Autor Thema: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz  (Gelesen 2509 mal)

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Offline Bitpicker

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Es gibt mehrere Möglichkeiten, als Windows-Benutzer auch mal Linux zu testen oder auch nebenher zu benutzen, bis man merkt, dass man Windows gar nicht mehr braucht. Es ist keine Entweder-Oder-Entscheidung.

Am einfachsten lässt sich Linux testen, indem man von einer Live-CD ein Linux-System bootet. Dabei passiert einem bereits installierten Windows-System überhaupt nichts, solange man nicht auf irgendwelche Icons namens 'Installation' klickt, und auch da ist nicht sofort Schicht im Schacht. Die meisten Distributionen kommen mittlerweile als bootfähige Live-CD daher, allen voran der Vater der Idee, Knoppix. Auf so einer CD finden dank ausgeklügelter Packmechanismen bis zu 2 GB an Prgrammen Platz. Trotzdem gibt es von Knoppix und anderen Distris auch DVDs mit noch viel mehr Software. Das größte Problem ist eigentlich, von der Vielfalt an Programmen im Startmenü nicht erschlagen zu werden.

Sehr nützlich sind Live CDs auch, wenn es darum geht, die Kompatibilität eines Systems zu testen. Nicht jeder Hardwarehersteller gibt Linuxprogrammierern bereitwillig Auskunft über seine Produkte, daher gibt es immer noch Inkompatibilitäten, wobei ein modernes Linux deutlich mehr Hardware ohne Rückgriff auf Treiber-CDs von Herstellern erkennt und verwenden kann als Windows XP; was natürlich vornehmlich am Alter des letzteren liegt. Im übrigen heißt das Versagen einer Distribution auf einem Rechner nicht, dass eine andere auch nicht funktionieren wird.

Alter ist ein wichtiges Stichwort: Linux entwickelt sich rasend schnell. Eine Live CD, die schon ein halbes Jahr herumgelegen hat, interessiert nicht mehr. Vor einem halben Jahr konnte eine NTFS-Partition (Windows XP-Dateisystem) noch nicht zuverlässig beschrieben werden; heute ist das kein Akt mehr. Linux hat Produktzyklen wie andere Betriebssysteme Patch Days. Aber das heißt nicht, dass man sein System dauernd ändern muss. Wenn es einmal läuft und alle Software vorhanden ist, die man braucht, zwingt einen nichts mehr zum Updaten, da das System zwar vielleicht im Vergleich veraltet, aber nicht altert, da es solche Undinge wie die Registry, die sich immer mehr zumüllt, nicht gibt.

Bei Live CDs gibt es natürlich Nachteile: das System muss jedes Mal beim Hochfahren wirklich alles neu durchtesten, was länger dauert als das Booten von Platte. Das System bringt vielleicht keine deutschen Versionen der Oberfläche und der Software mit, es installiert vielleicht nicht einmal eine deutsche Tataturbelegung. Aber die meisten Live CDs können ihre Einstellungen auf andern Datenträgern speichern, so dass diese Nachteile wenigstens teilweise ausgeräumt werden können.

Noch ein weiterer Fall, wo Live CDs sehr nützlich sind: wenn bei Windows nichts mehr geht, sind Live CDs wie grml, Insert, Linux Rescue CD, RIP usw. oder auch gewöhnliche Knoppixe oft sehr hilfreich.

Der Normalfall für Leute, die beide Systeme auf Dauer nebeneinander laufen lassen wollen, ist ein Dual Boot System. Dabei werden einfach beide oder auch mehrere Betriebssysteme im gleichen Rechner installiert. Windows ist dabei nicht unbedingt friedlich; es verlangt z.B. gerne, auf der ersten Partition zu liegen oder zumindest das zuerst installierte System zu sein. Wenn schon ein Linux da ist, ist die nachträgliche Installation von Windows daneben kein Zuckerschlecken. Vista macht zudem noch mehr Mucken, soweit ich weiß, aber auch dazu gibt es Hilfestellungen im Netz, ein Parallelbetrieb ist also möglich.

