Autor Thema: Historische Authentizität - völlig überbewertet?  (Gelesen 17390 mal)

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Boni

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #25 am: 28.11.2006 | 09:16 »
Ich bin der Meinung historische Authentizität hat DSA kaputt gemacht.

Ach bitte... Wo willst du die denn in DSA gefunden haben?

Wenn überhaupt irgendetwas historisches DSA prägt (abgesehen von einer extrem groben MIttelalteranlehnung), dann der Historismus des 18. und 19. Jahrhunderts. In Aventurien wird ja alles zusammen gewürfelt, und das nicht nur in verschiedenen Regionen, was ja noch sinnig wäre. Nein, man trifft im gleichen landstrich auf gepanzerte Ritter und Landsknechte, Lehenswesen und frühneuzeitliche Amtmann-Verwaltung.


Offline Haukrinn

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #26 am: 28.11.2006 | 09:33 »
@Boni: Danke, Du warst schneller. DSA ist wirklich alles andere als ein Paradebeispiel für Authentizität, sondern eher ein Beispiel für die verklärte, romantisierte Sicht auf die europäische Historie. Was jetzt nicht abwertend gemeint sein soll. Aber der viel gerühmte phantastische Realismus von DSA findet sich garantiert nicht in der Treue zum historischen Vorbild (allerdings weiß ich auch nicht, wo man ihn sonst bei DSA suchen geschweige denn finden sollte...)

Ob Authentizität für mich wichtig ist hängt sehr vom Setting ab. Wenn ich Actionkino nachspiele, dann sind Explosionen laut und hell, es geht viel kaputt, aber so tödlich wie in der Realität will ich sie wohl nicht haben. Ebensowenig möchte ich, dass mein Charakter im archteypischen Fantasysetting in jeder zweiten Sitzung an Wundbrand oder Grippe krepiert. Es gibt aber durchaus Situationen, wo mich selbst in solchen Spielen fehlende Authentizität ankotzt. Bestes Beispiel: Shadowrun (bis zur dritten Edition). Die Matrixregeln gehen dermassen weit an der Realität vorbei, daß ich die komplette Matrixgestaltung für meine damalige Kampagne umgeworfen und durch einen Hintergrund (und passende Regeln) ersetzt habe, die meiner Meinung nach näher an der Realität sind.

Kurzum: Was ich möchte, ist eine Konsistenz des Settings und die Einhaltung des Genrerahmens. Dies bringt immer auch Aspekte der Authentizitätswahrung mit sich, über einen Kamm scheren lassen sich meine Vorlieben da aber sicher nicht.
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Offline Vanis

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #27 am: 28.11.2006 | 09:47 »
Für eine historische Kampagne würde ich es zumindest vorziehen, wenn einige grudsätzlichen Dinge "authentisch" dargestellt werden. Übertriebene Detailfülle bringt aber auch niemandem was, das behindert nur das eigentliche Spiel. Es geht ja immer noch darum, eine Abenteuer zu durchleben und nicht darum, ein Geschichtsbuch nachzuerzählen. Historische Details können einem Abenteuer einfach die richtige Würze verleihen, man sollte halt das richtige Verhältnis für sich und die Gruppe rauskriegen...
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Offline Bitpicker

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #28 am: 28.11.2006 | 10:23 »
Solange man das Setting nicht vergewaltigt ist mir die Authentizität schnuppe (siehe auch Sandman:TheWake oder die anderen Stories um den Mann der nicht stirbt.)

Meinst du Hob Gadling, den Mann, der auf dem Mittelaltermarkt die historische Nicht-Authentizität der Sprache bemängelt? Genau das ist das Problem: historische Authentizität ist für viele, wenn sie sich ihren und euchen statt sich zu duzen und zu siezen, und damit hat es sich schon.

Wenn ich etwas Historisches sehen / lesen / spielen will, dann will ich auch gute Recherche. Ein guter Autor eröffnet z.B. in einem Nachwort, wo er sich Freiheiten genommen hat, wo er sich bewusst gegen Historizität entschieden hat, weil es der Story diente, usw. Ich habe nichts dagegen, wenn mit der Historie gespielt wird; wenn Neal Stephenson in seiner Baroque Trilogy mal eben ein ganzes Land erfindet (Qwghlm), ist das lustig, aber wenn er im selben Buch einen Mr. Newcomen eine 'Maschine zum Anheben von Wasser (aus Bergwerken) durch Feuer' entwickeln lässt und ich dann ganz zufällig herausfinde, dass es Mann und Maschine wirklich zu jener Zeit gab, ist das einfach klasse. Wenn aber in einer Fernsehproduktion über die Römer, die auch noch Historizität vorgaukelt, ein Söldnerlager plötzlich Arkham heißt, wird mir schlecht.

