Autor Thema: Abenteuer passgenau entwerfen, ohne R-Maps, C-Webs und Railroading  (Gelesen 6310 mal)

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Ich will ein Beispiel für ein Spiel, welches an Hand dieses Verfahrens geplant wurde, und dann will ich wissen, wie das Schema tatsächlich ins Spiel eingegangen ist.

Mann ohne Zähne

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Okay.

Das letzte Spiel, das ich mit Elemental Frameworks gespielt habe, war zugleich der Abschluss einer ganzen Reihe von Hongkong-Action-Abenteuern. Wir spielten damals nach der Idee von HKAT, nämlich dass die Helden des Films Schauspieler sind, die für jeden Film in eine neue Rolle schlüpfen.

Dies resultierte in fünf Charakteren/Schauspielern, von denen jeder bestimmte Vorlieben und Stärken hatte: Der eine war sehr körperlich, während andere auch gerne Szenen spielten, die soziale Interaktion von ihm verlangten. Diese Darsteller-Vorlieben waren natürlich ganz offensichtliche Flags für mich, ich hatte es einfach damit.

Die Elemente waren, soweit mich mein Gedächtnis trägt, folgende: Macht, Gefahr, Sense of Wonder, Spannung. Ich habe diese Elemente in ihre Bestandteile auseinanderklamüsert, also z.B. "Macht = Verhalten -- Gedanken -- Beeinflussung", usw.

Ich kann mich noch gutg erinnern, dass ich feststellte, dass in meiner Definition von Spannung auch "Gefahr" enthalten war ("Gefährdung von etwas Wertvollem"), deshalb habe ich die "Gefahr" gestrichen. Mit den Variablen der restlichen drei Elemente reichte ich auch gut aus.

Und dann machte ich's wirklich nach Vorschrift und verband die einzelnen Variablen mit Linien (aber ich zog sie zufällig, eine Option, die im Text auch erwähnt wird). Dann schrieb ich die Flags meiner Spieler einzeln auf Vokabelkärtchen und legte sie vor mich hin, schob sie durcheinander, und irgendwann begann mein Hirn, irgendwelche Verbindungen und Gemeinsamkeiten zu entdecken. Einer der Helden war zum Beispiel in einem Kräuterladen angestellt und entdeckte in einer lebensbedrohlichen Situation, dass er ganz außergewöhnkiche Chi-Kräfte besaß. Von nun an verbrachte er seine freien Stunden auf der Suche nach alten Lehrbüchern. Ein anderer Mitspieler spielte einen alten Kungfu-Meister, langbärtig und verkauzt, dem schon vor langer Zeit seine Schüler abhanden gekommen waren. Die Verbindung war klar: Chi-Kraft. Diese setzte ich einmal als Wert an die Stelle des "wertvollen Gegenstands", und ein anderes Mal an die Stelle der Variable "Beeinflussung".

Als Startsituation hatte ich damals festgelegt, dass der Film die Hongkong-Action-Variante von "Truman Show" sein sollte. Die Charaktere waren, wie im Film Truman selbst, allesamt Bewohner der gigantischen Kulisse, ohne zu wissen, dass es eine Kulisse war. Den "wertvollen Gegenstand Chi-Kraft" brachte ich in Gefahr, als der junge Schüler und der alte Kauz plötzlich feststellen mussten, dass ihre Kräfte plötzlich gar nicht mehr wirkten, als die Sicherheitskräfte des Studios hinter ihnen her waren (sie holten sie sich später wieder, indem sie, HK-typisch, mit aller Anstrengung ihre Kampfkunstformen trainierten). Auch der ihnen von Geburt an eingetrichterte Gehorsam gegenüber Autoritäten (Variable "Verhalten") erlitt einige deftige Dellen und wandelte sich zum Wert "Ungehorsam".

Ich hatte einige Ideen in das Framework geschrieben, die ich eigentlich noch anbringen wollte, die aber einfach nicht in den Fluss gepasst hätten; die ließ ich einfach draußen und  hob sie für den nächsten Film auf. Für den hatten sich aber bereits so viele gute Ideen aus den Aktionen meiner Spieler ergeben, dass ich das Framework gar nicht mehr brauchte.

