Je länger ich diesen Thread mitverfolge, umso mehr erkenne ich, wie ich selbst mit dem sogenannten Abenteuerrollenspiel hadere.
Fredi beschreibt einen Stil, der sehr auf den Hack'n'Slay Aspekt zusammengestrichen ist. Der Rest bei solch einer gedachten Rollenspielrunde ist im Prinzip Beiwerk, der weggelassen werden kann, da er nicht wirklich entscheidend ist -- er ist zwar ganz nett und man kann damit Abende füllen.
Doch im Grunde genommen haben alle Nebentätigkeiten (Charakter ausspielen, Intrigen, Rätsel lösen, ...) nicht mehr Funktion als die SCs für den nächsten Kampf vorzubereiten und hineinzuführen. Für den eigentlich Kern des Spiels sind diese Nebentätigkeiten aber nicht entscheidend: ein SC kämpft laut mechanischen Regeln nicht anders, weil der Oberbösewicht-of-the-Day seine/ihre Mutter einst vor Jahren getötet hat, oder weil der SC in einem ausgespielten Dialog mit dem O-o-t-D diesen mit einem schnippischen Kommentar über dessen unedlen Abstammung in seinem Reinblut-Wahn empfindlich gekränkt hat. Nichtsdestotrotz sind solche Dinge wichtig, weil sie in irgendeiner Form und Weise die passende "Stimmung" vermitteln, und die Spieler sind mehr bei der Sache.
Ich spiele gerne Abenteuerrollenspiele. Ich weiss, dass die Nebentätigkeiten nicht entscheidend sind und kann recht locker damit umgehen und nehme sie nicht zu ernst. Ist halt wie ne Farbe: ich kann eine Wand grün, gelb oder oktarin streichen, im Grunde genommen bleibt es immer noch eine Wand, auch wenn jetzt z.B. ein Baum drauf gemalt wurde. Aber "Farbe" muss halt da sein, denn eine graue Wand ist auch irgendwie doof.
Fredi hat, um seinen Punkt zu verdeutlichen, zum Mittel der Übertreibung und Vereinfachung gegriffen (das macht man, wenn man logisch sauber, irgendwie wissenschaftlich und nachvollziehbar argumentieren will) und nun halt eine graue Wand beschrieben.
Und da kann ich nur sagen: jau, Computer können viel grössere, stabilere und wandigere Wände bauen. Andererseits gebe ich auch der Gegenseite recht: Pen&Paper-Rollenspiele können tolle, bunte Wände produzieren. Und auch ich mag bunte Wände (mit gemalten Bäumen drauf).
Ich habe nun selbst ein kleines Problem mit der Art und Weise wie viele Spieler an Abenteuerrollenspiele rangehen: es kam häufig vor, dass Mitspieler nicht verstanden -- um mal weiterhin in meinem bescheuerten Bild zu bleiben -- dass es im Grunde darum ging erstmal eine Wand zu errichten. Stattdessen entstand ein Werk, das aus einer dicken, mehrlagigen Schicht Farbe und hier und da sogar noch einem Stück alter Tapete bestand, von Ziegeln allerdings keine Spur.
Also ein klassischer Fall von Am-Abenteuer-vorbeigerannt. Toller Plot, super interessante Gegner, klasse taktische Herausforderungen, der SL hervorragend vorbereitet, hat alle fiesen Zauber des O-o-t-d memoriert, und trotzdem ist das Abenteuer irgendwie kacke.
Der Abend wird mit Dingen gefüllt, die im Grunde redundant und nicht tragend sind, also keine im mechanischen Regelsystem etablierte Bedeutung fürs Spiel haben. Und wenn man einen ganzen Abend nur bedeutungslosen Krams produziert hat, dann stellt sich das taube, müde, schahle Gefühl ein, dass man nichts geschafft hat.
Als konkretere Beispiele aus meiner Erfahrung: (A)D&D(2|3|3.5)-Sitzungen, bei denen Spieler nicht aufhören konnten ihren Charakter auszuspielen während alle anderen längst ihre Pferde fürs Abenteuer gesattelt hatten, oder wo sich Spieler bescheuerterweise darüber stritten, dass ein SC den anderen SC ingame "dummer Zwerg" genannt hatte. Baaah, und dann erst diese Paladin-Codex-Gesinnungs-Diskussionen
Gegenrichtung geht auch: DSA3 Sitzungen, bei denen Mitspieler am liebsten alle NSCs killen wollten, und die keine Sekunde drüber nachdachten mal etwas "stimmungsvolles" beizutragen.
Gerade wegen solcher Erlebnisse versuche ich bestimmten Gruppen und Leuten aus dem Weg zu gehen, wenn's um abenteuerrollenspiel-lastiges RPG geht: SIE. KÖNNEN. ES. EINFACH. NICHT. Leider ist das Abenteuerrollenspiel bei vielen verbreiteten, klassischen Spielen der Default, (und aus den Köpfen der Rollenspieler ist es auch sehr schwer zu entfernen) so dass ich jetzt weniger spiele, als ich tatsächlich könnte. Und wahrscheinlich bin ich nach gut 5 Jahren D&D gesättigt. Japp, ich bin ein ganz schön anspruchsvolles Luder
.
Was unterscheidet mich von Fredi? (Und wieder das Bild von der Wand) Nun, er macht sich nichts aus der schicken aber redundanten Farbe, wo ich dem ganzen trotzdem ne Menge Spass abgewinnen kann. Und Computer sind mir zu mechanisch -- und als Sysadmin habe ich eh schon zu viel mit den elektronischen Rechenknechten zu tun.
MfG, Purzel
P.S.: Nun bin ich mal gespannt: ich habe Fredi Recht gegeben und am klassischen Spiel, wie es häufig praktiziert wird, herumgebasht aber gleichzeitig das Abenteuerrollenspiel als funktional und spassig bezeichnet und auch so gespielt. Werden die Leute mich nun streicheln oder hauen?