Autor Thema: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's  (Gelesen 5551 mal)

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Offline Celdorad

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Moin,
ich wollte mal ein kleineres Essay hier einstellen und der Diskussion preisgeben. Grundsätzlich interessier mich, ob ihr ähnliche Erfahrungen gemacht habt und ob ihr meinen Standpunkt verstehen (oder zumindest ersichtlich finden) könnt.
Und los geht es:

Weg mit den Würfeln
oder: Wie man vom traditionellen Rollenspiel zum freien Rollenspiel kommen kann

Zuerst hörte es sich für mich auch unmöglich an. Würfelloses Rollenspiel. Nicht, dass ich mich zu der Fraktion der Powergamer zählen würde, aber ein inniges Verhältnis zu den Würfeln hat man über die Jahre nun schon einmal aufgebaut. Aber in mehreren langen Diskussionen und besonders einer sehr langen an einem schönen Mittwochabend in meiner Küche, kam mir der Gedanke dann doch nicht so unmöglich vor. Wie ich, der mit D&D in der ersten Edition meine ebenso ersten, wackeligen Schritte im Rollenspiel gemacht habe, mich Schritt für Schritt vom System der Würfel und schließlich von dem System im Rollenspiel überhaupt verabschiedet habe, möchte ich nun kurz schildern.
Wie gesagt begann es mit D&D. In der ersten Edition waren die Regeln und damit der Systemteil dieses Rollenspiels für heutige Verhältnisse zwar noch gering, der Würfelaspekt war aber fest im System verankert und ich machte maximal eine negative Erfahrung mit einem würfellosen System. Ich spiele damals nämlich einen Kämpfer und zwangsläufig kam irgendwann die Situation, in der ich es für unfair erachtete, dass der Magier seine Zauber nur Ansagen musste und sie danach einfach klappten, während ich mich mit meinem W20 und dem Etw (Erforderlicher Trefferwurf, für alle die D&D nicht so gut kennen) herumschlagen musste. Natürlich griff hier der Systemteil der Regeln und ich konnte überzeugt werden, dass Anwendungen von Magie, die pro Tag rationiert, zusammen mit niedrigen Trefferpunkten dafür sorgten, dass der Magier mich am Ende des Tag brauchte und ich ihn am Anfang, wenn wir durch den Dungeon kommen wollten.
D&D blieb nicht das einzige Rollenspiel, dass ich spielte. Fast parallel begann ich DSA mit einer anderen Runde zu spielen und es lag auch sicher ein wenig an dem System von DSA, dass ich ab diesem Moment eine alte Hack’n Slay und eine immer mehr zum Erzählspiel tendierende Gruppe besaß. Mit dieser Entwicklung gingen mehrere Stufen einher, die ich im Nachhinein als langsames Abwenden vom Würfelrollenspiel sehen kann. Interessanterweise geschah dies dadurch, dass ich ein Würfelsystem wie DSA immer mehr von seinen Würfelwürfen reinigte.
Zuerst waren es nur kleine Revidierungen. Wir erließen ein paar ungeschriebene Gesetze gegen das Powergaming, die automatisch dazu führten, dass uns die exakten Werte auf dem Charakterbogen immer unwichtiger wurden. Wir wollten weniger Berechenbarkeit erzeugen und begannen damit heimliche Würfe des Spielleiters immer weiter auszubauen. Am Anfang hatte er nur Kampfwürfe heimlich geworfen. Dann begann es dann damit, dass alle wahrnehmungsbezogenen Würfe der Dramaturgie wegen ebenso heimlich durchgeführt wurden, damit die Spieler nicht mehr wussten, ob sie ihren Wurf geschafft hatten, bis schließlich fast alles heimlich vom Spielleiter ausgewürfelt wurde.
Da dies langfristig zu einer zu großen Spielverlangsamung wurde, gingen wir schließlich dazu über mehr und mehr Würfe ganz wegzulassen und nur noch die Charakterwerte als Referenz dafür zu benutzen, ob eine Aktion geglückt war. Ab diesem Zeitpunkt würfelten wir nur noch Situationen aus, die wirklich entscheidend waren und ließen den Rest so ablaufen, dass es je nach Wert einen durchschnittlich zu erwartenden Erfolg gab.