Wer ganz auf Nummer Sicher gehen will, sollte sich eine zweite Festplatte holen; wenn das BIOS das mit dem Booten hinbekommt, kann das auch z.B. eine externe USB-Platte sein. Auch von USB-Sticks lassen sich Linuxe booten. Dabei wäre es im Prinzip möglich, über die Bootreihenfolge im BIOS zu entscheiden, welches OS denn nun geladen wird. Das mag lästig sein, ist aber schmerzlos.

Ansonsten erfolgt die Auswahl des Betriebssystems über einen Linux-Bootloader, das ist entweder Lilo oder öfter Grub. Dieser Bootloader wird in den Bootsektor der Festplatte geschrieben, von der das BIOS booten will. Das kann in seltenen Fällen zu Problemen mit Windows führen; die meisten Distris heutzutage dürften das aber problemlos hinkriegen. Alternativ kann der Bootloader auch auf eine Bootdiskette oder ein anderes Medium geschrieben werden, dann bootet weiter Windows, wenn dieses Medium nicht vorhanden ist. In meinen Anfängertagen habe ich das auch so gemacht.

Um Linux neben Windows auf eine Platte zu kriegen, muss darauf erst mal Platz geschaffen werden. In der Regel wird der gesamte Platz für Windows reserviert sein. Sehr hilfreich ist es, wenn die Platte bereits in mehrere Partitionen unterteilt ist, denn dann kann man vielleicht auf die letzte Partition verzichten und den Platz für Linux zur Verfügung stellen. Ist das nicht der Fall, bringen alle Distributionen heutzutage Partitionsprogramme mit, mit denen auch Windows-Partitionen verkleinert werden können. Hier gilt natürlich, dass vorher alle wichtigen Daten irgendwohin gesichert werden sollten.

Windows hat die unangenehme Angewohnheit, manchmal auch Daten in die letzten Ecken der Platte zu schreiben. Linux kann die Partition aber nicht verkleinern, wenn dort Daten liegen (ich hab's zwar nicht versucht, aber es scheint auch nicht möglich zu sein; Linux gibt immer an, wie viel Platz verfügbar gemacht werden kann). Die Windows-Partitionen sollten also immer vorher defragmentiert werden, um möglichst große freie Endabschnitte zu erhalten. Leider kann der Windows-eigene Defragmentierer nicht so konfiguriert werden, dass er auch wirklich alle Dateien vom Ende wegholt; aber andere Defragmentierer, z.B. der aus den Norton Utilities, können das. Notfalls kann man mit diesen auch riesige, unnötige Dateien (selbst gemache Iso-Images bieten sich da an) ans Ende der Platte speichern, die man anschließend löscht, so dass man dort auf diese Weise Platz generiert.

Wenn die Daten gesichert sind, sollte man dem Linux nach Auswahl der Installation neben Windows erst mal freien Lauf bei der Installation lassen; es wird schon eine vernünftige Partitionsoption wählen. Meist erstellt es eine Standardpartition im ext3-Format und eine weitere für Swap; das ist die Auslagerung, die bei Linux immer eine eigene Partition darstellt, mit der man außer Auslagern auch nichts machen kann.

Der Bootmanager sollte beim Hochfahren nach der Installation eine Liste von Betriebssystemen anzeigen, von denen in der Regel das oberste automatisch geladen wird, wenn ein paar Sekunden lang keine Auswahl erfolgt.

Was den Datenaustausch angeht: Linux kann Fat16, Fat 32 und NTFS lesen und schreiben, wenn die Distri ausreichend aktuell ist. Windows kann von Haus aus nix mit Linux-Dateisystemen anfangen, aber es gibt freie Software, mit der man das nachrüsten kann. Sinnvoll ist die Einrichtung einer Partition in Fat32 (man weiß ja nie) als Datenschleuse, auf die Linux und Windows gemeinsam zugreifen können. Aber die Windows-Dateisysteme können keine Zusatzinformationen wie Zugriffsrechte, Besitzer usw. speichern. Deshalb kann es durchaus sein, dass Daten von solchen Partitionen nur vom Root-User bearbeitet werden können.