Es gibt gute historische Romane (und sehr viel seltener Filme), die sauber recherchiert sind und etwas zeigen, das wenigstens möglich ist; und es gibt triviales Zeug, das einfach aus Geschichte und Fantasie zusammenkolportiert ist und bestenfalls unterhaltsam ist, aber das Gegenteil von lehrreich. Wem das genügt, bitte - mir reicht das nicht.

Robin
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #29 am: 28.11.2006 | 10:50 »
Überbewertet.

Da Authenzität aus meiner Sicht vor allem etwas mit Denkstrukturen und weit weniger mit Technologie zu tun hat, ist es von vornherein zum Scheitern verurteilt, authentisch zu sein. Einerseits kann man die Denkweise der gemeinen Bevölkerung der Historie idR nicht rekonstruieren, zumindest in ihrer vorschriftlichen Phase, andererseits kann man seine eigenen Denkweise nie gänzlich abschütteln.

Da ist es mir lieber, wenn Autoren sich dieser Unmöglichkeit bewusst sind und statt dessen bewusst mit historischen Fakten und modernen Elementen spielen.

@Bitpicker
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Offline Lord Verminaard

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #30 am: 28.11.2006 | 11:02 »
Andererseits finde ich es gerade auch in Fantasy-Rollenspielen reizvoll, mich mit technologischen Aspekten auseinander zu setzen. Aus was für Stoffen ist die Kleidung? Was gibt’s zu Essen? Wie sieht die Landschaft aus, wie die Häuser, wie die Wagen, wie die Schiffe? Das läuft vielleicht weniger unter Authentizität als mehr unter Detail. Aber wenn ich schon historisch spiele, dann möchte ich diese Details auch nach Möglichkeit einigermaßen authentisch haben.

Übrigens Robin, an dieser Stelle danke für die Empfehlung der „Geschichte des privaten Lebens“. Sehr schöne Reihe.
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Offline Hr. Rabe

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #31 am: 28.11.2006 | 11:05 »
Andererseits finde ich es gerade auch in Fantasy-Rollenspielen reizvoll, mich mit technologischen Aspekten auseinander zu setzen. Aus was für Stoffen ist die Kleidung? Was gibt’s zu Essen? Wie sieht die Landschaft aus, wie die Häuser, wie die Wagen, wie die Schiffe? Das läuft vielleicht weniger unter Authentizität als mehr unter Detail. Aber wenn ich schon historisch spiele, dann möchte ich diese Details auch nach Möglichkeit einigermaßen authentisch haben.

Übrigens Robin, an dieser Stelle danke für die Empfehlung der „Geschichte des privaten Lebens“. Sehr schöne Reihe.


Tja Vermi, du wirst der Wahrheit ins Auge sehen müssen...
Klopf dir auf die  Brust, reckte stolz dein Haupt und sage: ,,Ja, Ich bin ein Hartwurstler.''  ;) ;D



Aber ernsthaft, ich finde nichts genialer, als historisch autentische Settings, vor allem, weil die Geschichte der Menschen bisher immer noch die besten, coolsten und ungewöhnlichsten Abenteueraufhänger evar geliefert hat.
Größere Kampanien bereite ich meistens auf so vor, daß wir und zu Begin lediglich auf Zeit, Ort und Stimmung einigen und ioch mir die Möglichkeiten gemein zu meinen Spielern zu sein während der Recherche zusammenlese.
Gott sei dank bin ich außerdem noch gesegnet mit zwei Spielern, die sich ebenso für die Details des Hintergrundes interresieren, so daß ich 'historische Fakten' (Eigendlich ein Widerspruch in sich, aber für jetzt soll mir das genügen ;) ) auch mit einer ziemlich hohen Dichte einbringen kann.

Gruß,
Hr. Rabe
« Letzte Änderung: 28.11.2006 | 11:09 von Herr Rabe »
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Offline Arbo

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #32 am: 28.11.2006 | 11:10 »
Ich bin überzeugt, dass "Authenzität" vielleicht auch ein etwas missverständlicher Begriff ist - er hier zumindest missverstanden werden kann. Im Kern geht es ja darum, bezüglich der Hintergrundwelten zu differenzieren ... und da kann ich mir sehr gut vorstellen, dass das Spielen in einer anderen "Welt" autentisch i.S. von "plausibel aber anders" sein sollte.