Mit steigenden schauspielerischen Fähigkeiten wurden dazu auch bald alle nicht körperlichen Handlungen ausgespielt und gleichzeitig mit dem Charakterwert verglichen. Zunehmend viel der Charakterwert dabei aber auch zurück, weil die Spieler die Werte steigerten und bei Charaktererschaffungen auswählten, die sie auch gut ausspielen konnten oder wollten. Körperliche Tätigkeiten wurden zumindest beschrieben, dann aber zumeist von dieser Beschreibung weniger Abhängig gemacht und wir verfuhren nach dem Prinzip, dass ein Charakter mit einem bestimmten Wert eine bestimmte Höchstleistung zu schaffen im Stande war und nur Qualitätsabzüge bei Handwerksfertigkeiten oder Geschwindigkeits- bzw. Ästhetikabzüge bei athletischen Fertigkeiten erwarten musste, wenn er unter Zeitdruck, in Ermangelung des richtigen Werkzeuges oder sonst wie Eingeschränkt war. Das einzige was wir noch rein mit Werten und Würfeln abarbeiteten waren die seltenen Kämpfe.
Wirklich bewusst wie problematisch diese Situation war, wurde mir erst im Nachhinein, als wir einen neuen Spieler kurzfristig in unseren Reihen aufnahmen. Er war ein bisschen Schüchterner und konnte nicht so frei reden wie die Anderen. Heute wirkt es auf mich wie die eindeutigste Wahl, dass er sich einen Krieger erstellte und außer seinen Kampftalenten fast alles andere vernachlässigte. Wir trennten uns wegen unterschiedlicher Spielansichten irgendwann wieder, aber ich möchte diesen Fall exemplarisch veranschaulichen: Natürlich wählte er den Krieger, weil er sich bei einem Krieger hinter der Sicherheit der Werte und Würfel verstecken konnte. Er konnte nicht verlieren, da er maximal Würfelpech haben konnte und somit nie für seinen Charakter persönliche Fehlentscheidungen machen konnte. Dies beeinflusste aber auch seinen Spielstil: Wo es für andere Spieler schon eine spieltechnische Niederlage war von der Herzensdame abgelehnt zu werden, seinen Ruf in der adeligen Führungsschicht zu verlieren oder eine künstlerische Schaffenskrise zu haben, war für ihn die einzige Möglichkeit, die ihm Angst machte, der Tod im Kampf. Natürlich aus Würfelpech. Entsprechend dazu war für ihn jedes Abenteurer langweilig, in dem es keinen Kampf gab, der die Fertigkeiten seines Charakters an die Grenzen führte. Ich merkte, wie gefährlich unserer Spielstil war, weil man durch diese Form des Spiels alle sozial nicht so sicheren Personen gleich zu Kampfmaschinen erzieht. Ich fand aber auch keine Lösung, den Kampf als regeltechnische Sonderform im Rollenspiel, und damit als Zerreisband der Spieleinstellungen, zu entfernen. Im Kampf auf Würfel zu verzichten erschien mit unbalanciert und unfair für einen eventuellen Toten, da er ja nichts „dagegen machen konnte“, wenn er nicht würfeln durfte. Außerdem wurde in dem Moment, in dem man den letzten Würfelwurf aus dem Spiel entfernte, das Wertesystem obsolet, da man sie nicht mehr brauchte, um auf irgendetwas zu würfeln. Im Folgenden habe ich die drei Hauptfragen, die mir bei einem werte- und würfellosen Rollenspiel zuerst Kopfschmerzen bereiteten, aufgelistet und mit meiner heutigen Sicht der Dinge beantwortet.
Wie kann man die Balance der Charaktere erhalten, ohne dass Einer/ Alle zu mächtig werden?
In einem freien Rollenspiel ist die Fragen, ob alle Spieler zu mächtig werden eigentlich nicht mehr gegeben. Da man keine Gegner mit festgelegten Werten hat, die für die Charaktere einer bestimmten Stufe ausgelegt sind, kann man die Herausforderungen für die Spieler sehr frei einteilen. Sind sie alle mächtig, so sind ihre Herausforderungen nun einmal auch gewaltig, sind sie durchschnittlich mächtig, müssen sie sich auch mit den normalen Herausforderungen einer Welt in der sie leben herumschlagen.