Das Framework habe ich vor und während des Spiels gebraucht, um zu entscheiden, welche Situation ich den Spielern präsentieren würde.  Ich hatte beim "Sense of Wonder" unter anderem die Variable "etwas Beeindruckendes/Erschütterndes" (oder so ähnlich), und hatte als Kicker geplant, wie im Film einen Scheinwerfer vom Himmel fallen zu lassen. Unter die Variable hatte ich geschrieben, dass etwas Fremdartiges (Studioausstattung) in die Welt der Fernsehstadt hereinbricht. Ich habe mich dann dafür entschieden, dass einer der Helden einen Zettel in seinem Vorgarten findet, zerknüllt, jemand hat ihn achtlos weggeworfen. Als einer der Protagonisten den Zettel wegwerfen will, entdeckt er, dass er offenbar beobachtet wird, denn minutiös aufgelistet steht auf dem Blatt, was er, der Held, gestern getan hat. Und als Abschluss dann der Satz: "Die Quote gestern war traumhaft!"

Ich habe also die Wertigkeit von Variablen je nach Spielfluss neu besetzt oder geändert. Aber mit dem Framework ist das leicht möglich. Ich hatte auch damals meine Amber-Kampagnen mit einem ganz ähnlichen System geleitet, aber die klare Strukturierung fehlte mir.

****
P.S.
"Kicker" hießen die Szenen damals bei uns noch nicht, das waren einfach "Actionszenen zum Anfang" :D
« Letzte Änderung: 6.02.2007 | 00:28 von Norbert Matausch »

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Zitat
Ich habe diese Elemente in ihre Bestandteile auseinanderklamüsert, also z.B. "Macht = Verhalten -- Gedanken -- Beeinflussung", usw.

Ist das dann so ein freies Assoziationsspielchen?


Zitat
"Kicker" hießen die Szenen damals bei uns noch nicht, das waren einfach "Actionszenen zum Anfang"

Sind Kicker nicht per Definition vom Spier ausgewählt?

Mann ohne Zähne

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Ist das dann so ein freies Assoziationsspielchen?

Oha, nette Konnotation, die du da hast... aber man könnte es, mit etwas Dehnen und Strecken, als "Assoziationsspiel" bezeichnen, bei dem die Spieler definieren, was für sie das jeweilige Element/die jeweilige Erfahrung ist.

Zitat
Sind Kicker nicht per Definition vom Spier ausgewählt?

duh. Weiß ich, dass das große Gesetz der Forge es so befiehlt. Ich wollte damit nur verdeutlichen, dass es der Arschtritt ist, der die Charaktere ins Spiel befördert. Dann nenn ihn halt anders, wenn du willst.

Offline 1of3

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Oha, nette Konnotation, die du da hast... aber man könnte es, mit etwas Dehnen und Strecken, als "Assoziationsspiel" bezeichnen, bei dem die Spieler definieren, was für sie das jeweilige Element/die jeweilige Erfahrung ist.

Wieso jetzt die Spieler? Das macht doch der SL. *langsamverwirrtis*

Mann ohne Zähne

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Du machst das fast überzeugend, wirklich.
Wenn du natürlich ums Verrecken an jedem Buchstaben kleben willst, stößt du unter Umständen, oder, nein: garantiert, auf Schwierigkeiten, die du nicht hättest, wenn du etwas freier mit solchen Texten umgingest. Das gilt für Dobson genauso wie für die Theoretiker der Forge (was wird da nicht alles formuliert, oder fabuliert).

Wenn du als SL eine einsame Insel sein willst, dann tu das. Wenn du lieber die Spieler zum Definieren der Variablen ins Boot holen möchtest, dann mach' das.

Klar, Dobson schreibt, der SL solle das machen. Ich handhabe das lieber mit Bruce Lee: "Absorb what's useful, and reject what's useless". Ich als SL finde es ab und an ganz gut, wenn meine Spieler viel Mitspracherecht haben. Manchmal kotzt es mich an und ich bin lieber egomanischer Alle-Fäden-in-der-Hand-Halter.

Tatsache ist, dass die Frameworks funktionieren, egal, ob sie jetzt vom SL alleine oder von allen Spielern erschaffen wurden.

