Autor Thema: Kleine Typografiekunde für den Alltagsgebrauch  (Gelesen 10691 mal)

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Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Wenn man an das Layout und den Satz von Printprodukten geht, sollte man vertraut mit einigen Begriffen und Gesetzen der Typografie sein. In diesem Thread soll ein kleiner Überblick über dieses weitläufige Thema geboten werden, so dass man a) auch das Kauderwelsch von Profis verstehen kann und b) einige gängige Fehler im Textsatz von Anfang an vermeiden kann. 

Bitte der Übersichtlichkeit halber hier nur Definitionen, Begriffe und Beispiele posten; für konkrete Fragen zu den Postings steht der Small-Talk-Thread zur Verfügung.
« Letzte Änderung: 20.07.2006 | 13:20 von Enkidi Li Halan »

Offline Hr. Rabe

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Re: Kleine Typografiekunde für den Alltagsgebrauch
« Antwort #1 am: 19.07.2006 | 10:49 »
Kewl. Sehr sinnvolles Thema.
Deshalb fang ich auch gleich mal an.

Hurenkind und Schusterjunge

Ist im Buchdruck eine einzelne Zeile eines Absatzes durch einen Seitenwechsel abgetrennt, sprach der Setzer entweder von einem Schusterjungen (heute: Waisenkind, englisch: orphan) oder einem Hurenkind (heute: Witwe, englisch: widow), je nachdem, ob es sich um die erste oder die letzte Zeile des Absatzes handelt.

Genauer nachzulesen auch hier.


« Letzte Änderung: 20.07.2006 | 13:02 von TheRavenNevermore »
#define EVER ( ; ; )


Dragons and Bytecode

Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Kleine Typografiekunde für den Alltagsgebrauch
« Antwort #2 am: 19.07.2006 | 11:21 »
Schriften
Es gibt zwei Hauptkategorien von Schriften, die man im täglichen Gebrauch kennen sollte: Grotesk-Schriften und Serifen-Schriften.
Groteskschriften haben eine recht gleichmäßige Strichstärke der Buchstaben und besitzen keine Serifen. Sie wirken oft kühl und technisch, da die meisten Groteskschriften nach streng geometrischen Gesetzen entworfen wurden. Groteskschriften eignen sich sowohl für Fließtexte als auch für Auszeichnungen (Überschriften), allerdings sollte man bei sehr langen Texten (Büchern) besser eine Serifenschrift verwenden (besser lesbar). Die dem PC-User vertrauteste Schrift ist vermutlich die Arial oder die Verdana.

Serifenschriften haben, wie der Name schon sagt, Serifen. Das sind feine Striche, die einen Buchstabenstrich quer zu seiner Grundrichtung abschließen (siehe Bild). Diese Striche sind für unsere Wahrnehmung eines Buchstabens sehr wichtig, denn sie machen jeden Buchstaben als Zeichen einzigartig und damit leichter zu lesen. Groteskschriften sind oft zu gleichmäßig und bestimmte Buchstabenkombinationen können vom Auge falsch gelesen werden ( "nn" in einer Grotesk könnte auch mit einem "m" verwechselt werden). Bei Serifenschriften taucht dieses Problem so gut wie nie auf (Die Courier ist jetzt ein eher schlechtes Beispiel, aber der einzige Serifen-Font, der hier im Forum zur Verfügung steht ;), aber: Das "n" der Courier ist ganz eindeutig anders als das "m"). Aus diesem Grund werden die meisten Fließtexte gerne in Serifenschriften gesetzt, man sieht sie vor allem in Büchern und natürlich in Tageszeitungen. Der dem PC-User bekannteste Vertreter der Serifenschrift ist die Times New Roman (Satzschrift der Zeitung "Times", daher der Name), die Georgia oder die Garamond.