Bei einem einzelnen Charakter ist diese Frage schon um einiges berechtigter und es ist durchaus richtig, dass viele Rollenspiele lange Testphasen und viel Energie in das Balancieren der Möglichkeiten unterschiedlicher Spielertypen legen. Grundsätzlich muss man aber anmerken: Balance ist immer Kopfsache! In einem Wertesystem ist es unfair wenn ein Charakter für denselben Aufwand in Generierungspunkten seine Kampffertigkeit auf die gleiche Stufe gehoben hat wie ein anderer sein Wissen um alte Sagen? Ein Magier ist immer stärker als ein Kämpfer? Nein. Es kommt doch auf die Umgebung an. Natürlich kann ein guter Kämpfer einem Künstler leicht die Harke zeigen und wird ihn sicher auch leicht töten können. Aber ist das die Frage der Balance? Auf der anderen Seite wird dieser Kämpfer in einer normalen Kneipe eine solche Aktion wahrscheinlich niemals wagen, da er sonst sofort festgenommen würde und in der üblichen sozialen Situation wird der charismatische und weltgewandte Charakter dem Klischeekämpfer sehr eindeutig zeigen können, was er für Türen öffnen kann. Genauso ist es mit Magiern. Wie akzeptiert ist ihre Magie in der Öffentlichkeit? Was mussten sie für ihr tiefes Verständnis der Magie an anderen Fertigkeiten hinter sich lassen? Es kommt also auf die Ausgeglichenheit der Hintergrundwelt und der Abenteuer an, inwieweit ein bestimmter schlag von Abenteurern bevorzugt wird oder nicht. Natürlich kann man immer sagen, dass das Problem bei einer wertefreien Charaktererschaffung ist, dass jeder Spieler schön, schlau, schnell und stark sein will. Dieser Ansatz vertraut den Spielern aber viel zu wenig. Ich bin mir sicher, dass alle Spieler wissen, was ein übertriebener und in der bespielten Welt nicht angemessener Charakter ist und was nicht. Außerdem ist es ohne Werte und Regeln viel einfacher für einen Spielleiter zu erkennen, wenn ein Charakter etwas zu gut in allem ist, als wenn ein Spieler still und heimlich sich hinter den Regeln verstecken und Lücke in ihnen ausnutzen kann. Ich bin ein Vampirhalbdrache mit der Klassenkombination Krieger/Barbar/ Frenzied Berserker! Was guckst du mich so an? Das ist von den Regeln her erlaubt! Ja, aber wenn es keine Systemregeln gibt, die man verbiegen kann, bis sich die Designer im Bett umdrehen, dann werden solche Charakterkonzepte gleich ausgegliedert.
Das gleiche gilt auch bei der Entwicklung der Charaktere. Solange man sich noch an die Abenteurer erinnern kann, die ein Charakter hinter sich hat, kann man viel genauer bewerten, wie viel Erfahrung er in einem gewissen Bereich schon angesammelt hat, als wenn man in irgendwelchen Steigerungstabellen nachschaut wie hoch ein bestimmter Wert in einer bestimmten Stufe sein darf und wie viele Punkte man je Stufe bekommt. Man sollte sich eigentlich darüber freuen so etwas wie eine Entwicklungsfreiheit zu erhalten, da ein Wertesystem immer nur ein strenges Raster anbieten kann um diejenigen zu zügeln, die kein wirkliches Gefühl für ihren Charakter haben.
Wie kann man die Fairness bei Auswertungen von Handlungen erhalten?Wieder eine Frage der Balancierbarkeit. Grundsätzlich kann man diese Frage relativ leicht beantworten. Als ein Bespiel das wohl kontroverseste Thema: Ein Kampf (Natürlich könnte man auch eine tödliche Kletterpartie, ein rasantes Rennen oder eine andere Handlung mit einem potentiell sehr radikalen Ende beobachten).
In einem freien Rollenspiel könnte ein Kampf zum Beispiel damit beendet werden, dass der Spielercharakter von seinem Widersacher zu Boden geschlagen wird und dieser ihm mit höhnischem Lachen die Hände bindet. Der Spieler ist gefangen genommen worden!