Hat man Windows erst mal dazu gebracht, Platz freizugeben, kann man in dem Freiraum durchaus auch mehrere Linuxe installieren (oder auch BSD usw.). Nur der vorhandene Platz schränkt den Spieltrieb ein. Lediglich bei älteren Rechern kann es sein, dass das BIOS das Booten von Systemen jenseits eines bestimmten Festplattenzylinders nicht unterstützt.

Es gibt noch weitere Möglichkeiten der Koexistenz. Zunächst einmal gibt es virtuelle Maschinen. Das sind durch Software emulierte Computer, die in einem Fenster booten können. Microsoft selbst bietet ein kostenloses Tool für Windows namens Virtual Computer an, das genau das tut. Das habe ich aber noch nicht ausprobiert. Was unter Windows auf jeden Fall geht, ist der VmWare Player, für den es auch bereits jede Menge vorinstallierte Linuxe und andere Systeme gibt, die man einfach huernterladen und starten kann. Der VmWare-Player ist eine abgespeckte und kostenlose Version der VmWare Workstation, dieses Programm ist ein richtiger Emulator, der auf bestimmte Voraussetzungen hin konfiguriert werden kann und zum Installieren von Betriebssystemen benutzt werden kann, während der Player nur fertige Images wiedergeben kann (es gibt aber Möglicheiten, solche Images trotzdem selbst zu bauen, ohne VmWare Workstation kaufen zu müssen).

Besonders für Windows-Freunde, die lediglich lieber sicherer im Netz unterwegs wären, ist der VmWare-Player eine gute Lösung. Es gibt eine sogenannte Internet-Applikation, die man bei VmWare von der gleichen Seite wie den Player herunterladen kann, und die auf Ubuntu basiert (wenn ich mich nicht irre): damit läuft ein fertig vorkonfiguriertes Ubuntu Linux im Windows-Fenster (auch im Vollbild), das auf das Internet zugreifen kann, aber resistent ist gegen Viren, Spyware usw.

Manche Distributionen kann man auch als Images für diesen Player herunterladen und testen. Den Player gibt es auch für Linux, aber es gibt natürlich keine vorgefertigten Windows-Images dafür, denn das wäre ja illegal.

Unter Linux kann man auch Windows, wenn man eine gültige Lizenz dafür hat, legal in so einer virtuellen Maschine installieren. Achtung! Vista verbietet das m.W. außer in der teuersten Version explizit in der Lizenzvereinbarung!

Andere virtuelle Maschinen unter Linux können mit Bochs, qemu oder Virtualbox realisiert werden, wobei die letztere meiner Meinung nach am einfachsten zu bedienen ist.

Die Königsdisziplin in der Virtualisierung ist die echte Virtualisierung mittels solcher Programme wie Xen. Damit ist es möglich, mehrere Betriebssysteme sogar nebeneinander in virtuellen Maschinen zu starten und zwischen ihnen hin und her zu schalten, während beide aktiv sind, so dass z.B. auf demselben Rechner gleichzeitig und vollkommen unabhängig voneinander ein Webserver und ein Desktop-System laufen können. Aber das ist nicht gerade ein Einsteigerthema.

Dann gibt es noch die Möglichkeit, Programme aus der einen Welt in der anderen laufen zu lassen. Das ist aber nur mit recht großen Einschränkungen möglich. Wer Linux-Programme unter Windows einsetzen will (soweit es diese Programme nicht sowieso als Windows-Versionen gibt), kann das mit cygwin tun. Umgekehrt ist es natürlich für die meisten interessanter: das Stichwort heißt Wine.

