zeichen vom Spieler, dass ihm etwas wichtig für das Spiel ist, ist eine unendliche Quelle für Inspirationen.
Alles, was Du brauchst, sind eine Anzahl von NSCs, die allesamt irgendwie die Flags der Spielercharaktere ansprechen. Zeichne ein Diagramm mit allen NSCs drauf, und verbinde die Namen der NSCs miteinander, die zueinander eine Beziehung haben (freundschaftlich, feindlich, geschäftlich, was Du willst). Denke daran, dass alle NSCs auf dieser "Relationship Map" aufgrund der Flags erschaffen worden sind. Es gibt also keinen NSC, der keine Flag eines Spielers anspricht.
Wenn Du dieses Beziehungsgeflecht erschaffen hast (was in der Regel eine bis drei Stunden dauert), hast Du ein komplettes Gerüst für Abenteuer. Und das Beste: Das Gerüst ist flexibel. Diese Relationship Map ist gewissermaßen Dein SL-Charakterblatt. Und nun brauchst Du als SL nur noch die Reaktionen und Aktionen der NSCs ausspielen.
Wichtig: Du schaust auf die Spieler! Die Spieler geben Dir durch ihre Aktionen wieder Anlass, mit den NSC zu reagieren. Früher hieß es immer, die Spieler warten auf den SL,. bis er ihnen die Brocken hinwirft. Das ist verkehrt. Als SL musst Du auf Deine Spieler schauen. Beobachte ihre Aktionen. Und weil ihre wichtigen Aktionen immer irgendetwas betreffen, was mit einem Deiner NSCs zu tun hat, wird sich immer ein Handlungsstrang ergeben. Du als SL allerdings schreibst keinen Handlungsstrang vor; das machen die Spieler durch ihre Aktionen.
Auf mich wirkt das mehr wie Psychgesülze (sorry für die Formulierung; mir fiel gerade keine bessere ein). Wie soll da ein Abneteuer draus werden?
Das ist alles andere als Psychogesülze. Ich habe nur mit dieser Technik (Flag Framing) jahrelange Kampagnen geleitet, und glaube mir, wir hatten echt geile Sitzungen. Das Abenteuer entsteht, indem Du die Bedürfnisse Deiner Spieler erfüllst. Ein Abenteuer wird dann zäh oder geht den Bach runter, wenn Du als SL Dein Ding durchziehst, ohne auf die Bedürfnisse der Spieler zu achten.