Zusammenwirken von Schriften
Bei der Kombination von Schrifttypen braucht man ein bisschen gestalterisches Grundvermögen, aber es gibt auch einige Richtlinien, an die man sich halten kann. In den meisten Fällen hat man es als Layouter mit Fließtext und Überschriften zu tun, die man irgendwie gut zusammen setzen muss. Der Fließtext ist der Mengentext, während es sich bei den Überschriften meist nur um ein Wort oder eine Zeile handelt. Man sollte darauf achten, dass sich Fließtext und Überschrift ganz eindeutig in der Schriftwahl voneinander unterscheiden.

Das Serifen-Fließtext/Grotesk-Überschrift-Modell: Wie bereits erwähnt, wählt man für große Textmengen gerne eine Serifenschrift; um Überschriften klar vom Fließtext abzuheben, greift man dann oft zu einer Grotesk-Schrift für die Überschriften. Wenn ihr euch z.B. mal die Standard-Absatzformate anseht, die Word für ein Dokument verwendet, findet ihr diese Regel wieder: der Fließtext (Standard) ist in der Times New Roman gehalten, während die Überschriften mit der Arial in unterschidelichen Größen gesetzt sind.
Dieses Modell funkioniert sehr gut, aber man sieht es halt auch sehr oft.

Das Sonder-und Schmuckschriften-Modell: Wenn man lieber etwas außergewöhnlicheres zur Gestaltung der Überschriften haben will, greift man gerne zu einer der vielen Sonder- und Schmuckschriften für die Überschriften. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, da es eine Grundeigenschaft von Schmuckschriften ist, dass sie einzigartig sind und hervorstechen (und das sollte eine Überschrift ja erfüllen). Man sollte aber bei der Wahl der Schrift darauf achten, dass die Worte lesbar bleiben; es gibt sehr viele Schmuckschriften, bei denen das Lesen zu einem Ratespiel gerät. Sowas sollte man vermeiden - man will ja, dass der Text gelesen wird.
No-Gos: Unbedingt vermeiden sollte man Schriftkombinationen, bei denen sich die Schriftarten für Überschrift und Fließtext zu ähnlich sind also z.B. zweimal eine Grotesk-Schrift (Fließtext Arial, Überschriften Verdana; oder als Serifen-Beispiel: Fließtext Times New Roman, Überschriften Georgia). Das sieht meist nicht nur sehr komisch aus, sondern ist auch nicht eindeutig, selbst wenn man die Überschriften ganz klar durch Größe hervorhebt. 



_______________________________
In diesem Schaubild sieht man einige Begriffe aus der Schriftbeschreibung erläutert; für den normalen Gebrauch sollte man hauptsächlich wissen, was eine Serife ist und was es mit der Grundlinie einer Schrift auf sich hat.

Quelle: wikipedia.org
« Letzte Änderung: 19.07.2006 | 19:11 von Enkidi Li Halan »

Offline Skiron

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Schriftfamilie & Schriftschnitte
« Antwort #3 am: 30.09.2010 | 09:50 »
Schriftfamilie

Als Schriftfamilie bezeichnet man verschiedene Schriftschnitte, die von einem Schriftgestalter entworfen wurden (oder von einem Fontshop in Auftrag gegeben) und gut, bzw. relativ bedenkenlos miteinander kombiniert werden können.

Als Beispiel sei die Univers von Adrian Frutiger genannt.

http://aulas.pro.br/images/univers.gif
http://www.pagus.de/seminar/skript/img/font_univers.gif

Schriftschnitte

Schriftschnitte unterscheidet man nach ihrer Schriftstärke, Schriftbreite und Schriftlage.
Bekannte Schriftschnitte sind Fett (auch bold genannt) und Kursive (auch italic genannt). Im Gegensatz zur Veränderung einer Schrift durch ein PC Programm (wie z.B. Word) handelt es sich dabei um  „echte“ Schriftschnitte, d. h. eine Schrift wird nicht nur mathematisch entweder verdickt oder schräg gestellt, sondern ist im Hinblick auf die Lesbarkeit eigens entworfen worden.
Generell sollten in Druckerzeugnissen nur echte Schriftschnitte verwendet werden.

