Alles was mir spontan noch dazu einfällt, ist: Der Autor ist tot, lang lebe der Text.
Mir hingegen gelingt es weder spontan noch unspontan die Aussage dieses Satzes zu verstehen...
Klar, es ist sogar recht offenkundig, das WFRP nicht fair sein will. Nur ist es ja durchaus denkbar, dass ein Fan des Settings "Warhammer", oder einer, der einfach nur ein ihm zusagendes Dark Fantasy-RPG sucht, nun eben gerne ein balanciertes WFRP gesehen hätte. Ich zum Beispiel.
Das ist natürlich Dein gutes Recht. Die Sache ist nur die, dass das
WFRP noch nie balanciert war. Es war schon in der alten Form bewusst 'schief' und dies war stets eine der Besonderheiten dieses Spielsystems, die von vielen Fans, gerade im angloamerikanischen D20-Monokultur-Raum, auch so gewollt wird. Das muss einem nicht gefallen, aber es ist eines der kantigen 'Markenzeichen' eines Systems, das nach Meinung vieler Spieler schon vielzusehr in D&D-Richtung 'abgerutscht' ist. Natürlich darf man das kritisieren, aber das ist m.E. ähnlich sinnvoll wie z.B. Kritik an der hohen Charaktersterblichkeit bei Cthulhu. Auch die gefällt vermutlich nicht jedem dem das 20er Jahre Setting gefällt.
Erneut: Ein System bei dem ich sowohl als Bauer als auch als Soldat beginnen kann, das kann per se nicht 'fair' sein - jedenfalls nicht ohne über die Regeln irgendeinen Ausgleich zu konstruieren, der den Bauern in irgendeiner spielrelevanten Weise 'besser' sein lässt als den Soldaten.
Ich mag den Hintergrund sehr gerne und verbinde viele schöne Sachen mit WFRP, mag das Rollenspiel. Aber nur, weil die Autoren offenbar mit dem Spiel etwas anderes im Sinn hatten, als das, was ich mir erhofft habe oder was andere sich erhofft haben, heißt das noch lange nicht, dass das nicht trotzdem ein Kritikpunkt sein kann.
Natürlich nicht, aber das sage ich ja auch gar nicht. Du darfst kritisieren was immer Du willst. Dennoch hatte ich hier den Eindruck, dass diese fehlende 'Balance' hier und dort für einen Unfall gehalten wird, eine Art Flüchtigkeitsfehler. Das ist sie nicht.
Alles was ich sagen wollte ist, dass das Fehlen einer von Regelseite konstruierter Balance
gewollt ist, eine bewusste Entscheidung die sowohl aus der Tradition des Spiels, als auch aus der 'Unfairness' der Spielwelt heraus begriffen werden muss.
Wie gesagt, das muss einem nicht gefallen und man darf es natürlich kritisieren.
Da wir ja, wie immer betont, eh auf einer rein subjektiven Bühne aufspielen, kann man ja durchaus sagen: "In meinen Augen haben die Entwickler da Mist gebaut..."
Dann eben nicht mit dem Fortsatz "...als sie es nicht geschafft haben, das Spiel in Balance zu bringen.", sondern halt "...als sie sich dagegen entschieden haben, das Spiel in Balance zu bringen.
Du hast absolut recht: Ob das wirklich "Mist" ist, das ist völlig subjektiv...
Ich persönlich glaube, dass es aus erwähnten Gründen unmöglich gewesen wäre eine wirklich 'balancierte' Form des
WFRSP zu schreiben - jedenfalls nicht ohne bizarre Regelkonstrukte zu bemühen oder etablierte und von der Mehrheit der Spieler geschätzte Spielaspekte über Bord zu werfen.
Ja, das Spiel hat Ecken und Kanten, ist in vielem eher altertümlich und oftmals mangelt es etwas an der Eleganz. Dennoch ist es (auch gerade dadurch?) einzigartig, unverwechselbar und nicht-austauschbar.
Ein 'faires'
WFRSP mit Kaufsystem und generischen Standard-Karrieren die jedem SC gleiche und faire Entwicklungschancen bieten hätte m.E. keine Existenzberechtigung gehabt, denn dann hätte man die Alte Welt auch gleich in einer D20-Lizenz verpacken können (mit dem Gedanken hat GW seinerzeit durchaus gespielt). Ich persönlich bin Chris Pramas dafür dankbar, dass er nicht den vermeindlich leichteren Weg gegangen ist und ein gesichtsloses Standardsystem geschaffen hat.
Naja, so in Balance wie jetzt war das Warhammer RPG noch nie.
Genau. Das Spiel ist deutlich fairer als es die alte Fassung war. Ein Mehr an gewollter Gleichmacherei hätte das Spiel m.E. zu weit von seinen Wurzeln entfremdet.
Was alles weitere betrifft, so kann ich nur noch auf die von
Fimbul in der
Alten Welt gemachten Anmerkungen zum Thema verweisen, denn dem ist wenig hinzuzufügen (
Direktlink, 9. Beitrag der Seite).
Gruß,
RN
P.S.: Um das zu betonen: Ich kritisiere nicht die Kritik oder maße mir an, sie als völlig unberechtigt zu verwerfen, aber ich erlaube mir, sie durch die Erklärung der Hintergründe zu relativieren und aufzuzeigen, dass einige der kritisierten Punkte keine 'Fehler im System' sondern bewusste Stilmittel sind, die dazu beitragen, dass das
WFRSP etwas eigenständiges ist - und zwar nicht nur durch die Spielwelt.
Ich will erklären, nicht bekehren!