Ist es dann nicht so, dass ein Held seeehr schnell wieder gesund ist, nachdem eben ein sehr harter Kampf ihn gerade auf -3 gebracht hat?
Also so schnell, dass es komisch ist... Gerade noch erbärmlich am Lebensfaden gebaumelt und ne Stunde später wieder total fit?
Das ist zum größten Teil eine Frage des Genres, des Settings und des Stils, in welchem man spielen will.
Savage Worlds KANN Grim&Gritty - dann gibt es z.B. KEINE magische Heilung, man verwendet die Gritty-Damage-Regeln, und man berücksichtigt so gut wie ALLES an Modifikatoren, was einem in den Sinn kommen mag.
Man bedenke: die Modifikatoren im Grundregelwerk sind für NATÜRLICHE Heilung gedacht! - Bei Erstversorgung und dem Verarzten von leichteren Verletzungen sind nach Grundregelwerk eh KEINE Modifikatoren vorgesehen. - Die gibt es dann in den jeweiligen Settingbänden und zwar meist in Form von POSITIVEN Modifikatoren für Kräutermedizin oder Sci-Fi-High-Tech-Medizin.
Aus dem obigen Zitat entnehme ich, daß es irgendwie "wünschenswert" wäre, wenn die SC LÄNGERE ZEIT mit -2 oder -3 Wunden-Abzügen auf ALLE Würfe herumlaufen.
Was ist daran so erstrebenswert?
Dann bekommt man einfach die gekrampfte Spielweise von anderen Regelsystemen verpaßt: Man macht EINE Kampfszene, danach fallen die SCs wieder 15 Tage und eventuell mehr aus, bis sie wieder fit sind. Dann die nächste Kampfszene, dann wieder zwei oder drei Wochen Erholungspause.
Also bei MIR und MEINEN Mitspielern führt solch eine Spielweise schnell zum Anöden durch Langeweile.
Savage Worlds Settings stellen die SC meist als HELDEN auf. - Ja, auch in Tour of Darkness, dem Vietnamkriegs-Weird-Wars-Setting sind die SCs einfach härter im Nehmen und ähnlich wichtig wie die Hauptfiguren in Kriegsfilmen. Und die läßt man auch nicht einfach so nach einem Schuß in den Arm erst einmal 6 Wochen ins Lazarett verfrachten, während der Film mit den verbliebenen Helden weitergeht.
Ein wichtiger Punkt der WIRKUNGEN der Wundabzüge ist Dir vielleicht entgangen: Abzüge von -1 sind schlimm, von -2 sind DEUTLICH spürbar, und von -3 sogar HEFTIG!
Savage Worlds arbeitet mit einer Zielzahl 4. Wird diese durch Abzüge auf 5 oder 6 oder 7 erhöht - und zwar für ALLE Eigenschaftswürfe! - dann ist der Charakter in ALLEM, was er tut massivst eingeschränkt und kaum noch erfolgreich.
Passiert dies während eines Kampfes, so kann man versuchen sich zurückzuziehen, sich in der Goldenen Stunde zusammenzuflicken und dann den Gegnern nachzusetzen. - Klappt das mit dem Zusammenflicken nicht in der Goldenen Stunde, dann VERLÄSST man effektiv den Schauplatz des Abenteuers, weil man ab da mehrere WOCHEN braucht, um nicht Selbstmord durch riskante Aktionen mit bestehenden 2 oder mehr Wunden zu begehen.
Wie schlimm die Abzüge sind, merkt man oft erst, wenn man mal selbst einen Charakter gespielt hat, der mit -2 Wunden-Abzügen über mehrere Wochen herumgelaufen ist.
Man bedenke: Die Schwierigkeit 1 Wunde zu heilen ist 4 + 1 (für 1 Wunde), bei 2 Wunden 4 + 2, bei drei Wunden 4 + 3.
Beispiel aus unserer Hellfrost-Runde:
Magischer Heiler: Skalde mit W8 im Arcane Skill.
"Mundane" Heiler: Axtschwingerin mit W6 und Tiw-Paladin mit W4 im Healing Skill.
Es ist ein voll ausgestatteter Heilungsset dabei, so daß es keine Abzüge für FEHLENDE Ausrüstung gibt.
Und für unterschiedliche Arten der Verletzung gibt es noch einige wenige Kräutermedizin-Anwendungen, die jeweils einmal +1 auf EINEN Healing-Skill-Wurf geben.
Unsere Gruppe sah VOR dem Endkampf so aus:
Skalde: 3 Wunden, Incapacitated, 2 Stufen Fatigue durch Krankheit.
Axtschwingerin: 3 Wunden (aber nur -2 Abzüge, da Hart im Nehmen), 1 Stufe Fatigue durch Krankheit
Tiw-Paladin: 2 Wunden.
Die Heilungswürfe stellten sich somit wie folgt dar:
Skalde (sobald er nicht mehr Incapacitated ist): Song Magic W8 - 3 (Wunden-Abzüge) -2 (Fatigue-Abzüge)
Axtschwingerin: Healing W6 - 2 (Wunden-Abzüge) -1 (Fatigue-Abzüge)
Tiw-Paladin: Healing W4 - 2 (Wunden-Abzüge)
Die Schwierigkeit den Skalden zu behandeln ist:
Incapacitation entfernen: 4
1. Wunde entfernen: 7
2. Wunde entfernen: 6
3. Wunde entfernen: 5
Als "bester" Heiler, hätte er (sobald er nicht mehr Incapacitated war), um sich SELBST zu heilen somit mit W8 - 5 eine 7 erreichen müssen. Also mit W8 effektiv eine 12 gewürfelt.
