Autor Thema: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?  (Gelesen 2595 mal)

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Offline Vanis

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Angeregt durch Fredis Thread über seine Spielweise will ich hier diskutieren, ob die Diskussionen der Spieler auf Charakterbene vom eigentlichen Problem, das heißt einem Konflikt oder moralischen Fragestellung ablenken.

Beispiel: Char1 erschießt jemanden, Char2 fragt nach dem Warum, Spieler 1 antwortet mit einem: So ist mein Char nunmal.

Meine These war: Egal wie ich meinen Char erschaffe, es steckt immer sehr viel von meiner eigenen Persönlichkeit drin. Das heißt ,selbst wenn ich "nur" auf Charakterbene über ein moralisches Dilemma diskutiere, ist immer noch sehr viel von meiner eigenen Argumentation mit drin.

Hiergegen wurde das Argument gebracht, man könne ja auch ein absolutes Arschloch spielen, dass in krassem Gegensatz zum eigenen Verhalten steht. Dem stimme ich soweit zu. Man kann natürlich Charaktere erschaffen, die stark von persönlichen Moralvorstellungen abweichen. Nur spielt man keinen Char, dessen reine Beschreibung die eines Arschlochs ist, der nur aus dieser einzigen Motivation heraus handelt. Da gibt es doch immer Gründe. Wenn man jetzt innerhalb der Gruppe schon bei der Charaktererschaffung über das Wie und Warum spricht, kommt man dem doch ganz schnell auf die Schliche.

Ich gebe zu, dass Fredis Spielweise eine einfachere Möglichkeit darstellt, über Emotionen und Moralvorstellungen zu diskutieren. Man macht ein Cut und diskutiert. In meiner Variante muss man sich mit den Chars der Spieler auseinandersetzen und kommt so langsam den Spielern auch auf die Schliche. Allerdings sind hier einige Vorbereitungen nötig: Die Spieler müssen sich bei der Charaktererschaffung abstimmen und über ihre Beweggründe sprechen. Sie sollten eine Gruppe sein, die sich kennt, sonst können Diskussionen inplay über Moralvorstellungen usw. in der Tat sehr unfruchtbar werden.

Ich denke, das sind einfach zwei unterschiedliche Spielweisen, mit ähnlichem Interesse. Fredi, du würdest eher auf Spielerebene diskutieren und bist rein an Konflikten und Wertvorstellungen interessiert, Setting usw ist unwichtig (wenn ich dich richtig verstanden hab). In meiner Spielweise liegt mir auch für an den Überzeugungen der Spieler, nur versuche ich denen auf Charakterebene zu begegnen.

Ich finde beides hat was. Die Frage ist, glaubt ihr das meine Variante auch klappt?
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Online 1of3

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #1 am: 5.05.2006 | 16:09 »
Wenn du sagst ja, müssen wir das wohl direkt glauben. Mir ist das persönlich auch so oder so Keks.
« Letzte Änderung: 5.05.2006 | 16:14 von One O'Three »

Offline Fredi der Elch

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #2 am: 5.05.2006 | 16:21 »
Ich gebe zu, dass Fredis Spielweise eine einfachere Möglichkeit darstellt, über Emotionen und Moralvorstellungen zu diskutieren. Man macht ein Cut und diskutiert.
[...]
Fredi, du würdest eher auf Spielerebene diskutieren
Du hast mich da falsch verstanden. Bei mir wird weder ein Cut gemacht, noch diskutiert (höchstens In-Char oder über die Regeln).

Und wenn ich vorher über das Charakterkonzept diskutiert habe, weiß ich ja, wie der Spieler zu seinem Charakter steht und kann die Charakterhandlungen in etwa dem Standpunkt des Spielers zuordnen. Das heißt, dass dann ja nicht mehr rein SIS-bezogen gespielt wird, sondern ein Bezug zum Spieler besteht. Mir persönlich wäre dieser Bezug zu indirekt und auch zu ungenau, aber das ist ja Geschmakssache.
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Zitat von: 1of3
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Offline Vanis

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #3 am: 5.05.2006 | 16:27 »
Wenn du sagst ja, müssen wir das wohl direkt glauben. Mir ist das persönlich auch so oder so Keks.