Ist dies Unfair? Eigentlich nicht. Natürlich hat man in einem traditionellen System ein paar Würfel um sich vor dieser Situation zu retten und würfelt diese dann auch fleißig. Trotzdem kann die gleiche Situation wie oben beschrieben genauso gut in einem traditionellen Rollenspiel eintreten und dort findet es plötzlich keiner mehr unfair. Die Frage ist warum. Ich weiß, dass sich viele Runden darauf geeinigt haben, dass der Spielleiter aus dramaturgischen Gründen schummeln darf um z.B. einen Spielertod durch reines Würfelpech zu verhindern. Genauso kann der Spielleiter sich aus dramaturgischen Gründen aber auch gedacht haben, dass ein Festnahme des Spielers gut wäre und fängt dann während eines Kampfes an heimlich an den Würfelergebnissen herumzumodeln um diesen Zustand herbeizuführen, indem er mal ein Schadenspunkt mehr einbaut, den Widersacher häufiger als gewürfelt treffen lässt oder seine defensiven Fähigkeiten leicht überreizt. Von solchen Situationen gibt es mehr als genügend und sie werden stillschweigend akzeptiert. Die Frage ist nun wiederum warum sie akzeptiert werden, denn in einem normalen Gesellschaftsspiel wird schummeln ja normalerweise nicht akzeptiert. Dies kann man einfach Vertrauen nennen. Die Spieler vertrauen dem Spielleiter weil sie zusammen eine schöne Geschichte erzählen wollen und warum sollten sie dieses Vertrauen nicht auch haben, wenn der Spielleiter keine Würfel verdeckt hinter einem Spielleiterschirm würfelt, nur damit seine Spieler das Klackern hören, das Ergebnis sich aber schon vorher gedacht hat?    
Kann die Spannung denn ohne Würfel erhalten werden?
Ja, sie wird sogar intensiver, da man sich immer anstrengen muss um eine Handlung zu schaffen. „Ich hau mal drauf“ oder „Ich werf’ das Seil rüber“, reichen nämlich nicht mehr, da man keinen Würfelwurf mehr hinterher schieben kann, der alle Fragen klärt. Man muss die Situation genauer betrachten, dem Spielleiter mehr Fragen stellen und sich allgemein viel tiefer in die Situation hineinversetzten um eine Handlung beschreiben zu können, die den Würfelwurf ersetzt und nicht nur einleitet. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass die Beschreibung der versuchten Aktion darüber entscheidet, ob man sie schafft. Die Spannung entsteht hier gerade darin, dass man keine Vorhersehbarkeit hat. In traditionellen Systemen kann man häufig sehr genau berechnen was man ungefähr würfeln muss um einen erfolg zu erzielen und wie schmerzhaft es werden könnte, wenn einem die Handlung misslingt.
Dazu nur ein kurzes Beispiel: Ich spielte eine Demorunde von Unknown Armies (kein würfelloses Rollenspiel), hatte jedoch keine Ahnung von den Werten und Parametern die in diesem System herrschten. Ich wusste, dass ich ein paar Trefferpunkte hatte und einen Art Widerstandswert und die Fertigkeiten hatten einen Prozentwert. Als aber ein Verrückter meinem komplett unbewaffneten Charakter eine Knarre an den Kopf hielt, kam ich richtig ins Schwitzen, weil ich keine Ahnung hatte, wie viel Gehirnmasse mir ein Schuss wegblasen konnte. Also reagierte ich, wie ich auch in Echt reagiert hätte. Ich wollte es verdammt noch einmal nicht darauf ankommen lassen meine Widerstandsfähigkeit zu testen und begann damit auf den Kerl einzureden, da er scheinbar besessen oder zumindest geistig stark verwirrt war. Da mein Charakter ein selbsternannter Messias war, rechnete ich ihm keine sinnvollen Kampffähigkeiten an und entschied, dass reden das Beste war. Interessanterweise schaue ich während der gesamten Szene nie auf meinen Charakterbogen und es hätte „Unbewaffneter Nahkampf 80%“ auf ihm stehen können, ich wollte einfach nicht von einer Pistole getroffen werden. In einem System in dem ich gewusst hätte, was für ein Schaden eine Pistole anrichtet und wie hoch meinen Chancen gewesen wären, sie dem Kerl aus der Hand zu schlagen hätte ich es vielleicht versucht, auch wenn es nicht zu dem Charakter des Messias passte.
Ich hoffe, dass ich mit meiner Abhandlung ein paar Leuten vielleicht geholfen habe sich selber (und andere) davon zu überzeugen, dass die festgefahrenen Muster, die im Rollenspiel eingeschlagen wurden doch nicht die einzigen sind und freie Rollenspiele zumindest eine gleich gerechte und spannende Alternative zu traditionellen Rollenspielen sein können.


