Danach wäre aber alles Politik. In den beschriebenen Fällen gibt es zunächst einmal (typischerweise) keine höhere Instanz als den Kapitän.
Solange man auf dem Schiff ist, hast du (teilweise) recht.
1) Der Kapitän ist zwar auf dem Schiff das, was der Kaiser auf dem Land ist. - Aber wie der Kaiser auf dem Lande muss der Kapitän auf dem Schiff achtgeben, was er tut, damit seine Untergeben nicht unzufrieden werden.
2) Es gibt vielleicht nicht nur Besatzung, sondern auch Passagiere. Denen kann der Kapitän nicht so einfach Befhele erteilen.
3) Der Kapitän ist der Chef an Bord. Was ist aber, wenn das Schiff gestrandet ist? Wer sagt denn, dass der Kapitän noch immer der Chef ist? Vielleicht fühlen sich einige Besatzungsmitglieder/Passagiere eher berufen, die Leitung zu übernehmen. Hier muss der Kapitän dann auch durch soziale Interaktion beweisen, dass er etwas als Anführer taugt.
Es bleibt also nur die Meuterei und als Vorbereitung dabei die Suche nach Mitmeuterern - falls man selbst nicht stark genug ist das Ding durch zu ziehen. Das ist einmal eine einmalige Sache und die soziale Interaktion meines Erachtens nur Beiwerk zur eigentlichen Herausforderung der Meuterei.
Die Meuterei ist eine einzelne Sache.
Aber du behandelst das "Suchen nach Mitmeuterern" in einem Nebensatz. Meines Erachtens wäre dass der Haupt-Fokus in diesem Abenteuer.
Das ist mir noch zu oberflächlich, bzw. es sind nur Schlagworte zu/ Schnappschüsse von (zu) kleinen Einzelelementen aus dem großen Gesamtbild, um für ein Spiel nutzbar zu sein.
Da ist das Problem:
Da die Spieler große Handlungsfreiheit haben, kann ich dir schlecht eine ganze Kampgane erzählen. - Denn meine Schlagworte sind ja auch nur Aufhänger. Wie sich die Kampagne entwickelt, hängt doch total von den Spielern ab. - Vielleicht verbünden sie sich mit den Allierten oder den Russen. Vielleicht kapitulieren sie. Vielleicht kämpfen sie weiter. - Vielleicht fliehen sie/wandern sie aus.
Was genau passiert, hängt von den Spielern ab. Und deswegen ist es schwer, hier eine ganze Kampagne zu erzählen.
Das einzige, was man machen könnte wäre zu sagen: Wenn die SCs so handeln, dann würde die Umwelt so reagieren. Wenn die SCs darauf hin so reagieren, dann würde das passieren etc.
Die meisten Punkte weren mehr neue Fragen auf, als sie beantworten:
wen und womit bestechen, wie sieht so ein Einfluss letztendlich aus, wie komme ich in Schlüsselpositionen, was kann ich da dann tun.
Das sollen sich ja die SCs überlegen.
Wäre ja langweilig, wenn man ihnen ein Buch vor die Nase setzt mit dem Titel: "Bundeskanzler werden in 10 Schritten"
Schritt 1: Bestechen sie diesen und jenen
Schritt 2: Besorgen sie sich Belastungsmaterialv on xyz
Schritt 3: ...
Hier sollte sich der SC bzw. Spieler schon selber überlegen, wie er in eine Schlüsselposition kommt.
Es müßte jeder Vertreter wissen, was die Einstellung/Ziele und die Ressourcen seiner Fraktion sind (zusätzlich zu den eigenen).
Muss er das?
Eine Fraktion besteht aus einem Zusammenschluss von Leuten, die ein gemeinsames Interesse haben. Das gemeinsame Interesse ist imho recht klar (und kann sich im Verlauf der Kampagne evtl. ändern).
Die anderen Interessen der einzelnen Mitglieder sind nicht unbedingt klar.
Nehmen wir den SC, der Polizeichef ist.
Das gemeinesames Interesse der Polizei ist recht offensichtlich: Für Recht und Ordnung soprgen und die Kriminalität bekämpfen.
Wie der einzelne Polizist dazu steht, ist aber unbekannt: Vielleicht sind einige von der örtlichen Mafia bestochen und drücken ein Auge zu.
