Gestern Abend habe ich mit meiner Gruppe statt eines RPGs das Kartenspiel 'Ja, Herr und Meister' von Truant ausprobiert. Dieses Kartenspiel ähnelt einem RPG insofern, als es einen Teil der Karten als Inspirationsquelle für freie Erzählung nutzt, ein bisschen so, wie wenn man das Arkana-System von Engel oder ein Tarot-Spiel im RPG einsetzt.
Der Hintergrund sieht aus wie eine Parodie auf My Life with Master. Ein Spieler ist der Dunkle Meister, die anderen Spieler sind seine Schergen, die soeben von einer wieder einmal gescheiterten Mission zurückkehren. Ihre Aufgabe ist, dieses Scheitern zu erklären und dabei dafür zu sorgen, dass der Meister die Verantwortung fürs Scheitern einem anderen Spieler zuschiebt. Der Spieler, der letztendlich dafür verantwortlich gemacht wird, verliert die Runde.
Das Spiel verwendet drei Arten von Karten. Die meisten Karten sind Ereigniskarten, die einen Titel, ein Bild und eine Unterschrift enthalten. Ein Beispiel ist 'Die verschlossene Kiste', wo ein weinender Goblin mit einem Brecheisen über einer Kiste vor sich hin heult. Unterschrift ist '... wo die Träume der Helden scheitern'.
Ein weiterer Kartensatz enthält Karten mit je zwei abgebildeten Händen, die sogenannten Aktionskarten. Es gibt deutende Hände und erhobene Hände, auf einigen Karten jeweils einen Typ, auf anderen Karten nur zweimal den gleichen Typ. Deutende Hände bedeuten 'Schuld zuweisen', erhobene Hände bedeuten 'Einspruch'. Jeder Spieler hat zu Beginn des Spiels je drei Ereignis- und drei Aktionskarten auf der Hand.
Die dritte Kartensorte besteht aus nur drei Karten, dies sind die 'Vernichtenden Blicke' des Dunklen Meisters, die dieser wie gelbe und rote Karten beim Fußball einsetzen kann. Nach dem dritten vernichtenden Blick für denselben Spieler endet das Spiel in der Regel.
Zu Beginn des Spiels spricht der Meister einen der Spieler auf den zu erfüllenden Auftrag an; diesen Auftrag denkt sich der Meister selbst aus und gibt dem Spiel somit schon einmal eine erzählerische Richtung. Bei unserer ersten Runde war das 'habt ihr das kleine, unbeugsame Dorf im Nordwesten unseres Reiches zerstört, wie ich es befohlen habe?', bei der zweiten Runde war es ein Diamant, der aus einer Höhle geholt werden sollte, was viele Monate gedauert hat und trotzdem misslungen ist.
Der angesprochene Spieler muss nun unter Zuhilfenahme seiner Ereigniskarten erläutern, was passiert ist, und gleichzeitig mit den Aktionskarten die Schuld für das Versagen von sich auf andere lenken. Er könnte zum Beispiel darauf hinweisen, dass der Meister der Gruppe ja umsichtigerweise umfangreiches Kartenmaterial in einer Kiste mitgegeben habe, damit die Gruppe das Dorf auch findet; dann spielt er die Karte 'Die verschlossene Kiste' zusammen mit einer Schuldzuweisungskarte aus und behauptet, dass der Spieler neben ihm erklären kann, wieso sie nicht in der Lage waren, diese Kiste zu öffnen.
Der so beschuldigte Spieler muss nun auf diese Karte reagieren und sie irgendwie erzählerisch interpretieren. Man darf das Bild, den Titel, die Unterschrift oder auch nur Teile davon benutzen, aber ein Bezug muss erkennbar sein. Die Story darf mit eigenen Ereigniskarten ergänzt werden und kulminiert in der Regel mit einer Zuweisung an einen anderen Spieler. Nach dem eigenen Zug zieht man neue Ereigniskarten, um wieder drei auf der Hand zu haben, und wer die Schuld zugewiesen bekommt, zieht zu Beginn seiner Erzählung eine neue Aktionskarte.
Spieler können andere Spieler in die Bredouille reiten, indem sie die Erzählung unterbrechen und mit entsprechenden Aktionskarten einen Einspruch erheben, woebi sie eine eigene Ereigniskarte mit ausspielen müssen, die der gerade erzählende Spieler dann mit einarbeiten muss.
Wenn ein Spieler keine Schuldzuweisung aussprechen kann, wenn er an der Reihe ist, trifft ihn ein Vernichtender Blick und der Meister befragt einen anderen Spieler. Wer einen solchen Blick kassiert, gibt noch vorhandene Karten ab und zieht jeweils drei neue. Verfnichtende Blicke gibt es auch für unschlüssige Erzählung, zu lange Sprechpausen, Stottern, nicht ausreichende Unterwürfigkeit oder wann immer der Dunkle Meister es für richtig hält.
Hat ein Spieler drei vernichtende Blicke kassiert, ist es meist um ihn geschehen, er darf aber noch um Gnade winseln. Tut er dies ausreichend unterwürfig, darf er eine Aktionskarte ziehen - einige wenige davon zeigen keinen Totenschädel im Design, und wenn er eine solche zieht, wird ihm für den Moment verziehen, und er kehrt ins Spiel zurück. Ansonsten wird er vernichtet und die Runde endet.
Das Spiel hat insgesamt recht viel Spaß gemacht, obwohl es beim ersten Mal noch etwas holprig von der Hand ging. Als Spieler muss man einerseits dafür sorgen, dass man selbst nicht verliert, kann aber auch andererseits durch geschicktes Ausspielen von Karten und gezielte Einsprüche den anderen Spielern gute Vorlagen für interessante Story-Wendungen liefern. Die Ereigniskarten sind dabei ganz gut geeignet, auch witzige Ideen zu triggern; es könnten aber mehr sein, und während es bei einigen Karten durchaus mehrere für sich verwendbare Inhaltselemente gibt, sind einige auch sehr eindeutig und deshalb leicht ausgereizt. Jedenfalls hat das Spiel Potential für Erweiterungssets.
Robin