Wobei es die Billig produzierten Heftchen ja immer noch gibt. Auch wenn die Autoren vielleicht nicht mehr ganz so ausgebeutet werden.
Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Heftchen werden nicht mehr billig produziert, aber die Autoren kommen immer noch auf keinen grünen Zweig, weil sie nach wie vor unter den Bedingungen arbeiten, die schon für die Pulp-Heftchen der 30er Jahre galten. Fluffige, in kurzer Zeit geschriebene Masse sichert die Einkünfte. Durchschnittlich ein Heftroman pro Woche ist für Autoren das Minimum.
Pulp als Publikationsform, als "billig produzierte und verkaufte Heftchen" zu verstehen, funktioniert übrigens prinzipiell nicht:
Ein Romanheft kostet (Beispiel: "Perry Rhodan", also eine vergleichsweise hohe Auflage) 2,60 Euro für 64 Seiten, macht rund 0,04 Euro pro Seite. Ein Taschenbuch hat geringere Auflagenhöhen, ist aber dafür nicht auf Klopapier gedruckt und kostet bei 400 Seiten ungefähr 8,50 Euro, das macht rund 0,02 Euro pro Seite. Eine Romanheft-Seite entspricht knapp zwei Taschenbuchseiten, also vergleichen wir den Seitenpreis für Romanhefte von 0,041/2 =
0,02 Euro mit
0,021 Euro für Taschenbücher.
Merkt ihr was? Heftromane sind aus den Groschenromanen hervorgegangen, entsprechen aber heute dem Preis/Leistungs-Verhältnis gängiger Taschenbücher, die Publikationsform für jede Form von Literatur sind.
Selbst wenn ich Pulp-Hefte im Hardcover mit Ledereinband und Blattgoldprägung neu auflegen würde, bliebe es trotzdem Pulp. Und wenn ich Kurzgeschichten von Kafka in ein wenige Seiten starkes Heft drucken und als Titelbild ein kafkaeskes (und damit durchaus potentiell lockendes) Motiv verwenden würde, wäre es damit immer noch kein Pulp. Das hat also absolut gar nichts mit der Publikationsform zu tun.
Was richtig ist: Pulp ist kein Genre, sondern eine Gattung im Sinne einer Textsorte, die sich durch ihre inhaltliche und stilistische Merkmale von anderen unterscheidet. Das Genre definiert allenfalls die Kulisse, und wer sich mit Pulp beschäftigt hat, der weiß dass dies grundsätzlich austauschbar ist. Typische Plots der Pulp-Literatur können problemlos im Wilden Westen, im Weltraum, in der Großstadt oder in jedem anderen Milieu spielen. Die Arche- und Stereotypen sowie die Abläufe lassen sich problemlos von einer in die andere Kulisse verfrachten.
Pulp als Bezeichnung für die Textsorte ist zwar ein Produkt des ersten Drittels des vorherigen Jahrhunderts, aber die Gattung gibt es noch immer, nur dass sich eben die Publikationsform geändert hat - was vermutlich Ursache für den weit verbreiteten Fehlschluss ist, Pulp wäre mit dem Untergang einer bestimmten Publikationsform verschwunden. Ebenso wäre Wasser verschwunden, weil man es heute nicht mehr in Lederschläuchen, sondern in PET-Flaschen an den Mann bringt.
Übrigens gab es Pulp so gesehen auch schon früher, denn Leseblättchen mit seichten, unterhaltsamen und anregenden Inhalten sind deutlich älter als die Heftchen mit Kurzgeschichten. Es hieß da nur noch nicht Pulp.