Die erste Frage bei der Suche nach einer Schrift sollte deshalb sein:
Was muss die Schrift „können“ und erfüllt die Schrift die Anforderungen die ich an sie habe?
Welche Schriftschnitte hat die Schrift, welche Sonderzeichen, wie sehen die Zahlen aus?

Dabei gilt: Ansehen, Ausprobieren und Drucken!


Offline Enkidi Li Halan (N.A.)

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Re: Schriftfamilie & Schriftschnitte
« Antwort #4 am: 30.09.2010 | 10:47 »
Im Gegensatz zur Veränderung einer Schrift durch ein PC Programm (wie z.B. Word) handelt es sich dabei um  „echte“ Schriftschnitte, d. h. eine Schrift wird nicht nur mathematisch entweder verdickt oder schräg gestellt, sondern ist im Hinblick auf die Lesbarkeit eigens entworfen worden.
Dazu ein kurzer Hinweis: Word 2007 verwendet in der Darstellung echte Kursive, sofern vorhanden (hab's eben ausprobiert, gängige Standardschriften wie z.B. die Times verwenden eine echte Kursive, wenn man auf das Kursiv-Icon klickt).

Ich hab jetzt auf die Schnelle kein gutes optisches Beispiel für echte und falsche Kursivierung gefunden, außer dem bei Wikipedia:

Das Beispiel ist deswegen nicht sonderlich gut, weil das falsche Beispiel (oben) eine Grotesk-Schrift kursiviert, also elektronisch schrägstellt.
So richtig erkennen tut man falsche Kursivierung erst bei Serifenschriften, wie im zweiten Beispiel. Ein echtes, kursiv geschnittenes, kleines g hat eine andere Form, als das ursprüngliche, nicht schräg gestellte g (man achte auf den geschwungenen "Schnörkel" des g im regulären Schnitt, im kursiv ist er geöffnet und der Buchstabeninnenraum [Punze] ist viel größer). Das kleine f im Beispiel ist länger und hat unten keine Serife, das a ist wesentlich runder und hat ebenfalls einen großen Innenraum.

Offline Skiron

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Re: Kleine Typografiekunde für den Alltagsgebrauch
« Antwort #5 am: 30.09.2010 | 11:37 »
Danke für den Hinweis.

Hab als Beispiel jetzt mal einen "Typoblindtext" gescreenshoted da erkennt man die Unterschiede ganz gut.
Die Schrift ist DTL Caspari ST,



Dann DTL Caspari ST Italic



Dann DTL Caspari ST mit Word kursiv gestellt



Und dann ein Beispiel, wie sich eine falsche (1.) und eine echte Kursive (2.) in einem Fliestext auswirken.



Die falsche Kursive "knallt" aus dem Text heraus, während sich die echte Kursive in den Text einfügt und
man zwar wahrnimmt, dass dort eine Hervorhebung ist, diese aber den Lesefluss nicht stört.
Um einen Fliestext in seiner Gesamtheit zu beurteilen sollte man darauf achten, dass der Textblock eine
harmonische Grauwirkung hat und keine weißen "Löcher" hat, oder einen schwarzen "Block" bildet.


Offline Skiron

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Re: Kleine Typografiekunde für den Alltagsgebrauch
« Antwort #6 am: 30.09.2010 | 12:14 »
war zwar nicht beabsichtigt, aber da das Beispiel schon mal da ist.  ;D

Mediävalziffer

Im Screenshot der DTL Caspari ST erkennt man, dass dort Mediävalziffern verwendet werden.
Diese Zahlen zeichnen sich durch Ober- und Unterlängen aus und fügen sich somit gut in einen Fliestext ein.

Tabellenziffern

Im Screenshot der DTL Caspari ST Italic erkennt man, dass dort Tabellenziffern benutzt werden.
Diese stechen aus dem Text auffällig heraus und erschweren den Lesefluss.
Wie der Name schon sagt eigenen sie sich aber sehr gut für Tabellen, da sie eine einheitliche Dickte
besitzen und für Übersichtlichkeit sorgen.
« Letzte Änderung: 30.09.2010 | 12:17 von Skiron »