Ferner ist es ja nicht uninteressant, sich an - vermeintlich - historische "Fakten" zu halten. Der Grund dafür ist ja hauptsächlich, zu "romantischen Vorstellungen" Abstand zu halten - "schmutzig" und "dreckig" zu spielen.

Daher steht "Authenzität" im Grunde dafür, sich - zumindest theoretisch und vom Ansatz/Anspruch her - mehr einer "Realität" anzunähern (oder sein Spiel schlicht etwas "anders" zu gestalten). Was das betrifft, kann "Authenzität" nicht überbewertet, allenfalls "unterbewertet" werden. Alles andere liegt im Bereich dessen, was SpielerInnen miteinander vereinbaren - d.h. wenn SpielerInnen "romantisch" spielen wollen und dies nicht in den Gruppenkonsens einfließt, wird es möglicherweise Probleme verursachen (Ursache ist hier also ein mangelhafter "Gruppenvertrag").

Arbo
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #33 am: 28.11.2006 | 11:17 »
@Vermi
Spöttisch gefragt, ist das dann noch Spiel oder ist das Beschäftigung jenseits des Spiels? Hat es wirklich eine Relevanz für das Spiel, ob deine Beinkleider aus Hanf oder Jute, ob das Haus mit Riet oder mit Brettern bedeckt ist etc.? IMO nein, denn es ist nur Color.

@Arbo
Rollenspiel ist ein Spiel und bildet keine Realität ab. Kann es gar nicht, denn selbst das authentischste Werk kann immer nur einen Ausschnitt aus der Realität wiedergeben, wie er in den Denkstrukturen des Autors abgebildet wurde. Dieser Ausschnitt wird dann obendrein auch noch durch den Betrachter neu bewertet. Geschichtsschreibung und archäologische Fakten sind einfach nur Fiktion.

Offline Timo

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #34 am: 28.11.2006 | 11:22 »
mein DSA Kommentar bezog sich auf genau dieses Problem, dass da wild gemischt wird, aber jeder Autor versucht sein Abenteuer/seine Region möglichst dicht am historischen Vorbild(vom Color her) zu machen und dadurch wurde es recht...wirr.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #35 am: 28.11.2006 | 11:25 »
@ Sven: Power to Color! ;) Ich halte Color (oder das Fehlen derselben) für total relevant für das Spiel, insbesondere das Spielgefühl.

@ Herr Rabe: Ähm, ich muss weg. Taxi! ;D
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #36 am: 28.11.2006 | 11:27 »
Fehlt denn Color wenn deine Beinkleider aus dem falschen Material sind? Nein, die Color ist durchaus vorhanden, es ist höchstens "die Falsche".

Offline Arbo

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #37 am: 28.11.2006 | 11:28 »
@ Sven:

Drum schrieb ich auch was von Anspruch. Ich meine, es macht schon einen Unterschied, ob man sich bemüht, etwas "Plausibles" zu fabrizieren, was sich etwas stärker von einer "romantischen Fiktion" lösen möchte, oder es einfach zu lassen. Das ist ähnlich einer Situationen, in der Dir jemand etwas über Dein "Fachgebiet" erzählt, was Du aber aufgrund Deiner Erfahrungen (/Deines Wissens auf) in diesem Fachgebiet nicht für "richtig" hältst. Wenn sich Spieler an diesen "Pflöcken" orientieren wollen und sich gerne dem nähern möchten, was sie - anhand dieser "Pflöcke" - für realistisch i.S. von plausibel halten, dann kann da nichts überbewertet, sondern allenfalls unterbewertet sein. Wie gesagt, es geht dann in erster Linie darum, möglichst viele "Pflöcke" zu sammeln und damit zu spielen. Wäre dem nicht so, bräuchten wir keine Genres.

Was auf die "Historie" bezogen ist, kann auch auf Hintergründe bezogen sein, die vollständig einer Fiktion entsprungen sind (die sich also nicht mit - auch (!) vermeintlich (!) - realen Tatsachen abgeben). Insofern ist "Historische Authenzität" irreführend - der Begriff "Authenzität" i.S. von "Plausibilität" würde reichen.

