Autor Thema: Don’t Rest Your Head – A Game of Insomnia in the Mad City  (Gelesen 2633 mal)

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Offline Fredi der Elch

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Name: Don’t Rest Your Head
Verlag: Evil Hat Productions (die Jungs von FATE und Dresden Files RPG)
Autor: Fred Hicks
Preis: 14.95$ (84 Seiten), 7.95$ (PDF), beides bei Lulu.com
Format: Softcover, 6 x 9 Inch (das ist zwischen A4 und A5), 144 Seiten


Don’t Rest Your Head ist, wie der Untertitel schon verrät, ein Spiel um Insomia und Wahnsinn. Es geht um eine Welt zwischen Wachen und Schlafen in der sich die Erwachten (also die, die nicht mehr schlafen können) verfangen und in der sie ihre Ziele erreichen wollen.

Aufmachung

Das PDF hat (wie das Softcover) einen farbigen Umschlag und ansonsten sehr stimmungsvolle schwarz-weiß Abbildungen. Insgesamt fängt das Buch das Gefühl der Nacht und des Wahnsinns gut ein. Schönes Layout, schöne Schrift, insgesamt nett anzusehen. Es ist sicher kein WW oder WotC, aber es kann sich durchaus sehen lassen und wirkt durch die Abbildungen ca. alle 5-6 Seiten auch nicht überladen.

Inhalt

DRYH beginnt mit einem Spielbeispiel. Das hat den Vorteil, dass man sofort einen Eindruck vom tatsächlichen Spielablauf bekommt. Der Nachteil ist, dass man den Einsatz der Regeln noch nicht nachvollziehen kann, da man die ja noch nicht gelesen hat. Allerdings ist zu jeder Regel im Beispiel die Seitenzahl mit angegeben. Das macht es möglich, alles nachzuschlagen. Da sich aber Beispiel und Regeln wunderbar in einem Rutsch lesen lassen (das Beispiel hat 4 Seiten [das Beispiel gibt es auch als Teaser auf der Webseite], die Regeln knapp 20), ist es nicht so verwirrend, wie es zunächst erscheint. Allerdings sollte man das Beispiel nach Lesen der Regeln am Besten noch einmal lesen. Das hilft dem Verständnis ungemein, denn im ersten Moment wirken die Regeln etwas schwierig zu verstehen. Bei genauerem hinsehen sind die Regeln aber nicht kompliziert, sondern (für klassische Verhältnisse) nur ungewohnt.

Zuerst erfolgt die Charaktererschaffung, die sich darauf beschränkt, dem Charakter einen Hintergrund zu verpassen. Warum kann er nicht schlafen, was ist ihm passiert, was ist der Pfad, den er beschreiten wird und vor allem: was ist genau jetzt vorgefallen. Die letzte Frage bietet den Einstieg in das Abenteuer, ist also der „Kicker“ für den Start. Der Spieler legt also selber fest, wie er in das Abenteuer starten möchte. Zusätzlich legt der Spieler ein „Exhaustion-Talent“ und ein „Madness-Talent“ fest (eine natürliche und eine übernatürliche Fähigkeit). Interessanterweise werden auch noch „Responses“ festgelegt, also wie der Charakter im Fall von kurzzeitigem Wahnsinn reagiert (Angriff oder Flucht). Damit ist der Charakter schon spielbar.

Die Regeln sind einfacher als sie sich zunächst anhören. Der Spieler würfelt immer mit drei verschiedenen Arten von (sechsseitigen) Würfeln: Discipline, Exhaustion und Madness, der SL hat immer eine Sorte Würfel: Pain. Jede Würfelsorte bekommt dabei ihre eigene Farbe.

Die Würfel mit Ergebnis 1-3 zählen als Erfolg. Hat der SL mehr Erfolge als der Spieler, erreicht der Spieler sein Ziel nicht, ansonsten erreicht der Spieler es. Aber in den Würfeln steckt noch mehr. Die Farbe mit dem höchsten Würfelergebnis (also vermutlich mit den meisten 6ern) dominiert den Wurf. Dies zeigt, wie das Ziel erreicht (oder nicht erreicht) wurde und färbt somit die Stimmung der Erzählung. Außerdem hat es noch regeltechnische Auswirkungen: Dominiert Exhaustion, wird der Exhaustion-Wert noch höher, dominiert Madness, muss der Charakter so reagieren, wie bei der Erschaffung festegelegt. Dominiert Pain, erhält der SL ein Despair-Token, dass er den Spielern später noch um die Ohren hauen kann. Die Talente können dann noch eingesetzt werden, um die Ergebnisse zu modifizieren.