Wine ist ein rekursives Akronym (noch so eine Linux-Mode) und heißt 'Wine is no emulator'. Wine emuliert nicht etwa einen Rechner, sondern gaukelt Windowsprogrammen vor, sie liefen in einer Windows-Umgebung. Alle Anfragen solcher Programme an das Betriebssystem übersetzt Wine in Linux-Anfragen und umgekehrt. Wenn eine Windows-Anwendung erst einmal mit Wine richtig läuft, ist sie daher von einer Linux-Anwendung kaum noch zu unterscheiden. Sie bekommt dieselben Fensterdekorationen, greift auf das gleiche Dateisystem zu usw. Aber leider ist es meist eine Kunst, die Programme zum Laufen zu kriegen.

Wine alleine reicht meist nicht zur Vorbereitung einer Windows-ähnlichen Umgebung. Es gibt Tools wie die winetools, die z.B. den Explorer und die MS-Schriften aus dem Netz nachladen usw. Damit wird die Wahrscheinlichkeit eines Gelingens schon mal gesteigert. Wenn man eine Windows-Lizenz hat, kann man auch Windows mit Wine installieren; das wird dann zwar nie benutzt, liefert aber viele notwendige Bibliotheken mit. Das steigert die Wahrscheinlichkeit für ein Gelingen der Installation anderer Software ungemein.

Bei mir laufen derzeit drei Windows-Programme mit Wine, und das ohne zusätzliche Installation von Windows: IrfanView, Classic Painter und StarCalc, eine Freeware zur Simulation von Sternenhimmeln.

Es gibt zwei kommerzielle Ableger von Wine, mit denen wesentlich mehr Windows-Programme laufen als mit Wine: cedega für den Spielemarkt und Crossover Linux (früher Crossover Office) für alles andere. Es gibt übrigens auch Crossover Mac für Leute, die Windows-Programme auf dem Mac benutzen wollen.

So, das dürften alle Möglichkeiten sein, Windows und Linux unter einen Hut zu bekommen.

Robin
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Offline Bitpicker

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Re: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz
« Antwort #1 am: 1.02.2007 | 18:45 »
Hier noch zwei Screenshots; der eine zeigt Irfan View, das mit Wine läuft und seinerseits einen Screenshot der normalen Oberfläche anzeigt; der zweite zeigt ein Windows 98, das im VmWare Player im Vollbildmodus dargestellt wird, oben ist die ausklappbare VmWare-Leiste zu sehen.

http://www.nyboria.de/images/irfanlin.jpg
http://www.nyboria.de/images/win98lin.jpg

Schön bei den virtuellen Maschinen ist, dass sie ihren Zustand speichern können, sie müssen also nicht jedes Mal heruntergefahren und gebootet werden. Schlecht ist, dass ein Windows auf einem virtuellen Computer genau so anfällig für Viren etc. ist wie ein normales. Allerdings wird auch nur der virtuelle Rechner infiziert.

Robin
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Offline Jens

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Re: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz
« Antwort #2 am: 2.02.2007 | 11:35 »
Links für die Live-CDs die man sich auch downloaden kann wären ganz hilfreich :)

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Re: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz
« Antwort #3 am: 2.02.2007 | 14:48 »
Das Diskimage der Ubuntu-Distri lässt sich hier runtersaugen. Die LiveCD ist gleichzeitig die InstallationsCD. Die Distri habe ich gestern ausprobiert und es hat auf Anhieb geklappt. :)
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Re: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz
« Antwort #4 am: 2.02.2007 | 16:01 »
Links für die Live-CDs die man sich auch downloaden kann wären ganz hilfreich :)
In Deinem Laptop-Thread und im Distributionen-Thread findest Du solche Links...
:d

Offline Jens

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Re: [Tipp] Windows und Linux: friedliche Koexistenz
« Antwort #5 am: 2.02.2007 | 17:30 »
Ich sammel doch alles, was ich unter die Finger kriegen kann. Saugs mir dann Montag in der Uni und dann wirds ausprobiert! :)