Oh ja. "Wir ermorden unliebsamer Machthaber im Dienste von Demokratie und Zivilisation". Da wird sicherlich niemand eine Parallele ziehen oder den Film als Propaganda deuten
Viele der griechischen Tyrannen wurden vertrieben, nicht ermordet. Bush auf ner kleinen Insel? Und seine Enron/Halliburton-Brut gleich dabei? Faende ich ne Loesung. *g*
Der Zeitpunkt: Weil man mit dem Dreh anfing, nachdem Sin City genug eingespielt hatte, um "300" nach sicherer Investition aussehen zu lassen.
Ja - und nicht zuletzt brauchen solche Projekte durchaus ein paar Jahre, um realisiert zu werden ...
Ich würde das nicht als historischen Film sehen, sondern als Comicverfilmung. Das ist was anderes.
Stimmt - ich habe auch wenig Probleme mit dem Film an sich, sondern primaer mit dem Zeitpunkt. Und damit, wie 2500 Jahre alte Stereotypen jetzt aus dem Grab gerissen werden, um dem ganzen Irak-Debakel noch einen heroischen Touch zu geben.
Ich hab's auch schon an anderer Stelle gefragt und keine Antwort erhalten, deswegen nochmal hier:
Sorry wegen fehlender Antwort - ich hab dich nicht ignoriert, sondern recht ausgiebig ueber das Problem nachgedacht, *gerade* weil ich dein "Haeh!? Ist das nicht widerspruechlich?" teile. Ich hab's noch nicht ganz fertigformuliert, aber ich probiere mal ne Antwort, reserviere aber das Recht, ueberzeugt zu werden und zurueckzurudern.
Kurz: Warum pissen dich historische Ungenauigkeiten manchmal an und manchmal nicht? Ich weiß, ist ein wenig OT - würde mich aber wirklich interessieren.
Jo, das ist die Kernfrage. Puh. Erstmal: Als Historiker habe ich ne extrem duenne Haut, wenn einer "meine" Geschichte anfasst. Andere verteidigen "ihre Braut", ich verteidige "meine Geschichte". Das geht schon bei Dingen los wie "Karlspreis", der vergeben wird fuer "Leistungen um die europaeische Einheit" und nach einem Mann benannt ist, dem sowohl Europa-Begriff als auch Foederalismus total fremd war. Im Gegenteil. Karl der Grosse war ein Drecksack, der durch Halbwissen wie dieses nach seinen ganzen Verbrechen noch auf das Podest gestellt und geehrt wird.
Ich bin also, wie du an diesem Beispiel siehst, fuer "Historisches" absolut krass uebersensibilisiert; das findet dann auf einer Ebene statt, die nur andere Historiker ueberhaupt noch interessiert. Und die meisten zucken die Schultern, sagen "Tja, Laien", und widmen sich der agnatischen Erbfolge im Langobardenreich - oder so.
Du sagst dort, daß der Kern des persischen Reiches der heutige Irak ist. Ich war immer der Auffassung, es sei eher der Iran. Und der Wikipedia-Artikel über das Achämenidenreich, das die überlegene Kriegspartei bei den Thermopylen stellte, stützt das auch.
AFAIK laesst sich das nicht hundertpro trennen - sowas schwankt auch - viele Grenzen in der Gegend sind eztrem willkuerlich gezogen, und ethnische Gruppen waren in "der Gegend" auch massiv in Bewegung. Du hast Nachfahren der Perser auch in Westafghanistan.
Mehr koennte ich dazu sagen, wenn ich jetzt den Kleinen Pauly besaesse ... (ist auf der naechsten Buechertour faellig). Wiki ist nicht richtig zitierfaehig, sie mag aber absolut recht haben. Was allerdings die politische Brisanz nicht unbedingt runterfaehrt, angesicht der Drohgebaerden zwischen Teheran und Washington D.C.
Zu guter letzt würde ich da nicht so viel hineinlegen, insbesondere keine Propaganda.
Die Renaissance von bestimmten historischen Stoffen haengt immer an den Gegebenheiten der Gegenwart. Stoffe verkaufen sich, in denen die "Oeffentlichkeit" die eigene Situation wiedererkennt. Soweit wenigstens eine Kernthese der Geschichtsrezeptionsforschung. Es ist kein Zufall, wenn ploetzlich Stoffe ueber das Alte Rom wieder hochkommen. Oder ueber die Kreuzzuege. Jahrzehntelang liegt sowas brach, und ploetzlich kommen sie wieder.
Ansonsten wäre (zum Beispiel) auch Gladiator übelste Propaganda: Altkaiser und Held opfern ihre Leben, um die Demokratie wieder zu errichten, wider die Tyrannei böser Männer.
Ich denke, Ridley Scott ist subtiler als das. Fuer mich ist "Gladiator" ein Kommentar auf die Medien der USA (und, zu einem etwas geringeren Masse, der politischen Inszenierung schlechthin). "Brot und Spiele", indeed. Der Film spielt vor antiker Kulisse, bildet diese aber nicht ab - und ist gleichzeitig in vielen Details sehr historisch (Maximus ist nach Gemuet und Pflichtverstaendnis 150% Roemer, ganz klar). Fuer mich ist er ein Meisterwerk, weil er auf sovielen Ebenen was bietet, und Ridley Scott ein begnadeter Symbolist ist - waehrend Braveheart, etwa, im Vergleich, mit der ganz groben Kelle arbeitet.
Oder Kingdom of Heaven: Mutige, aber letztlich friedfertige, aufrechte Christen kämpfen tapfer gegen die Horden der Muslime (auch wenn der Krieg erst von kriegstreibenden Christen angefacht wurde).
Kingdom of Heaven ist fuer mich der Versuch einer Art Utopie, faellt aber erzaehlerisch total auseinander. Eye candy, und nicht mehr. Ich hab ihn gemocht, weil ich die Epoche mag, und ein paar schoene, historische Insider-Witze drin waren, die sogar Orly ertraeglich machten.
Immer locker bleiben und nicht zu viel hineininterpretieren - man kann es auch übertreiben mit der political correctness.
Und das sag ausgerechnet ich.
*tehehe* Es ist wirklich keine political correctness in meinem Fall (die lasse ich mir auch nicht vorwerfen, die ist im Grunde Selbstzensur, und ich hab ein Problem mit Zensur) - sondern, wie oben ausgefuehrt, der Historiker-Reflex.