Die Zahl der Discipline-Würfel steht immer fest. Die Zahl der Exhaustion- und Madness-Würfel ist aber variabel. Der Spieler kann den Exhaustion-Wert erhöhen (aber nicht senken! – außer durch aufwändigere Erholung), schläft aber bei einem Wert von 7 ein (was fast dem Tod gleichkommt) und er kann zu jedem Wurf bis zu 6 Madness-Würfel packen, riskiert dabei aber eine Madness-Markierung und mittelfristig den völligen Wahnsinn. Der Spieler steht so immer vor der Wahl das kurzfristige Ziel zu erreichen und dafür später zu bezahlen oder das Ziel aufzugeben (und durch die Despair-Tokens doch noch auf die Nase zu bekommen ;) ). Ob und wie viel den Spieler etwas Wert ist, hängt immer vom Konflikt, der Gesamtsituation und den Werten auf dem Charakterblatt ab. Und genau diesen Punkt in jedem Konflikt neu zu bestimmen, macht den Reiz von DRYH aus. Durch die eigentlich einfachen Regeln erreicht DRYH eine Dynamik zwischen Erfolg und Misserfolg sowie eine Spirale aus Erschöpfung und Wahnsinn, die die Stimmung des Schlaflosen, der langsam abdriftet, sehr gut einfängt.

Die Zahl der Pain-Würfel des SL hängt von der Schwierigkeit des Konflikts ab. Und hier ist schon ein Kritikpunkt am Spiel: es gibt zwar sehr gute Vorgaben dafür, wie man die Zahl der Würfel festlegen sollte, aber am Ende ist es doch eine willkürliche Entscheidung des SL (wie bei den meisten anderen Spielen auch). Hier hätte ich mir einen festen Pool der SL gewünscht, irgendeine Ressourcenbeschränkung oder eine Ökonomie, die es dem SL ermöglicht, von der Bremse zu gehen und voll einzusteigen. Denn das Spiel braucht den Druck und das Tempo des SL, damit sich das Gefühl von Stress und Panik voll entwickeln kann. Schade, dass der Autor diesen Schritt nicht unternommen hat.

Das Setting ist kurz und knackig beschrieben, regt die Fantasie an und vermittelt die Stimmung gut. Es bleibt allerdings relativ kurz und lässt vieles offen und dem SL damit viele Freiräume. Das gefällt mir insgesamt sehr gut, da es Ideen liefert und dennoch nicht in romanhafte Settingbeschreibungen abdriftet.

Abgerundet wird das Buch mit Tipps für den SL, wie er aus den Hintergründen der SC ein Abenteuer zusammenbasteln kann und wie ein Spiel von DRYH ablaufen sollte. Hier hätte ich mir allerdings deutlich mehr gewünscht. Es werden zwar einige Hinweise gegeben, aber der SL wird doch ziemlich allein gelassen. Im Klartext heißt das, dass DRYH mehr Hinweise und Anleitung gibt, als die meisten Rollenspiele auf dem Markt. Aber da ich jede Spielanleitung leider mit dem überragenden Dogs in the Vineyard  vergleichen muss, kommt DRYH eben doch nicht optimal weg. Eine klarere Struktur des Abenteuers, Szenenideen und Abläufe, bessere Verbindungen zu den Zielen der Charaktere (verbunden mit einer besseren Charaktererschaffung mit mehr Flags), Tipps für Metaphern was die Albtraummonster angeht, usw. wäre echt nett gewesen. Dafür hätte ich auch liebend gerne auf das Setting verzichtet (auch wenn es nett ist).

Wie funktioniert das?

Ich habe es leider noch nicht gespielt, hoffe aber, dass ich demnächst mal dazu kommen werde (Interessenten für eine TS-Runde bitte per PM melden! :) ). Auf den ersten und zweiten Blick passen die Teile aber sehr gut zusammen.