Arbo

[EDIT]

P.S. @ insb. Vermi: Könntet Ihr bittet diese esoterischen RPG-Begriffe aus der Diskussion lassen, wenn Ihr es nicht für notwendig erachtet, sie in kurzen und allgemein verständlichen Begriffen der allgemeinen Leserschaft dieses Forenstrangs näher zu bringen?
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Offline Lord Verminaard

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #38 am: 28.11.2006 | 11:38 »
Womit hab ich eigentlich das "insbesondere" verdient? Gar nicht, würde mir scheinen. Schön, dass wir unsere Feindbilder pflegen. Und nein, darauf sollst du nicht erwidern, Arbo. Tu mir und dem Forum den Gefallen und lass es einfach.

Color = die kleinen Details in der Spielwelt, die für die Handlung irrelevant sind und der Atmosphäre / Vorstellungsdichte dienen.

Und nein, bitte auch keine Diskussion über diese Definition. Ist mir scheißegal, ob die 100% exakt ist.

@ Sven: Ob die Details richtig oder falsch sind, macht fürs Spielgefühl erstmal keinen großen Unterschied. Mit einer Ausnahme: Wenn ich weiß weiß, dass sie falsch sind. Extra für Arbo: Dann ist nämlich meine Suspension of Disbelief gestört. :P
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Offline Arbo

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #39 am: 28.11.2006 | 11:44 »
Womit hab ich eigentlich das "insbesondere" verdient? Gar nicht, würde mir scheinen. Schön, dass wir unsere Feindbilder pflegen. Und nein, darauf sollst du nicht erwidern, Arbo. Tu mir und dem Forum den Gefallen und lass es einfach.

"Verdient" hast Du das, weil ich übersehen hatte, dass SVEN der erste war, der mit dem Begriff ankam (mir stach nach meinem Beitrag nur dein "Power to Color" in's Auge). Lass mich (!!!) mal auch einen FEHLER machen. Also mach' die Schublade wieder zu und komm wieder runter Du Mimose :P

[EDIT]

Zitat
Ob die Details richtig oder falsch sind, macht fürs Spielgefühl erstmal keinen großen Unterschied. Mit einer Ausnahme: Wenn ich weiß weiß, dass sie falsch sind.

Sag ich doch die ganze Zeit. Daher macht "historische Authenzität" nur dann Sinn, wenn eine Gruppe sich auch anhand der "historischen Pflöcke" orientieren möchte und anhand dieser dann das Spiel bewertet. Dabei kommt dann aber im Grunde das gleiche Problem auf, das auftritt, wenn Spieler "Hintergrundmaterial" intus haben.

Da fällt mir ein: Theoretisch müssten dann eigentlich - in der Gruppe verankerte (implizite) - Regeln darüber existieren, was unter Authenzität zu verstehen ist (oder wie "Authenzität" konstruiert wird).

Arbo
« Letzte Änderung: 28.11.2006 | 11:54 von Cpt. Arbo Spauldings »
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Offline Azzu

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #40 am: 28.11.2006 | 12:54 »
Zitat
Color = die kleinen Details in der Spielwelt, die für die Handlung irrelevant sind und der Atmosphäre / Vorstellungsdichte dienen.

Zitat
Sag ich doch die ganze Zeit. Daher macht "historische Authenzität" nur dann Sinn, wenn eine Gruppe sich auch anhand der "historischen Pflöcke" orientieren möchte und anhand dieser dann das Spiel bewertet. Dabei kommt dann aber im Grunde das gleiche Problem auf, das auftritt, wenn Spieler "Hintergrundmaterial" intus haben.

Die ganzen kleinen Details der Spielwelt - ob nun historisch authentisch oder völlig fiktiv, aber mit viel Hintergrundmaterial ausgearbeitet - liegen aber nur zur Hälfte darin, was es alles gibt, zur anderen Hälfte gerade darin, was es (im Vergleich zu heute bzw. dem stereotypischen Fantasy-Pseudomittelalter) alles NICHT gibt, und was NICHT geht. Solche Beschränkungen, wenn man sich ernsthaft daran halten will, werden schnell zu Beschränkungen für die Handlungsmöglichkeiten der Charaktere. Das ist nicht nur Farbe, sondern grundsolide. Den Begriff "Pflöcke" finde ich ganz passend, unter Umständen kann aus den Pflöcken nämlich eine Mauer oder ein Käfig werden. Jedenfalls dann, wenn nicht alle, die sich durch einen Verstoß gegen den Hintergrund gestört fühlen (Vermi hat das auf den Punkt gebracht), ihren Ärger herunterschlucken und den Mund halten.