Das ist SEHR SCHWIERIG!
Vor allem ist die Chance sehr hoch ein NEGATIVES Ergebnis zu erzielen und alles zu VERSCHLIMMERN.
Vorgehensweise war, daß sich erst einmal der Tiw-Paladin SELBST behandelt hat: W4 -2 Wunden-Abzüge +1 Kräutermedizin-Anwendung gegen eine 6 (um zwei Wunden zu behandeln). Also war mit W4 -1 eine 6 zu würfeln. Bennie-Einsatz ergab nach ZWEI Bennies (das waren dann die letzten!) sogar einen Raise, der BEIDE Wunden entfernte. - UFF!
Nun mit W4 ohne weitere Abzüge zur Axtschwingerin, die eigentlich mit Healing W6 besser im Heilen ist. Die wurde auch wiederhergestellt (1 Wunde), so daß sie "nur" -1 aufgrund Fatigue hatte. - Und dann wurde der Skalde mit den letzten Kräuterheilungsanwendungen und ein paar Bennies soweit aufgepäppelt, daß er wieder - bis auf Fatigue - halbwegs wundenlos war.
Ich kann einfach NICHT nachvollziehen, daß das Heilen von Wunden bei SW "zu leicht" oder "zu schnell" oder "zu einfach" sein soll.
Wir haben mehr Bennies für Wundbehandlungen (gerade auch die magischen!, da bei Hellfrost ja noch das Syphoning jede 1 auf dem Arcane Skill BITTER macht) rausgehauen, als für andere Skill-Würfe. - Einfach, weil es, wenn erst einmal auch alle Heiler in der Gruppe angekratzt sind, SCHNELL VERDAMMT SCHWER wird, noch innerhalb der Goldenen Stunde alle Wunden zu beseitigen.
Die "Wunden" in SW sind ja auch keine Wunden im konkreten Sinne, sondern nur abstrakte, einschränkende Schädigungen. Eine ECHTE Wunde bekommt man erst, wenn man auf der Injury-Table gewürfelt hat - und dann weiß man WO und WIE schlimm und WIE LANGE diese Wunde einen behindern wird.
Die Wundstufen -1 bis -3 sind ABSTRAKTE Stufen ohne echte Zuordnung zu konkreten Körperteilen, Organen, usw.
Und das Behandeln dieser ABSTRAKTEN Wunden ist ja auch entsprechend abstrakt.
Das ist so ähnlich wie das Heilen von Hitpoints in anderen Regelsystemen. - Auch Hitpoints stellen eine Abstraktion dar. Wie eben die drei Wundenstufen in SW auch - nur grobgranularer (wie fast alles in SW etwas gröber gezeichnet ist).
Die Abwärtsspirale beginnt beim ERSTEN -1 Abzug auf ALLE Würfe - egal ob als 1 Stufe Fatigue oder 1 Wunde. - Kein Wunder, daß JEDER Spieler das hohe, bis extrem hohe Risiko seinen Charakter zu verlieren, wenn er verwundet weitermacht, kennt und durch Risikovermeidung (= Rückzug, Abbruch der Mission, Raus aus dem Dungeon, MedEvac! Wo zur Hölle bleibt der MedEvac!) damit umgeht.
Gönnen sich die SC bei solchen STÄNDIG passierenden "auf dem Zahnfleisch"-Szenen mal eine Goldene Stunde zum Heilen und Verarzten, dann haben sich sie - allein schon aufgrund des RISIKOS, das sowohl mit Magischer als auch medizinischer Heilung verbunden ist, den Abbau ihrer Wundenstufen VERDIENT!
Meiner Erfahrung nach, bekommen SCs bei SW NICHTS geschenkt!
Und - wieder mit Bezug auf die Hellfrost-Gruppe, in der ich selbst als Spieler unterwegs bin - eine Gruppe, die GUT vorbereitet ist, hat wenigstens die CHANCE solche Szenarien zu überleben. - Aus Rundenaufschrieben desselben Szenarios weiß ich, daß Gruppen, die mit "D&D-typischer" Vorgehensweise und der "Encounter-Schaffbarkeit" im Hinterkopf in dieses Szenario gegangen sind, TPKs gebaut haben. - Daher gilt: GUT vorbereitet sein, und WISSEN, wann man UMKEHRT!
Live to fight another day.
Die SCs bei SW sind schon in vielen Settings "heldiger" als z.B. ein Warhammer FRP SC. Aber sie sind NICHT "unkaputtbar" wie z.B. D&D-hochstufige Charaktere. - Bekommt man seine Wunden NICHT in der Goldenen Stunde ausreichend weg, dann MUSS man abbrechen und den Rückzug antreten, wenn man seinen Charakter noch ein wenig länger spielen möchte.
Wer seine SCs mit Wunden-Abzügen herumlaufen lassen MÖCHTE, weil er das KLEINHALTEN als Spielleiter so gewohnt ist, der darf sich darauf einstellen, daß es NICHT bei permanenten Verstümmelungen der SCs bleiben wird, sondern daß er sehr bald NEUE SCs braucht, weil die alten hinüber sind. - Das kann auch ein Spielstil sein. Es ist jedenfalls KEINER, der mir oder meinen Mitspielern liegen würde.