Du hast bis hier gelesen? Ich bin fasziniert und jetzt sag was ;)
Bestes Filmzitat:
"Ja, das ist vielleicht deine Meinung, Mann." (Der Dude, The Big Lebowski)

Bestes Literaturzitat:
"Wohin verschwindet dieser ganze fertige Haufen tagsüber?" (Zeit der Geister von Esther Kaufmann)

Bestes RPG-Zitat:
"Meine Kinder kamen nie in das Alter, in dem sie das Vertrauen darin verloren, dass ich genauso für gutes Wetter wie für einen gefüllten Magen zuständig bin..." (Jao in Welcome to the Jungle (PtA))

Offline Quaint

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #1 am: 6.09.2007 | 01:32 »
Ich bin kein großer Theoretiker, aber ich schätze es könnte jemand sagen, dass es kein Rollenspiel ohne System gibt... Frag vielleicht mal 1of3 danach... ;)
Ansonsten ein ganz cooler Ansatz und Aufsatz finde ich.

Ich selbst spiele bisweilen auch Sachen die ich im weitesten Sinne als freie Rollenspiele bezeichnen würde, aber das ist bei mir noch etwas anders als das was Du beschreibst, denn es gibt oft genug so einige Richtlinien für die Charaktererstellung (zum Teil auch Punkte zu verteilen) und ich neige dazu bisweilen mal würfeln zu lassen um zu gucken wie toll der Chara das jetzt macht, wieviel Glück er hat, wie er im Vergleich zu seiner "Normalleistung" abschneidet... Und dann gibt es auch wieder Ressourcen mit denen man besonders klarstellen kann das man jetzt was erreichen will, dass man so richtig reinbuttert und mit denen man zum Teil auch an den Würfelwürfen drehen kann.
Es gibt aber nix konkretes wie man die Würfelwürfe jetzt auswerten würde - dass ist dann im Zweifel der Phantasie des momentanen Spielleiters und seinem Sinn für passende Ergebnisse überlassen. Es kann theoretisch sein dass der gottgleiche Überkrieger der Superlative ne 1 aufm w20 beim hochwürfeln hat und Hanswurst der Nulpige ne 20 und trotzdem Hanswurst dem Nulpigen die Hosen ausgezogen werden während Mr. Superlative halt für seine Verhältnisse nicht gerade toll abschneidet aber eben dennoch besser ist. So als absoluter Extremfall.

