Ich brauche keine Attribute als Ausweichreserve. Wenn man sie braucht, hat der Designer geschlampt.
Dann hast du aber nur 2 Optionen:
a) Du hast eine Liste mit über 100 Fertigkeiten.
b) Du hast nur wenig Fertigkeiten, was dafür sorgt, dass die SCs kaum detailliert sind und sich nur wenig regeltechnisch unterscheiden.
Ich persönlich bevorzuge dazu Systeme, in denen man sich seine Fertigkeiten frei aussuchen kann und nicht durch eine Liste eingeschränkt wird.
Und Realismus im Rollenspiel ist (a) vollkommen unrealistisch, weil Rollenspiele Spiele und keine Rechenmodelle sind,
Realismus beim Schach ist überflüssig.
Realismus in Strategiespielen ist überflüssig.
Realismus in Würfelspielen ist überflüssig.
Realismus in Glücksspielen ist überflüssig.
Sobald ich aber einen SIS habe, brauche ich Realismus. Ohne Realismus spielt der SIS verrückt. (Das kann natürlich auch gewünscht sein, falls man auf surrealistische Effekte bzw. Filme steht. - So nach dem Motto: Spieler: "Ich steche auf den Vater ein."
SL: "In Ordnung, die Mutter kippt tot um.")
Oder falls du ein reales Rollenspiel haben willst: Shadowrun.
SL: "Der Gegner geht in den Nahkampf."
Spieler: "OK, ich werfe mein Messer weg und greife mit den Fäusten an." (Weil die Faust bei Shadowrun mehr Schaden anrichtet als das Messer.)
BTW:
Das einzige Beispiel, wo in einem RPG bewusst auf Realismus verzichtet wurde, sind die Traumwelten in Cthulhu. Diese fanden unter den Cthulhu Spielern aber auch keinen großen Anklang.
(b) gibt es Leute, die keinen Gedanken daran verschwenden ob jemand nun 20kg heben kann oder nicht, weil die (dramatische) Relevanz für das Spiel idR gegen 0 geht
OK, eigentlich war es nur als ein kleines Beispiel gedacht.
Aber falls du es unbedingt in einer dramatischen Situation eingebettet haben möchtest:
Ein kleines Kind hängt an einer Klippe. Der SC kann das Kind (es wiegt ca. 20 kg) gerad so noch am Arm halten.
Schafft er es, dass Kind heraufzuziehen?
So, von mir aus können wir das ganze noch weiter ausschmücken: Das Kind trug Kletterausrüstung und der Spieler hatte die gute Idee, dass er sich in die Kletterausrüstung verhackt, damit seine Finger nicht abrutschen können. - Evtl. hat ein 2. Spieler auch noch ein Seil dabei, um das Kind an den SC festzubinden etc.
Du kannst die Situation von mir aus noch beliebig ausschmücken, um sie dramatischer zu machen.
Aber der Grundsatz bleibt erhalten: Wieso hat ein gut trainierter Athlet keine Chance, 20 kg zu heben?
und (c) ist Realismus als solches, wie auch Attribute, vollkommen überbewertet.
Ich schätze eher, Realismus ist vollkommen unterbewertet.
TableTop und RPG hatten ihren Siegszug, weil sie wesentlich realistischer waren, als andere Gesellschaftsspiele.
Schau dir doch mal die Sparte der Strategiespiele an:
Zuerst das extrem abstrakte Go.
Danach dann das realistischere Schach.
Dann kam Stratego, das noch eine Stufe realistischer war.
Dann Warhammer bzw. Diplomacy, die noch realistischer waren.
Das RPGs und TableTops realistisch sind, ist denke ich mal klar. Aber schau dir doch mal moderne Spiele außerhalb des TableTops und RPGs an: Du findest fast ausschließlich realistische Spiele.
Abstrakte Spiele werden kaum mehr entwickelt. (Sicherlich: Die Klassiker wie Go oder Skat werden immer noch verkauft. - Aber es gibt keine neuen Spieleentwicklungen, die diesen Abstraktionsgrad erreichen. "Moderne" Spiele sind ausschließlich realistisch gehalten.)
Und außerdem ging es hier ja explizit um MEINE MEINUNG.
Ich will dir deine Meinung auch nicht nehmen.
Ich akzeptiere deine Meinung voll und ganz. Aber ich will dir die Möglichkeit geben, über deine Meinung zu reflektieren.
(Und ich halte meine Meinung auch nicht für in Stein gemeißelt, sondern reflektiere die Argumente anderer und ändere evtl. meine eigene Meinung. - Das ist eigentlich nie eine Änderung um 180°. Aber völlig festgefahren ist sie trotzdem nicht.)
Allerdings gebe ich zu bedenken, dass es auch sinnvolle Eigenschaftssysteme gibt (vgl. z.B. DitV).
Naja.
Im Prinzip werden die Eigenschaften genau so wie Fertigkeiten gehandhabt.
Der einzige Unterschied ist bei der Eskalation. Und gerade da sehe ich Änderungsbedarf. (Stichwort: Ich lasse kurz eskalieren, bekomme mehr Würfel und deeskaliere dann sofort wieder.)
Sinnvoller wäre es bei DitV, auf Attribute zu verzichten und zwischen körperlichen und verbalen Talenten zu unterscheiden.
DitV ist (zusammen mit Wushu) das einzige System, das ich mir auch ganz gut ohne Attribute vorstellen könnte. - Das liegt aber daran, dass die Talente keinerlei spezialisierte Bedeutung haben: Mit "Revolverheld" kann man genau das gleiche machen wie mit "Koch".