Wieder ein anderer Polizist sympathisisert mit den Alliierten.
Der dritte Polizist ist aus Überzeugung zur Polizei gegangen und erledigt seinen Job mit vollem Elan.
Der 4. Polizist hat den Job nur des Geldes wegen angenommen und weil dies eine Möglichkeit war, sich vor dem Kriegsdienst zu drücken.
Der 5. Polizist ist Karrieregeil und will den Posten des Polizeichefs.
Was also die Einzelmotivationen der Polizisten sind, ist dem Polizeichef unklar.
Dazu müßte er wissen, welche Rechte und Pflichten sich nominell aus seiner Position ergeben. Es müßte auch eine Vorstellung darüber geben, wie die Posten überhaupt besetzt werden, um ggf. Leute auszutauschen oder sich gegen Absetzungsversuche zu wehren.
Ja, das sollte er wissen. Das sind allerdings Setting Beschreibungen und nicht Teil des Regeltextes.
Möchtest du das von uns hören? Was für Posten gibt es, und wie werden diese vergeben?
Des weiteren bräuchte man Mechaniken, um festzustellen in wie weit die eigene Fraktion aktiviert werden kann. Dazu kommt und ist verbunden die öffentliche Meinung und ihre Manipulation.
Wozu Mechaniken?
Imho ergibt sich das recht offensichtlich aus dem Hintergrund.
Man braucht keinen einzigen Regelmechanismus, um festzustellen, ob sich die Presse jetzt einschaltet oder nicht falls man selber Pressechef ist.
Falls man kein Pressechef ist, ergibt sich das aus dem Loyalitätswert: Du machst eine Probe auf die Loyalität des Reporters (deiner Verbindung im Pressewesen).
Gelingt die LO Probe, wir er sich der Sache annehmen und ein paar Artikel veröffentlichen.
Misslingt die Probe, hat er gerade interessantere Sachen vor.
Oder du verzichtest auf den LO Wurf und spielst das Gespräch mit dem Reporter aus.
Je nach Entwicklung der Lage müßte es auch Vorstellungen über die allgemeinen Ressourcen geben, z.B. um fest zu stellen, ob man den Ort doch verteidigen könnte oder zumindest den Anschein erwecken könnte dazu in der Lage zu sein um günstigere Verhandlungen führen zu können.
Ja, aber das hat dann wenig mit Politik/Intrige zu tun, sondern geht dann wieder in den Bereich Taktik.
Und hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als SL ganz einfach improvisieren kann.
Wenn mich ein Spieler fragen würde: "Wie sieht es eigentlich mit der Verteidigungskraft unserer Stadt aus?", würde ich ganz spontan antworten: "ca. 400 Frauen, 100 Männer im Wehrfähigen Alter, 40 Greise, 50 Kinder zwischen 14 und 18 Jahren, 400 Kinder unter 14 Jahren.
Die 100 wehrfähigen Männern bestehen aus: 8 Polizisten, 3 Verbrecher im Knast, 20 Veteranen aus dem 1. Weltkrieg, 20 Ausländer, 30 Leute mit einer Waffe aber ohne militärische Ausbildung, 10 Ärzte, 10 Leute ohne Waffe.
Dazu kommen noch einige Flüchtlinge von der Front (vermutlich einige Deserteure unter ihnen). Ihr könnt ihre Zahl nicht genau sagen, schätzt sie aber auf ca. 50 Männer.
Des Weiteren hat die Innenstadt natürlich eine Mauer. Der Hauptteil der Stadt liegt allerdings außerhalb der Mauer. Geographische Lage ist *blablub* (Da ich in einer echten Stadt spielen würde, hätte ich vorher die Stadt schonmal auf einer Karte rausgesucht und würde ihnen jetzt die Landkarte präsentieren.)"
So, das wäre das, was ich in dem Augenblick frei improvisiert hätte und den Spielern dann als Fakten vorlege. Auf Nachfragen, gebe ich ihnen auch gerne Auskunft: Wieviele Gewehre gibt es im Polizeipräsidium? Hat die Stadt eine Kaserne? Wenn ja, ist dort noch Kriegsgerät vorhanden?
Wo befinden sie deutsche militärische Einheiten in der Umgebung? etc.
