Ein fast adeliger Großwildjäger, der mit Gewehren nicht umgehen kann und seine Beute mit dem Messer erlegt.
Ein Ex-Navy-Raumjägerpilot, zum Ritter geschlagen und durch einen Datenbankfehler des Imperialen Adels-Verheiratungs-Dienstes seit neuestem mit einem waschechten Baron verlobt.
Eben jener Baron, auf der Flucht vor dem Elternhaus und auf der Suche nach einer guten Partie.
Ein Wissenschaftler, der in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter nichts gelernt hat außer Feiern und Computerbedienen.
Und ein bodenständiger Scout, der als einziger irgendwelche nützlichen Fertigkeiten hat.
"Ihr sitzt also alle zusammen in dieser Raumhafenkneipe auf Efate (Regina-Subsektor), als plötzlich..."Wir haben das Jahr 2007.
Ich weiß, was "gutes Rollenspiel" ist. Ich mache mir Gedanken über fokussiertes Design, gute Regeln, den Spaß am Rollenspiel, Dramaturgie, Plot, Spannungsbögen. Ich spiele den forgigsten Forge-Kram, mit Player Empowerment, ausgeklügelten Resourcenflüssen, fest verankerten Belohnungs- und Rückkopplungsmechanismen.
Aber nicht heute.
Auf dem Tisch neben mir liegt Traveller. Classic Traveller. Von 1977. Ich habe als Vorbereitung neben dem eigentlichen Plot mit Hilfe von Zufallstabellen andere Zufallstabellen erstellt. Ich hab Bodenpläne mit Quadratraster und Subsektor-Karten mit Hexfeldern ausgedruckt.
Und eben hat endlich der letzte Spieler seinen Charakter fertig ausgewürfelt. Seinen fünften. Die vier davor sind während des Erschaffungsprozesses gestorben.
Wurf auf die Polizei-Schikanierungs-Tabelle: Keine Schikanierung. Wurf auf die Zufallsbegegnungstabelle. 1D6 Wissenschaftler, mit einem Geländefahrzeug. Wurf auf die NSC-Reaktionstabelle: feindselig, könnten angreifen."Ihr sitzt also alle zusammen in dieser Raumhafenkneipe auf Efate (Regina-Subsektor). Ihr seht durch die großen Fenster, wie ein Geländewagen auf dem Parkplatz hält und drei Wissenschaftler aussteigen. Du (der SC-Wissenschaftler) erkennst sie. Es sind ehemalige Kollegen von der Universität Regina. Du mochtest sie schon früher nicht."Wenn mir jemand vor 2 Jahren erzählt hätte, dass mir Rollenspiel mit Tabellen, Zufallsbegegnungen und ausgewürfelten Charakteren Spaß machen würde, da hätte ich ihn wahrscheinlich nicht ernstgenommen. Aber es funktioniert! Ich würfle auf Tabellen, rechne abstruse Modifikatoren ein, versuche, die Ereignisse irgendwie in meinen vorbereiteten Plot zu integrieren, und es macht Spaß! Und nicht nur mir, sondern auch den Spielern!
Erst fälschen sie ihre Papiere, damit sie den Job auf einem Frachtraumschiff bekommen.
Es folgt eine der abstrusesten Übernachtungs-Szenen meiner Rollenspiel-Laufbahn. Die SCs schlafen zu fünft in einem Zimmer der "Travellers' Aid Society", die Verlobten im Bett, Scout und Jäger auf dem Boden und der Wissenschaftler in der Dusche in seiner aufgeblasenen "Survival Bubble".
Die Hinreise auf dem 200t-Far Trader verläuft fast ereignislos. Der Baron lernt schrubben. Und der Bodygard des Auftraggebers macht sich an den Jäger ran, der als Steward fungiert (ja, so schön ist die NSC-Reaktions-Tabelle).
Auf dem Zielplaneten angekommen verbringt die Crew die Zeit mit Saufen, Feiern und Liedergrölen, bemerkt aber nebenbei noch, dass sie sich auf einem Piratenstützpunkt befinden und ihr Auftraggeber eine größere Menge Waffen an Bord nimmt.
Während der Rückreise überwältigen sie den Auftraggeber und dessen Bodygard hinterhältig und liefern sie auf Efate der Imperialen Justiz aus.
Leider haben sie keinen Kaperbrief, so dass das Schiff als Beweismittel beschlagnahmt wird.
"Kein Kaperbrief, kein Problem!" Sie bestechen einen Imperialen Beamten, der einen Kaperbrief rückdatiert und die Mühlen der Bürokratie zum laufen bringt, so dass sie das Schiff behalten können.
Und so fliegen sie gemeinsam in den Sonnenuntergang!Fazit: Auch dreißig Jahre alte Rollenspiele können Spaß machen! Traveller leitet sich trotz der vielen Tabellen einigermaßen flüssig. Durch die Zufallsbegegnungen wirkt die Welt lebendig. Und wenn sich die Spieler - wie bei mir der Fall - auf das etwas abstruse System einlassen und das ganze auch noch halbwegs ("halbwegs") ernsthaft durchziehen, dann ist das Ganze ein Riesenspaß!
Herzlichen Dank an meine Spieler!
Und auf dem nächsten Treffen leite ich weiter, so dass, wer will, die restlichen zwei Drittel meines vorbereiteten Abenteuers auch noch erleben kann!