Offline 1of3

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Zitat
Du machst das fast überzeugend, wirklich.

Wenn du Teile der Methode änderst, dann erwarte ich bei einem Beispiel, dass du das zumindest mit reinschreibst. Ich hatte jetzt angenommen, dass du auf dem "Der SL ist auch nur ein Spieler!"-Trichter wärst oder sowas. Oder dass ich den Text von diesem Jon irgendwie falsch verstanden habe.

Es kann ja nicht jeder eine so hohe Lesekompetenz haben wie du. Mein Glaube an die meine wenigstens ist auch gerade arg gebeutelt, denn die Ankündigung

Zitat
Demnächst an dieser Stelle mehr

hätte ich schon so interpretiert, das du Erklärungen zu diesem Thema abgeben wolltest. Dass du jetzt gepisst reagierst, war für mich nicht abzusehen.

Ich wäre also durchaus an deinen weiteren Ausführungen grundsätzlich interessiert. Wenn deine Aufregung allerdings darin begründet lag, dass ich mich über Teller, Tasse und Told mokiert habe, so bist du ein Fanboy und verdienst tiefste Verachtung.

Mann ohne Zähne

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Wenn du Teile der Methode änderst, dann erwarte ich bei einem Beispiel, dass du das zumindest mit reinschreibst. Ich hatte jetzt angenommen, dass du auf dem "Der SL ist auch nur ein Spieler!"-Trichter wärst oder sowas. Oder dass ich den Text von diesem Jon irgendwie falsch verstanden habe.

Ah, jetzt's wird's heller... ich glaube tatsächlich nicht, dass Dobson irgendeinen großen Wert drauf legt, wer genau jetzt die Variablen festlegt. Das lese ich natürlich in den Text rein, aber wie erwähnt, den objektiven Leser gibt's halt nicht. Ich lese auch in seinen Text rein, dass ihm vielmehr das Verfahren (Definieren, freie Assoziation, etc) am Herzen liegt.

Zitat
Es kann ja nicht jeder eine so hohe Lesekompetenz haben wie du. Mein Glaube an die meine wenigstens ist auch gerade arg gebeutelt, denn die Ankündigung

hätte ich schon so interpretiert, das du Erklärungen zu diesem Thema abgeben wolltest. Dass du jetzt gepisst reagierst, war für mich nicht abzusehen.

Dein naives Nachfragen (von dem ich durchaus annehme, dass es absichtlich so gestaltet war, alter Provokateur) war mir einfach zu viel heute. Es gibt Tage, da reagiere ich origineller, wohl wahr.

Zitat
Ich wäre also durchaus an deinen weiteren Ausführungen grundsätzlich interessiert. Wenn deine Aufregung allerdings darin begründet lag, dass ich mich über Teller, Tasse und Told mokiert habe, so bist du ein Fanboy und verdienst tiefste Verachtung.

Nun ja, jeder von uns ist von irgendwas irgendwie ein Fanboy. Verachtung ist ein hartes, hartes Wort. Verachten würde ich niemanden. Und im Übrigen ist die Sache mit TTT einer der Parts, die für mich als ehemaligen Geisteswissenschaftler auch eher zur Kategorie "So what?" gehören. Aber mei, so sind's halt, die Leut', schreiben einfach, was sie wollen ;)

Und wenn ich demnächst dann endlich mal die Zeit haben sollte, die Methode vorzustellen, ist hoffentlich alles gut.

Offline Falcon

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Norbert schrieb:
Zitat
Das lese ich natürlich in den Text rein, aber wie erwähnt, den objektiven Leser gibt's halt nicht. Ich lese auch in seinen Text rein, dass ihm vielmehr das Verfahren (Definieren, freie Assoziation, etc) am Herzen liegt.
Ich habe auch schon gemerkt das du vieles anders liest ;) . Es wirkt nur komisch wenn du schon bei mir bemerkst wie unterschiedlich man einen Text doch lesen kann und jetzt selbst sagst, daß du etwas hineinliest. Ich tue das nicht und lese was dort steht, das erklärt auf jeden Fall warum ich mir sofort dachte "höh? was will der jetzt von mir"  ;)
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