Aber andererseits ist es bei mir auch nicht so dass ich durch das freie Rollenspiel komplett vom konventionellen Rollenspiel abgekommen wäre. Ich bastle ja auch beständig an meinem Q-Sys und das ist so unkonventionell eigentlich nicht, stellt mich aber mit den Regeln, den üblichen Ergebnissen und den durchaus vorhandenen Interpretationsmöglichkeiten durchaus zufrieden.

Besonders gerne verwende ich den "freestyligen" Kram wenn's schnell gehen soll oder wenn's over the top sein soll, also richtig heftig und (zumindest für mich)schwer in konventionelle Regeln zu pressen.
Für lange Kampagnen und lustige Charakterentwicklung (die dann üblicherweise auch langfristig from Zero to Hero ist) und das bissle Punkteschieben zwischendurch nehme ich dann lieber ein "volles" System.
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Offline Chaosdada

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #2 am: 6.09.2007 | 01:50 »
In manchen Runden würfel ich auch fast nicht, aber generell ist solch freies Rollenspiel nicht mein Ding (würfeln ist nicht unbedingt nötig, obwohl ich es mag).

Wenn es als fair angesehen wird, wenn der Meister die Würfelwürfe manipuliert und eine Szene hinbiegt wie es ihm passt, warum soll der Meister nicht gleich ohne würfeln den Ausgang bestimmen können? Ich finde es aber nicht fair wenn der Meister die Würfel manipuliert.
Auch finde ich es nicht besonders spannend wenn nach der Beschreibung einer wichtigen Aktion (deren Erfolg fraglich ist) der Meister einfach entscheided, ob etwas klappt oder nicht. Gut hingegen wenn man seine Chancen abschätzen kann.
Ich habe nichts gegen ein wenig Spielleiterwillkür, aber so ist es mir doch zu viel. Außerdem ist das System auch als Sicherheitsnetz für den SL hilfreich, wenn man nicht weiß welche Variante jetzt für den weiteren Verlauf der Story die beste wäre.


Ich bin kein großer Theoretiker, aber ich schätze es könnte jemand sagen, dass es kein Rollenspiel ohne System gibt... Frag vielleicht mal 1of3 danach... ;)
Regeln gibt es hier auf jeden Fall. Die Aufgabenverteilung von SL und Spielern gehört schon dazu. Dazu kommen bestimmt noch weitere (möglicherweise nie ausformulierte) Regeln bezüglich des Erzählens. Oder vielleicht gehören die schon zum Social Contract - weiß ich nicht so genau.

Preacher

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #3 am: 6.09.2007 | 08:19 »
Zu freiem RSP solltest Du ielleicht auch mal Norbert Matausch befragen, der kann dir nämlich ein paar ganz esoterische Systeme nennen, die die bei aller Freeformerei doch noch ein Gerüst geben, an dem Du dich orientieren kannst.

Und tatsächlich gibt es streng genommen kein RSP ohne System - allein die Vereinbarung "wir setzen uns jetzt da hin, machen Rollenspiel und DU bist Spielleiter" ist eine Regel - wenn auch eine nur implizit verhandelte. Die Abwesenheit eines geschriebenen/gekauften/runtergeladenen Regelkomplexes macht kein regel-/systemloses Spiel.

Ich merkte, wie gefährlich unserer Spielstil war, weil man durch diese Form des Spiels alle sozial nicht so sicheren Personen gleich zu Kampfmaschinen erzieht.
Das find ich ein bischen vermessen, überheblich und gleichzeitig einengend.
a) Wenn jemand kein großer Schauspieler ist, oder keine Lust auf ausgedehntes Charakterspiel hat, ist der nicht zwangsläufig "sozial nicht so sicher". Daraus folgt sofort
b) Wenn man freeformt ist man nicht automatisch "sozial sicher". Freeformen ist nicht zwangsläufig die hohe Schule und große Kunst des "Guten Rollenspiels"(TM)
c) Man wird nicht automatisch zur Kampfmaschine. Das war bei Euch der Fall, weil bei Euch der Kampf die Nische war, in der noch gewürfelt wurde. Aber das kann jede andere Nische sein - bei anderen wird vielleicht der Kampf erzählt und Magie gewürfelt.
d) Wieso ist es was schlechtes, eine Kampfmaschine spielen zu wollen? Manchen macht kämpfen und würfeln Spaß, weißt Du?