Mir liegt mehr an einer Diskussion mit der Fragestellung: Wenn es mir um die Ideen, Konflikte und Moralvorstellungen der Spieler geht, kann ich das ingame hinbekommen? Natürlich könnte ich behaupten, dass das klappt. Fredis Ansatz war, das zu trennen, weil ihm die SIS nicht so wichtig ist und der Charakter zwischen den Moralvorstellungen des Spieler und der Diskussion stehen würde. Nochmal meine Frage: Ist das tatsächlich so? Wenn es einer Gruppe tatsächlich um das Kennenlernen der eigenen Persönlichkeit geht, muss das dann out of play passieren?
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Eulenspiegel

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #4 am: 5.05.2006 | 16:27 »
Also ich spiele gerne SCs, die mir nicht ähneln. (Paradebeispiel: Ich selber bin Atheist, spiele aber tiefreligiöse SCs.)
Klar, wenn man man mich gut kennt, dann weiß man auch, dass ich Atheist bin. Alternativ kann ich das auch am Anfang des RPGs sagen. Aber wenn ich mir einen SC erschaffe, dann bin ich mir noch nicht vollstänig über seine Charakterisierung im Klaren. Vielleicht wird er in dieser Eigenschaft wie ich. - Vielleicht auch nicht. Das entscheidet sich erst während des Spiels.
Und dann ist es für andere schwer zu sagen, ob ich jetzt die Handlung meines SCs befürworte oder nicht. Aber das finde ich nicht negativ. (Ich bin ja auch kein NAR.)

Offline Dr.Boomslang

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #5 am: 5.05.2006 | 16:30 »
Zur Frage: Kann der SIS Dinge verbergen? Sicher.
Spieler nutzen den SIS manchmal um damit irgendetwas zu rechtfertigen. Das kann ihnen aber nur gelingen, wenn andere Spieler ihnen Glauben schenken. Und wann schenken ihnen die anderen Glauben? Wenn sie eine ähnliche Vorstellung vom Ablauf der Situation haben. Das ist aber meist nicht vorher festgelegt, also ist es verborgen (in den Vorstellungen der Spieler von der Welt).

Ist das nun ein Problem? Es kann eines sein, wenn z.B. nicht klar ist wer nun "Recht" hat. Dadurch kann außerdem die Illsuion entstehen, dass es nicht der Spieler ist der etwas will, sondern dass es quasi "von alleine" so geschehen müsste wie der Spieler es sagt.
Es darf aber nie so weit kommen, dass sich der Spieler vollständig einer Entscheidung entziehen kann. Im Mindesten muss der Spieler seine Interpretation des Geschehens irgendwie verteidigen, sonst externalisiert er die Entscheidung völlig und entzieht sich damit seiner Verantwortung für das Spiel.
Egal welchen Stil man verfolgt, sowas kann nicht richtig sein.

Will man so spielen wie Fredi müssen eben moralische Stellungnahmen erfolgen, aber es gibt da sicher auch andere Möglichkeiten.

Und jetzt nochmal zu der Frage auf welchen Kanal diese Statements gemacht werden müssen: Auf Spielebene. Das heißt nicht zwangsläufig verbal unter den Spielern, sondern auch z.B. durch Eingreifen in das Spiel, also z.B. durch Entscheidungen auf Systemebene.
Ohne auch nur ein bischen vom Charakter losgelöst zu handeln, kann man logischweise die wahren Beweggründe des Spielers nie erkennen.
« Letzte Änderung: 5.05.2006 | 16:36 von Dr.Boomslang »

Eulenspiegel

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #6 am: 5.05.2006 | 16:36 »
Spieler nutzen den SIS manchmal um damit irgendetwas zu rechtfertigen.
Aber gerade in diesen Fällen sieht man recht häufig, dass auch der Spieler outgame ein Interesse an der Sachlage hat und die Handlung nicht rein SC gesteuert ist.