Je detaillierter ein Hintergrund, desto wahrscheinlicher ist es, dass einzelne Details für die Handlung relevant werden (und beim historisch-authentischen Hintergrund ist dem Detailgrad keine objektive Grenze gesetzt). Das geht nur mit einer Gruppe, die sich darauf auch einlassen will - insofern Zustimmung zur Arbos "Gruppenvertrag".
« Letzte Änderung: 28.11.2006 | 12:58 von Azzurayelos (oder so) »

Online Eismann

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #41 am: 28.11.2006 | 13:32 »
Moin

"Color" (lustiges Wort dafür) verdichtet den Hintergrund. Man spielt halt nicht den Callcenter-Sklaven Knut, sondern Callcenter-Sklave Knut spielt den Ritter Heribert, und der arbeitet nunmal nicht im Callcenter, sondern lebt, beispielsweise, in einer pseudo-mittelalterlichen Stadt. Und damit Knut sich da auch was drunter vorstellen kann und es so leichter hat Heribert zu spielen, und nicht Knut, bietet es sich schon an, den Hintergrund entsprechend zu gestalten. Ob nun grade zwei Weiber eine Steinkugel zusammen durch die Stadt rollen müssen, weil sie sich ständig zanken, in einer Seitenstraße eine Hochzeit gefeiert wird oder sich barfüßige und verlumpte Straßenkinder um ein paar Münzen prügeln, das hilft, behaupte ich jetzt mal, Knut auch dabei Heribert besser zu verstehen, weil er sein Umfeld versteht. Vom Gestank, der Armut, den Latrinen und dem nicht vorhandenen Abwasserwesen mal ganz zu schweigen.
Das alles muss man nicht machen, aber meiner Meinung (!) nach hilft es.
Das gilt natürlich nicht nur für historische oder pseudohistorische Hintergrundwelten, sondern für Hintergrund allgemein.
« Letzte Änderung: 28.11.2006 | 13:34 von Eismann »

Fatman

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #42 am: 28.11.2006 | 17:11 »
Ich würde sagen, dass historische Authenzität als Quelle für den Hintergrund oft enorm unterschätzt wird, weil das, was man aus verschiedenen historischen Quellen an Abenteueraufhängern und auch nur kleinen Besonderheiten herausziehen kann, wahre Freude bereiten kann. Ich mag detailierte Hintergründe und einen reichhaltigen Schatz an Quellen; zudem sollte eigentlich bekannt sein, dass kerin fiktiver Hintergrund auch nur annährend so bunt, vielschichtig und auch skurrill sein kann wie das wahre Leben.
Die Historie bietet eine Vielzahl an bunten (eitergelb und pestschwarz sind auch Farben und daher auch bunt... igendwie) Details und Fakten, die natürlich eine Spielwelt bereichern können. Im direkten Vergleich wird die Historie einen fiktiven Hintergrund fast immer schlagen, was Detailtiefe und Glaubwürdigkeit angeht.

Das Problem ist, die Historie verläuft nicht nach dramaturgischen Gesichtspunkten  und das kann für das Rollenspiel einb echtes Problem sein- in der Regel gewinnen nicht die Guten, sondern die Mächtigen oder die Arschlöcher.
Ich finde das okay, weil es meiner Erwartungshaltung entspricht- und genau dsas ist ein Problem- die Erwartungshaltung. JedeR SpielerIn hat ein gewisses Spielweltbild, dass durchErfahrungen, Vorlieben und Abneigungen geprägt wird. An Hand dieses Spiewletbildes wird zu Mindest teilweise auch die Qualität eines Abenteuers bewertet- ein Abenteuer, dass der Erwartungshaltung nicht entspricht, ist frustrierend, weil es nicht dem Erhofften entspricht. Für jemanden wie mich, der davon träumt, irgendwann ein echter Historiker sein zu dürfen ist diese Erwartungshaltung ganz klar damit verbunden, dass gewisse historische Details miteingebunden werden. Für andere ist das ein Graus. Jedem das seine.

(Trotzdem denke ich, dass es Rollenspielen wie DSA, die sehr offensichtlich pseudohistorisch angehaucht sind, gut täte, wenn die Autoren mehr Plan hätten von dem Zeitrahmen, an den sie ihre Spielwelt anlehnen. Weniger Klischees und so.   