Bewertung, eigener Eindruck

DRYH macht Lust zu spielen. Das Setting regt die Phantasie an und die Regeln machen den Eindruck, dass sie das Tempo, den Wahnsinn und die gehetzte Schlaflosigkeit der Protagonisten gut einfangen können. Leichte Schwächen gibt es im SL-Bereich. Dem SL werden „klassisch-typisch“ einige Aufgaben komplett aufgehalst und IMO zu wenige Tipps dazu gegeben, wie man die Aufgaben optimal meistert. Verglichen mit anderen Spielen erklärt DRYH sehr viel, verglichen mit dem, wie es optimal sein könnte, ist es mir aber etwas zu wenig.

Alles in Allem ist Don’t Rest Your Head ein wenig wie Unknown Armies – mit dem Unterschied, dass es funktioniert! UA hat ein wunderschönes Setting und auch ein, zwei interessante Ideen in den Regeln, aber weder unterstützen die Regeln den Kern des Spiels richtig, noch werden dem SL irgendwelche Hilfen an die Hand gegeben, das Spiel abseits vom klassischen „Auftragsspiel“ zu gestalten. DRYH erreicht im Gegensatz dazu seine gesteckten Ziele (fast – der SL-Teil ist deutlich besser als bei UA, könnte aber noch besser sein). Insgesamt ist DRYH eine wilde Mischung aus Kult, Matrix und Unknown Armies mit Regeln, die den angestrebten Spielstil auch unterstützen. Für jeden Fan der genannten Spiele / Genres ist DRYH auf jeden Fall einen Blick wert.
« Letzte Änderung: 9.07.2006 | 12:33 von Fredicor Elchgalopp »
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Schöne Rezi.

Zitat
Und hier ist schon ein Kritikpunkt am Spiel: es gibt zwar sehr gute Vorgaben dafür, wie man die Zahl der Würfel festlegen sollte, aber am Ende ist es doch eine willkürliche Entscheidung des SL (wie bei den meisten anderen Spielen auch).

Was sind denn das für Vorgaben?

wjassula

  • Gast
Das klingt ja cool! Danke, dass du mich auf dieses Spiel aufmerksam machst...und ca. 8$ fürs pdf ist ja auch nicht viel. Ich hätte Lust auf eine Netzrunde...

Offline Fredi der Elch

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Was sind denn das für Vorgaben?
Bei nochmaligem Durchlesen ist „sehr gut“ etwas zu hoch gegriffen. ;) „Brauchbar“ trifft es wohl eher. ;D

Das Spiel gibt eine Reihe von Beispielschwierigkeiten für Monster und andere Fiesheiten. Außerdem gibt es eine Anleitung dafür, wie man neue Viecher erschaffen und ihnen Pain-Dice zuweisen kann. Am Besten finde ich die kurze Analyse, wie viel Würfel die Spieler mit verschiedenen Ressourcen zusammen bekommen können und wie schwierig deswegen bestimmte Anzahlen von Würfeln einzuschätzen sind. Das wird dadurch unterstützt, dass der SL nur die Zahl der Pain-Würfel festlegen muss und deswegen Schwierigkeiten leicht überblicken kann (im Gegensatz zu Spielen, wo man sich mit Zahl, Fähigkeiten, Lebensenergie, Ausrüstung und Kampftaktik der Gegner befassen muss). Insofern ist es relativ leicht eine brauchbare Zahl von Pain-Würfeln festzulegen.

Das Problem ist, dass das Spiel nicht erklärt, was Pain-Würfel eigentlich sind: eine Form, die Spieler unter Druck zu setzen und sie zur Wahl zwischen Exhaustion, Madness oder Nicht-Erreichen des Ziels zu zwingen. Und auch die Tatsache, dass Pain-Würfel ein Pacing-Device sind, und wie viele Würfel man deswegen an welchen Punkten der Geschichte verwenden sollte, wird nicht erklärt.

Insgesamt ist DRYH für klassische Verhältnisse ziemlich gut und von den Schwierigkeiten deutlich übersichtlicher als andere Spiele, aber ich hätte gerne bessere Richtlinien für Pain und Abenteuerstruktur bekommen. Mit einiger SL-Erfahrung lässt es sich vermutlich dennoch gut leiten (wobei ich ja lieber auf den Faktor „guter SL“ verzichten würde, da ich keiner bin ;) ).


Ich hätte Lust auf eine Netzrunde...
Cool! Ich schaue mal, wen ich noch auftreiben kann. :)
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