Schwieriger ist es, wenn man eine SC gesteuerte Handlung hat. - Heißt der Spieler dies Handlung dann ebenfalls gut oder findet er sie schlecht? (Beispiel: "Die SCs sind am verhungern und einer der SCs schlägt vor, die Leichen zu essen."
Oder: "Der SC verlässt den Markt und stellt fest, dass er seine Waren nichtbezahlt hat. Kehrt er zurück oder nicht?")

Offline Dr.Boomslang

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #7 am: 5.05.2006 | 16:41 »
Aber gerade in diesen Fällen sieht man recht häufig, dass auch der Spieler outgame ein Interesse an der Sachlage hat und die Handlung nicht rein SC gesteuert ist.
Interesse kann man da sicher erkennen, aber man weiß nicht welcher Art die ist. Der Spieler könnte die Argumentation einfach nur nutzen um Recht zu haben, er muss dabei aber nichts über sich selbst sagen (außer vielleicht dass er in diesem Punkt Recht behalten will ::) ).

Der Spieler kann damit außerdem vermeiden deutlich zu machen: "Ich will dass das jetzt soundso passiert weil...!"
Möglicherweise macht ein Spieler das grade weil er sich scheut selbst Stellung zu beziehen.

Offline Fredi der Elch

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #8 am: 5.05.2006 | 16:49 »
Fredis Ansatz war, das zu trennen, weil ihm die SIS nicht so wichtig ist und der Charakter zwischen den Moralvorstellungen des Spieler und der Diskussion stehen würde.
Wie gesagt, du hast mich da komplett falsch verstanden. Der SIS ist das Medium, über das die Standpunkte der Spieler diskutiert werden. Wenn man aber ausschließlich aus dem SIS argumentiert, findet keine Kommunikation (in meinem Sinn) zwischen den Spielern mehr statt. Also hat Boomslang recht:
Ohne auch nur ein bischen vom Charakter losgelöst zu handeln, kann man logischweise die wahren Beweggründe des Spielers nie erkennen.
Und das war mein ganzer Punkt.
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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #9 am: 5.05.2006 | 16:50 »
Du hast mich da falsch verstanden. Bei mir wird weder ein Cut gemacht, noch diskutiert (höchstens In-Char oder über die Regeln).

Und wenn ich vorher über das Charakterkonzept diskutiert habe, weiß ich ja, wie der Spieler zu seinem Charakter steht und kann die Charakterhandlungen in etwa dem Standpunkt des Spielers zuordnen. Das heißt, dass dann ja nicht mehr rein SIS-bezogen gespielt wird, sondern ein Bezug zum Spieler besteht. Mir persönlich wäre dieser Bezug zu indirekt und auch zu ungenau, aber das ist ja Geschmakssache.

Ah jetzt ja, hat ein bißchen gedauert...Du willst einfach nochmal eine kurze Rückmeldung, wie der Spieler zu der Aktion steht, die er grad gebracht hat und so die Leute an deinem Spieltisch näher kennenlernen. Ich hatte das so verstanden, dass du eher über die Standpunkte der Spieler diskutieren willst, als in der SIS zu spielen.

Das wirft eine Menge interessanter Fragen auf: Im Rollenspiel geraten die Chars oft in Situationen, die sie so in der wirklichen Welt nie erleben würden. Stellt man dann die Frage, ob der Spieler das im realen Leben auch ok finden würde, regt das zum Überlegen an. Für mich ist da aber die Frage interessanter: Warum erschaffe ich mir einen Charakter, der so handelt? Da sind wir wieder bei den Konflikten, die einen Char antreiben. Kenne ich die als SL oder Spieler, dann weiß ich, warum der Char so handelt und dass das der Spieler im normalen Leben natürlich nicht toll findet. Es wäre aber immer noch eine Neigung des Spielers, und somit auch ein Teil seiner Persönlichkeit.

