na wenn man etwas nicht ist, kann man es auch nicht spielen..
Komisch... ich bin bestimmt kein Krieger, aber ich spiele einen. Im Gegensatz zu mir kann der kaempfen und reiten. Deshalb spiele ich ja am Tisch und nicht beim LARP -
weil ich am Tisch alles "sein" kann, was ich nicht so bin: riesig, rothaarig, schlau, verkrueppelt, empathisch, ueberlegen, gierig, freundlich, winzig, schweigsam, kaempferisch, stark, schwatzhaft, geschickt, glatzkoepfig, schnell, verheiratet, kuehl, intuitiv, witzig, ruhig, unfreundlich, taktisch, gewitzt, besonnen, unbesonnen, extrovertiert, introvertiert... was auch immer.
Wieso um alles im Rollenspiel sollte es da einen Unterschied machen, ob ich "Waffenfertigkeiten" oder "kommunikative Fertigkeiten" simuliere? Wenn mich einer fragen wuerde,
wie ich denn nun mein Schwert handhabe, um die vorgeschlagene Aktion hinzubekommen, wuerde ich doch genauso stottern wie der von seiner Persoenlichkeit her nicht so sichere Spieler eines Barden, wenn es um ein Lied geht. Wenn mich keiner fragt - warum sollte einer
ihn fragen? Ich wuerfele, er wuerfelt ("fortune in the middle"), und dann beschreibt eben jeder, was er macht: Ich behaupte, mein Schwert haette den andern verletzen koennen, und er behauptet, er haette mit seinem Lied die Herzen geruehert. Wenn die Wuerfel das so gesagt haben, wird es wohl so sein.
Fuer mich ist Rollenspiel auch die Spielwiese, auf der ich mal antasten kann, wie es waere, anders zu sein - ob andere dann wohl anders auf mich reagieren, und wenn ja, wie? Wenn ein introvertierter Spieler mal "anschmecken" will, wie es waere, etwas aus sich herauszugehen, und einen entsprechenden Charakter entwirft - dann werden meine SCs und bevorzugt meine NSCs auf ihn reagieren als auf einen extrovertierten Charakter (so gut ich mir das eben vorstellen kann). Wenn ein Schwaetzer einen schweigsamen Kameraden spielen will, wird er eben von Zeit zu Zeit darauf hingewiesen, dass - oder gefragt, ob - er vielleicht gerade doch geschwiegen hat, weil das seinen gespielten Charakter entspraeche.
Die dazu notwendige Beschreibung liegt dann halt eine "kommunikative Meta-Ebene" hoeher, will sagen: Der Barde singt nicht hinreissend, sondern er sagt, dass er hinreissend singt (so wie ich ja auch nur behaupte, zu kaempfen, und nicht kaempfe). Der Schelm, der mal keinen perfekten Einfall hat, erzaehlt halt keinen Witz, sondern sagt, dass er einen (laut Wuerfel) guten Witz erzaehlt. Und der redselige Spieler sagt dann halt, dass er geschwiegen hat...
Vice versa: Wenn der Schelmenspieler einen mE guten Witz reisst, aber der Wuerfel ihm ein mieses Resultat bescheinigt, reagiert der Betroffene eben humorlos oder der Schelm hat ein spezielles Fettnaepfchen erwischt, von dem er nichts wissen konnte. Wenn mir einer der Waffenexperten hier erzaehlt, was er tun koennte, und die Wuerfel nicht so wollen, hilft ihm das ja auch nicht.
Kurz:
Fuer den gespielten Charakter gelten die Werte, die er in der Fiktion hat, nicht die Werte seines Spielers.
Je mehr die Umsetzung des erwuerfelten in der Immersion bleibt, d.h. "ausgespielt wird", desto besser finde ich das, aber wenn jemand etwas nicht ausspielen oder gut beschreiben kann, bedeutet das keine Einschraenkung fuer
ihn, sondern nur fuer die Immersion.
Jeder kann und darf
alles probieren, wenn er moechte - das gehoert zur Freiheit und zum Reiz des "Zettel-und-Stift"-Rollenspiels fuer mich essentiell dazu.