Offline Bitpicker

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #43 am: 28.11.2006 | 18:11 »
@Bitpicker
Es geht um Rollenspiele, nicht um Romane oder Filme.

Das sind für mich nur drei unterschiedliche Medien, aber Historizität sehe ich in allen drei Medien als gleich wichtig an. Beispiele aus Literatur und Film sind anderen aber vermutlich geläufiger oder zumindest für sie überprüfbarer als Beispiele aus meinen RPG-Sessions.

@ Vermi: oi, das ist aber schon lange her, nicht wahr?

Robin
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #44 am: 28.11.2006 | 18:14 »
Ich mag historische - oder, um das mal etwas weiter zu umfassen, realweltliche Settings. Und ich finde, eine gewisse Authentizität ist schon nötig, zumindest beim groben Rahmen. Der König von England im Jahr 1192 hieß eben nicht Walter, sonder Richard. Mittelalterliche Ritter wurden von ihren Bauern nicht angepflaumt, weil die demokratischere Strukturen wollten (zumindest nicht, ohne daß die Bauern eine ordentliche Tracht Prügel kassiert haben). In Indien sind die meisten Leute Hindus, nicht Buddhisten.

Der enge Rahmen ist dann nicht mehr so wichtig - da kann es ruhig zu Anachronismen kommen. Ja, es gab im Jahr 1200 noch keine Wasserpfeifen, aber das wußten wir nicht, und jetzt bleiben sie eben da.  ;)

Ich recherchiere aber auch gerne, wenn es um 'fremde' Kulturen geht. Ob das jetzt die Franzosen im Mittelalter, nordamerikanische Indianer in der Jetztzeit oder sonstwas ist. Interessante Details verteile ich weiter an die Spieler oder baue sie in das Abenteuer ein, uninteressante oder undramatische lasse ich eben weg oder verbiege.

Bestes Beispiel: Weibliche Charaktere. Ja, die haben in historischen Settings eigentlich am Herd zu sitzen und die Klappe zu halten, wenn die Männer reden, aber das ist langweilig, vor allem, wenn SpielerInnnen dabei sind, die lieber weibliche Chars spielen. Andererseits ist es aber auch seltsam, wenn Frauen genau dieselbe Position haben wie Männer und ohne weiteres Heerführer oder Kardinal werden können (zumindest, wenn das als historisches Setting deklariert worden ist). Also nehmen wir in unserer Ars-Magica-Runde den Mittelweg: Es gibt Frauen, die aus dem mittelalterlichen Rollenbild ausbrechen und dafür nicht gleich am Pranger landen. Aber sie sind ungewöhnlich und ernten seltsame Blicke. Das funktioniert ganz gut - das Gefühl der Authentizität bleibt einigermaßen gewahrt, und die Spieler können mit ihren Charakterinnen Spaß haben.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #45 am: 28.11.2006 | 18:35 »
Für eine historische Kampagne würde ich es zumindest vorziehen, wenn einige grudsätzlichen Dinge "authentisch" dargestellt werden. Übertriebene Detailfülle bringt aber auch niemandem was, das behindert nur das eigentliche Spiel. [...]

Soweit gehen wir konform. Details sind gut, aber welche Rolle spielt es, ob mein Hemd aus Seide oder Brokat ist, wenn ich es mit "edler Kleidung" umschreiben kann?

Ferner ist es ja nicht uninteressant, sich an - vermeintlich - historische "Fakten" zu halten. Der Grund dafür ist ja hauptsächlich, zu "romantischen Vorstellungen" Abstand zu halten - "schmutzig" und "dreckig" zu spielen.

Warum Abstand vom romantischen Klischee halten? Warum alle Phantastik aus dem Spiel verbannen? Kein Prosatext, sofern er gut geschrieben wurde, stellt sich diesen Anspruch, warum soll ich das dann für mein Rollenspiel auf mich nehmen?

Überbewertet.

 ;D Danke!


Offline Bad Horse

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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #46 am: 28.11.2006 | 18:45 »
Warum Abstand vom romantischen Klischee halten?
Weil die Realität unter Umständen interessanter ist?  ;) (Wenn sie es nicht ist, gut, dann her mit dem Klischee...  ::))

Zitat
Warum alle Phantastik aus dem Spiel verbannen?
Das will doch gar niemand. Oder? Die meisten historischen Spiele sind maximal pseudohistorisch und beinhalten Feen, Magier und Drachen.

