2b. Nein, es ging nicht um "Shadowrun Stripped". Nicht mal ein bisschen.
Ich hatte den Eindruck weil dieser Thread einen Tag nach der Vorstellung von SR stripped kam und du teilweise die gleichen Formulierungen wie ich verwendet hast (z.B. "relevante Informationen sammeln"). War dann wohl Koinzidenz und/oder unterbewußte Beeinflussung. Ist auch nicht wichtig für das Thema, sondern war nur Neugier.
3. [...] Und wenn man anderer Meinung ist, würde mich interessieren: Was macht denn am P&P mehr Spaß als am Computer? Was kann das Rollenspiel, was der Computer nicht kann? Warum spiele ich? Und besonders im zweiten Fall würde ich gerne mehr hören als nur die abgedroschenen Floskeln "Mehr Freiheit" und "Aber mein Charakterspiel...". Wenigstens etwas ausformulierter und detaillierter dürften die Punkte sein.
Auch wenn Gegenfragen billig sind: Warum machst du dir die Mühe thematisches Rollenspiel zu betreiben, anstatt thematische Kurzgeschichten in die Textverarbeitung zu hacken? Ich bin mir sicher dass man zumindest einen Teil der Antwort auf diese Gegenfrage auch auf ARS projizieren könnte.
Tatsächlich ist das von dir als "abgedroschene Floskel" abgewatschte "Aber mein Charakterspiel..." ein sehr wichtiger Punkt der für ARS spricht.
Ich will Atmosphäre. Ich will Charakterspiel. Ich will nachvollziehen können was mein Charakter denkt. Kurz: Ich will Emotionen
Was ich aber nicht will sind Emotionen als
Selbstzweck.
Ich will immer noch ein Ziel für das ich arbeiten, bluten und schwitzen kann.
Ich will immer noch zeigen dass ich dicke Cojones habe.
Ich will immer noch meinen Mitspielern zeigen was ich drauf habe.
Warum greife ich dann nicht zur Reinform eines Computerspiels? Weil ich zusätzlich Emotionen haben will. Schließlich greife ich für Monty Haul in Reinform auch nur an besonders nostalgischen Tagen zu Zangband statt zu Diablo. Beide bieten wirklich nichts als Monty Haul, aber Diablo liefert mir wesentlich bessere Grafik und Soundeffekte, was das Spiel auf einer weiteren Ebene interessant und unterhaltsam macht.
Da die WM vor der Tür steht nehme ich mal Fußballbeispiele:
Angola gegen Schweden ist vielleicht ein tolles Fußballspiel, aber es berührt mich nur auf einer abstrakten Ebene. Die beiden Länder haben keine gemeinsame Geschichte, und am Verlauf und Ergebnis des Spiels hängt nicht mehr als die Frage welches der beiden für mich uninteressanten Länder in die nächste Runde vordringen kann. Ich kann sicher darüber parlieren wie schön dieses Tor oder wie elegant dieser Hackentrick war, aber es berührt mich auf emotionaler Ebene nicht wirklich.
Deutschland gegen Schweden? Das ist schon interessanter, denn zu Deutschland habe ich eine emotionale Bindung. Hier kann ich das Spiel nicht nur auf einer abstrakten Ebene erfassen, sondern ich kann wirklich mitfiebern weil für mich wirklich etwas auf dem Spiel steht. Bei Erfolg kann ich Freude darüber fühlen dass "wir" weitergekommen sind, bei einer Niederlage kann ich Enttäuschung darüber spüren dass "wir" ausgeschieden sind.
Deutschland gegen England? Da wird es erst so richtig interessant, denn hier ist es nicht nur die Sorge um den Erfolg meiner Mannschaft. Hier ist die Erinnerung an das verlorene Endspiel '66 mit am Werk. Bei Erfolg ist es nicht nur die Freude darüber dass "wir" weitergekommen sind - es ist auch Schadenfreude darüber dass "die Engländer" nicht weitergekommen sind, und Befriedigung von Rachegelüsten, da "wir" es den Inselbewohnern heimzahlen konnten.
Mit ARS ist es ähnlich. Wenn es nur darum geht ob mein Straßensamurai #69 den High-Tech-Dungeon #365 überstehen kann - dann ist es wie das Spiel Angola gegen Schweden. Auf abstrakter Ebene ist es vielleicht interessant, aber es berührt mich emotional nicht wirklich.
Wenn es aber nicht um meinen Straßensamurai #69 geht, sondern um Sara Rising Sun, eine indianische Elfe die aus ihrer patriarchalischen Kultur in den Sprawl geflohen ist um einer Zwangsheirat zu entgehen, und davon besessen ist zu beweisen dass sie eine vollwertige Kämpferin sein kann - dann hängt mehr an der Herausforderung. Sie ist nicht einfach nur eine Spielfigur die ich vielleicht aufmotzen kann oder vielleicht verlieren, sie ist etwas womit ich mich identifzieren kann, und wenn sie gewinnt dann gewinne ich weitaus stärker mit, und wenn sie verliert dann verliere ich weitaus stärker mit. Mein Ego hängt gleich deutlich stärker mit drin. Ab dem Zeitpunkt ist es wie das Spiel Deutschland gegen Schweden.
Und wenn der Feind dann nicht einfach nur High-Tech-Dungeon #365 ist, sondern die Botschaft von Saras verhasstem Heimatland, oder eine Anlage des Konzerns dessen Waffen-SS in der letzten Sitzung Saras beste Freundin getötet hat - dann hängt noch viel mehr von Erfolg oder Niederlage ab, und es ist wie das Spiel Deutschland gegen England.
Kann mir ein Computerspiel den gleichen Kick geben?
Nein. Hier habe ich nicht Sara Rising Sun, hier habe ich entweder einen seelenlosen, sterilen Pöppel (Monty-Haul-Spiele wie Zangband oder Diablo) oder ich bekomme Charaktere, Stories und Konflikte aufgedrückt die ich nicht im geringsten beeinflussen kann (Computerspiele mit Story).
Kann mir Stimmungsspiel den gleichen Kick geben?
Nein. Ich will keinen Erzählonkel bei dem ich lange Charakterisierungs- und Stimmungsszenen spielen darf - ich will ein herausforderndes Ziel. Ich will Siege und Niederlagen meiner persönlichen Leistung zuschreiben können und nicht dem Skript.
Kann mir kooperatives thematisches Spiel den gleichen Kick geben?
Nein. Ich will kein "Let's toss a ball around" (Designer X), ich will Gewinner und Verlierer. Ich will auch keine Kleinkunst schaffen indem ich mich zentralen menschlichen Konflikten stelle, ich will ein bodenständiges, ehrliches und sportliches Match.
Emotionen sind der gewichtigste Grund warum ich lieber ARS als ACS spiele. Freiheit, Offenheit der Welt und Flexibilität sind mir auch wichtig da das das taktische Element erweitert und vertieft, aber die Emotionen die mit drin stecken sind das wichtigste für mich.
(Ich hoffe das ist ausführlich genug und nachvollziehbar, obwohl ich auf eine "abgedroschene Floskel" zurückgegriffen habe.)