Wie haben die Spieler darauf reagiert das ihre Charaktere ja echt happige Sachen machen mussten?
Spieler Dom und Eva haben nach den Sitzungen immer wieder erzählt, wie verzweifelt sie waren, dass sie Dinge tun mussten, die sie nicht tun wollten: allerdings war das ein positives Erlebnis. Das war ja auch die Stimmung, die das Spiel vermitteln will.
Kein anderes Spiel, das wir bisher getestet haben, hat die Spieler so kompromislos dazu gebracht über ihre Charaktere furchtbare Dinge zu tun, die ihnen eigentlich widerstrebten.
Wie haben sich denn die Regeln geschlagen?
Die Regeln sind sehr streng und konsistent. Es ist so gut wie nicht möglich aus der Thematik von MLWM herauszudriften.
Was mir fehlte ist ein Anhalt, wie das Mengen-Verhältnis und die Reihenfolge der einzelnen Szenen auszusehen hatte (Befehl-Overture-Gewalt). Doch auch ohne eine konkrete Anweisung hat es geklappt.
Wie ich erwähnte hatten Dom und ich MLWM-Runden mit einem Computerprogramm simuliert und stoachtisch untersucht. Da der Ablauf des Plots quasi durch IF-THEN-ELSE Anweisungen festgelegt ist, bot sich das an. Reihenfolge und Menge der Szenen liessen wir durch einen Zufallsgenerator festlegen, wir beobachteten, wie sich Self-Loathing und Weariness und Love (die drei Werte, die einen Charaker ausmachen) entwickeln. Wir liessen etwa 50000 Kampagnen durchrechnen.
- Es gibt eine hohe Varianz, was die Dauer einer Kampagne angeht. Für unsere Testrunde (Fear 3, Reason 2, Love 3, 2 Spieler) lag die erwartete Dauer bei etwa 25 Runden, doch die Simulationsergebnisse hatten auch Kampagnen dabei, die nur 4 Runden dauerten, oder gar erst nach 200 Runden aufhörten.
- Viel Self-Loathing am Anfang bedeutet, dass der Charaker auch viel Self-Loathing im Spiel ansammeln wird. Ein hoher Wert in Weariness hingegen zieht im Spiel mehr Weariness nach sich.
- Viel Self-Loathing sorgt für kürzere Spiele. Trotzdem ist das nicht die erste Wahl für einen Power-Gamer, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass man zum Ende nur einen tragischen Ausgang als Epilog bekommt.
Desweiteren sind die Spezial-Würfel für Intimacy, Desperation und Sincerity nicht zu unterschätzen. Sie stocken den Pool eines Spielers gewaltig auf. z.B. entspricht der Sincerity-d8 etwa drei normalen Würfeln. Sie wurden von den Spielern reichlich benutzt, folglich gab es viele Szenen, die entsprechende thematische Elemente enthielten.
Von den technischen Eigenheiten aber mal abgesehen hat mir das System gut gefallen, es hat seine Aufgabe gut gemacht und ein wirklich anderes, befremdliches Spiel produziert.
Wenn man das einem Aussenstehenden erzählt, was man in einer Sitzung MLWM gemacht hat, dann wird man sicher noch seltsamer angeschaut, als wenn man von einer normalen, klassischen Runde (D&D, DSA, Shadowrun) zurückkehrt: armen Witwen die letzte Kuh wegnehmen, einen Penner mithilfe eines Schwarms überzüchteter Raben zerreissen zu lassen oder Säuglinge aus Wiegen zu stehlen ist echt gewöhnungsbedürftig. Mein Tipp daher: nicht unbedingt geeignet um einem RPG-Neuling zu zeigen, wie Rollenspiel funktioniert.
Ansonsten: ich finde One-Shots mit MLWM etwas schwierig zu gestalten. Unsere Testrunde ist darum auch vom üblichen Turnus abgewichen, und wir haben uns zwei Sessions Zeit genommen, um MLWM zu spielen. So hatten wir auch genug Zeit uns auch gemeinsam einen Master auszudenken, uns die Umgebung zu überlegen und die Charaktere zu erschaffen.
Ich hatte zunächst für eine Szene eines Spieler etwa 10 Minuten veranschlagt, doch ich würde sagen, dass wir etwa nur 5 Minuten brauchten, bis eine Szene beendet war. Schwer zu sagen, Dom hat zwar mitgezählt, aber ich hätte zusätzlich noch auf die Uhr gucken müssen, um das genauer zu bestimmen.
P.S.: Eine "Runde" = "jeder Spieler hatte eine Szene". D.h. bei zwei Spielern, dauert eine Runde 2 Szenen.