Zitat
Kein Prosatext, sofern er gut geschrieben wurde, stellt sich diesen Anspruch, warum soll ich das dann für mein Rollenspiel auf mich nehmen?

Es gibt durchaus Romane, die für sich in Anspruch nehmen, historisch korrekt zu sein. Das mußt du ja nicht nachmachen - du solltest nur nicht den 'King-Arthur'-Fehler machen und behaupten, du wärst authentisch, wenn du es dann nicht bist. Wenn du deinen Spieler von vorneherein sagt, daß du es mit den Fakten nicht sooo genau nimmst, sind die sicherlich auch toleranter. Und im Grenzfall kannst du auf genau diese Aussage verweisen, wenn jemand quengelt.

Und schadet es jetzt wirklich, wenn ein Spieler weiß, wann und wo Seide oder Brokat angemessen sind?  ;) Das sollte den Plot ja wohl nicht zerstören...
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #47 am: 28.11.2006 | 20:24 »
Weil die Realität unter Umständen interessanter ist?  ;) (Wenn sie es nicht ist, gut, dann her mit dem Klischee...  ::))

Ist sie aber nicht. Nur wenn wir sie filtern, das ist meine These. Demnach ist auch jede Frage nach objektivität sinnlos, aber das wurde hier im Thread schon mal angedeutet.

Das will doch gar niemand. Oder? Die meisten historischen Spiele sind maximal pseudohistorisch und beinhalten Feen, Magier und Drachen.

Zwangsläufig, aber meine Idee von Phantastik ist eine andere als deine, Drachen sind kein essentieller Bestandteil ;D

Es gibt durchaus Romane, die für sich in Anspruch nehmen, historisch korrekt zu sein. Das mußt du ja nicht nachmachen - du solltest nur nicht den 'King-Arthur'-Fehler machen und behaupten, du wärst authentisch, wenn du es dann nicht bist. Wenn du deinen Spieler von vorneherein sagt, daß du es mit den Fakten nicht sooo genau nimmst, sind die sicherlich auch toleranter. Und im Grenzfall kannst du auf genau diese Aussage verweisen, wenn jemand quengelt.

Es gibt aber keinen Roman, der die Wirklichkeit/Realität nicht filtert. Das ist der Punkt, und wenn mein Filter gewisse historische Aspekte filtern will, dann lasse ich ihn das machen. Das Beispiel mit weiblichen Spielern ist obligatorisch und schon genannt.

Und schadet es jetzt wirklich, wenn ein Spieler weiß, wann und wo Seide oder Brokat angemessen sind?  ;) Das sollte den Plot ja wohl nicht zerstören...

Das sage ich auch nicht, ich sage nur, das es keine entscheidende Rolle spielt ob ich byzantinische Seide, französisches Brokat oder deutsches Leinen trage. Angemessen ist angemessen.

Ein

  • Gast
Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #48 am: 28.11.2006 | 20:51 »
Zitat
Und schadet es jetzt wirklich, wenn ein Spieler weiß, wann und wo Seide oder Brokat angemessen sind? ;) Das sollte den Plot ja wohl nicht zerstören...
Das nicht, aber der hochrote Kopf des Möchtegern-Mittelalterexperten ist ein Garant für einen versauten Abend.

@Agroschim
Danke. Wenigstens einer versteht mich.

Boni

  • Gast
Re: Historische Authentizität - völlig überbewertet?
« Antwort #49 am: 28.11.2006 | 21:26 »
Hm, das ganze ist zu einer netten Grudnsatzdiskussion mit polarisierten Standpunkten geworden. Man kann vielleicht sagen, daß es auf die Einstellugn des Einzelnen bzw. die Spielart der Gruppe ankommt, wie man es handhabt. 'nuff said, denke ich.

Nur eine (OT)-Äusserung zur historischen Realität und deren Interessantheit:
Ist sie aber nicht. Nur wenn wir sie filtern, das ist meine These.

Wenn du mal wirkliches überzogenes Familiendrama lesen möchtest (und ich meine so überziogen, da kann keine Soap der Welt mithalten), ließ dich mal in die Geschichte des französischen Königshauses im 14. Jahrhundert ein. Ich habe in der Bib Tränen gelacht, was die Realität manchmal anstellt.