Und wenn man Lust auf ein Taktik-Spiel hat, kann man gerne noch weiter in's Detail gehen. Aber für ein Intrigen-Spiel sind diese Informationen vollkommen ausreichend.
Der Spielleiter müßte entsprechende Informationen nun auch noch für weitere Fraktionen bei Freund und Feind besitzen und Informationen um deren Reaktionen ermitteln zu können, z.B. auf Bestechungsversuche etc.
Auch hier kann ich nur sagen: Improvisation ist dein Freund!
Man kann hier eine kurze Plausibilitätsüberprüfung machen:
Flogen irgendwelche gegnerischen Flugzeuge über der Stadt? Hat diese Stadt einen gegnerischen Spion? Falls du beides mit Nein beantwortest, hat der Gegner vermutlich kein Wissen über die Verteigungsstärke.
Falls der Gegner Luftaufklärung einsetzt, überlege ich mir kurz, was man aus Flugzeugen (die wegen Flak hauptsächlich nachts fliegen) so alles sehen kann.
Falls in der Stadt ein Spion haust, dann würde ich diesen Spion schon vorher genauer ausarbeiten (auch mit Motivation, Fähigkeiten etc.) und dann hängt es vom Spion ab, wie gut die Informationen sind.
Falls du dich für das Setting des 2. Weltkrieges interessierst, kann ich gerne auch interessante NSCs (wie z.B. den Spion) ausarbeiten. - Ansonsten verzichte ich darauf.
Um aber Entscheidungen treffen zu können muss man Informationen haben. Da die wenigsten Leute wirklich die Kenntnisse ihres Charakters haben, müssen diese Informationen formalisiert werden und so über die Regeln allen Beteiligten zur Verfügung stehen.
Aber gerade Formalisierung zerstört den SIS.
Wenn man dagegen jedem Spieler ein bißchen Hintergrundbeschreibung für seine Fraktion liefert, dann kann er diese auch viel besser ausspielen und alles wirkt viel lebendiger.
Wenn du Politik zu sehr formalisierst, hast du im Prinzip den gleichen Mechanismus wie im Kampf nur mit anderen Namen.
Nicht Rollenspiel würde ich etwas eher nennen, wenn die Regeln so grob werden, dass der Inhalt der SIS bzw. deren Wechselwirkungen nicht mehr ausreichend abgebildet werden, Entscheidungen also trivialisiert werden oder gar nicht mehr sinnvoll möglich sind.
Also ich sehe etwas als Rollenspiel, wenn der SIS sehr stark ist.
Wenn Entscheidungen also aus dem SIS heraus stattfinden, dann ist das RPG.
Wenn die Entscheidungen jedoch aus den Regeln heraus stattfinden und der SIS auf die Entscheidungsfindung keinen Einfluss mehr hat, dann ist das kein RPG mehr.
Und da habe ich nunmal die Erfahrung gemacht: Je stärker Regeln ausgearbeitet sind, desto weniger entscheidet man aus dem SIS heraus. - Man fängt immer stärker an, über die Regeln zu argumentieren.
(Das andere Extrem sind dann die regellosen RPGs, die überhaupt keine Regeln kennen und wo alles aus dem SIS heraus begründet wird.)
Auch ein RPG mit Fokus auf taktische Gefechte kann keine Realität abbilden, aber ein einfacher Wurf Gefecht gewonnen oder nicht, möglichst noch ohne Berücksichtigung möglicher Taktiken oder externer Einflüsse und Ausrüstung ist am Ende ein Würfelspiel. Mit der Formalisierung über Regeln erlaubt man allen auf gemeinsamer Basis am Spiel teil zunehmen und unter dem gewählten Fokus Entscheidungen zu treffen.
Ein einzelner Wurf beim Gefecht ist ein Würfelspiel, da hast du recht.
Aber wenn du die Regeln jetzt verkomplizierst, erhälst du ein TableTop, ein Taktikspiel oder ein Co-Sim.
Ein Würfelspiel wird nicht dadurch RPG-mäßiger, dass du mehr Regeln einführst.
Im Gegenteil: Ein Würfelspiel wird RPG-mäßiger, wenn du die Regeln in den Hintergrund drückst und sagst: "Anstatt zu würfeln, beschreibe doch einfach mal, was dein SC so macht."
Also die Regeln runterdrücken und den SIS stärken.