Bei mir selbst entdecke ich das oft im Rollenspiel. Viele Konflikte werden durch Gewalt gelöst und im Rollenspiel schrecken die meisten Spieler auch nicht davor zurück, Gebrauch davon zu machen. Mir persönlich sagt das so einiges über meinen Charakter...
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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #10 am: 5.05.2006 | 16:55 »
Wie gesagt, du hast mich da komplett falsch verstanden. Der SIS ist das Medium, über das die Standpunkte der Spieler diskutiert werden. Wenn man aber ausschließlich aus dem SIS argumentiert, findet keine Kommunikation (in meinem Sinn) zwischen den Spielern mehr statt. Also hat Boomslang recht:Und das war mein ganzer Punkt.

Und meine Frage war: Wenn ich im Vorfeld weiß, warum ein Char mit den jeweiligen Eigenheiten erschaffe, erfahre ich dann nicht auch, wie der Spieler dazu steht und warum er durch den Char so handelt?
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Offline Fredi der Elch

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #11 am: 5.05.2006 | 17:15 »
Du willst einfach nochmal eine kurze Rückmeldung, wie der Spieler zu der Aktion steht, die er grad gebracht hat
Genau! :)

Und meine Frage war: Wenn ich im Vorfeld weiß, warum ein Char mit den jeweiligen Eigenheiten erschaffe, erfahre ich dann nicht auch, wie der Spieler dazu steht und warum er durch den Char so handelt?
Wie gesagt, das wäre mir pesönlich zu indirekt und zu ungenau. Sei der Erschaffung habe ich die Hälfte vergessen, der Charakter hat sich vielleicht verändert, der Standpunkt des Spielers hat sich verändert usw. Da wird mir der Standpunkt nicht so klar wie durch eine kurze OOC-Grimasse. Was aber nicht heißt, dass es nicht prinzipiell geht.
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Offline Arbo

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Re: Lenkt die In Game Ebene vom eigentlichen Problem ab?
« Antwort #12 am: 5.05.2006 | 22:47 »
Muss ich ein Ars**l*** sein, um eines zu spielen? Muss ich ein Engelchen sein, um eines zu spielen?

Ich denke nicht. Trotzdem kann das alles miteinander zu tun haben. Und unterbewusst vielleicht sogar viel mehr, als einem lieb ist ;) Ansonsten frage ich aber, was das für eine Rolle spielen soll, was ich als Spieler - persönlich - denke.

Und im Grunde zielt ja die ganze Frage auch auf genau das ab - die persönliche (intime) Ebene.

Was nun, wenn die Reflexionsfläche fehlt? Was soll die Kenntnis von insbesondere kontroversen Sichtweisen bringen, wenn diese nicht - richtig - diskutiert werden? Ohne diese Reflexion verkommt solch ein Spiel praktisch zum Seelenstriptease, zur Selbstdarstellung und Voyeurismus ... und das kann sehr schnell einseitig werden.

Zudem gibt es Wahrnehmungsunterschiede im Rollenspiel, die dafür sorgen, dass selbst eine "Diskussion im Spiel" zu Verzerrungen führen kann. Insofern habe ich so meine Zweifel, ob Rollenspiel die geeignete Reflexionsfläche bietet, um prinzipiell bestimmte Dinge über andere Personen in Erfahrung zu bringen (dass man sich im Spiel auch irgendwie kennen lernt, bestreite ich natürlich nicht ;) ).

Also wenn sich jemand mit anderen Leuten über bestimmte Sichtweisen unterhalten möchte, rate ich daher eher zu einem "Gespräch unter Freunden". Und wenn man da sympathische Leute kennen gelernt hat, kann man ja gerne zusammen RPG spielen. RPG als ausschließliches Mittel zum Zweck fände ich diesbezüglich etwas hinterfotzig.

-gruß,
Arbo
« Letzte Änderung: 5.05.2006 | 22:49 von Arbo McIntosh »
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