Deine Gedanken zum Balancing find ich ganz gut. Nichts bahnbrechend Neues, aber ok. Die Frage der Fairness auf Vertrauen runterzubrechen ist dann wieder so ne Sache. Das ist zwar grundlegend richtig, aber ohne einen halbwegs objektiven Bewertungsmaßstab (wie eben ein niedergeschriebenes System) ist man nun mal den Launen des Spielleiters (oder des Spielers, der gerade die Erzählrechte innehat) "ausgeliefert". Da kann man natürlich wieder mit "Vertrauen" gegenargumentieren und liegt nicht mal falsch, das bedeutet aber auch, daß diese Form des Spiels nur bei eingespielten Gruppen - wenn ein neuer in die Runde kommt, auch wenn er Erfahrung mit Freeform-Spiel hat muss er sich zuerst mal auf die Mitspieler einstellen, wissen wie sie ticken und sich das vorhandene (ungeschriebene, vielleicht sogar unbewusste) Regelwerk aneignen - und das Aneignen eines Regelwerks ist nunmal viel einfacher, wenn es explizit ausformuliert ist. Wie will ich denn meinem neuen Mitspieler unsere Spielregeln erklären, wenn sie mir selbst nicht wirklich bewusst sind?

Auf den Rest geh ich vielleicht später mal im einzelnen ein, aber dazu gibt's hier auch Berufenere als mich.

Ich hoffe, dass ich mit meiner Abhandlung ein paar Leuten vielleicht geholfen habe sich selber (und andere) davon zu überzeugen, dass die festgefahrenen Muster, die im Rollenspiel eingeschlagen wurden doch nicht die einzigen sind und freie Rollenspiele zumindest eine gleich gerechte und spannende Alternative zu traditionellen Rollenspielen sein können.
Ich schätze, Du wirst feststellen, daß hier 'ne Menge Leute unterwegs sind, die der Meinung sind, daß die "festgefahrenen Muster" nicht die einzigen und noch nicht einmal die besten sind. Allerdings gibt es auch jede Menge andere Wege, aus diesen Mustern auszubrechen neben "freiem" Rollenspiel.
"Verteilte Erzählrechte" ist dazu nur ein Schlagwort von vielen.

Willkommen im Grofafo :)

P.S.: Wenn Du ein paar Leerzeilen zwischen deine Absätze setzt, dann verbessert sich die Lesbarkeit deiner Texte entscheidend
« Letzte Änderung: 6.09.2007 | 09:22 von Preacher »

Ein

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #4 am: 6.09.2007 | 09:23 »
Ich finde Vertrauen keinen Lösungsansatz. Um Vertrauen geht es bei euch auch nicht, ihr seid nur aufeinander eingespielt.

Und was soll jetzt an eurem Ansatz besser sein, als an dem "festgefahrenem". Im Speziellen betrachtet, scheint er für euch der bessere zu sein, da er euren Spaßgewinn steigert, aber generell gesehen, ist der Ansatz erst einmal suboptimal, da der Spaßgewinn eine enorme Anfangsinvestition (sich einspielen) erfordert.

Ansonsten konnte ich deinen Artikel nicht im Detail lesen, da er einfach nicht vernünftig zu lesen ist. Mehr Absätze, mehr Leerzeilen und probier doch mal, dich aufs wesentliche zu beschränken.

Offline Dom

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #5 am: 6.09.2007 | 09:34 »
Hallo Celdorad!

Was kann ich aus deinem Aufsatz schließen? (und woraus ich das schließe)
a) Du spielst freies Rollenspiel (das ist, denke ich offensichtlich).
b) Du hälst freies Rollenspiel für überlegen (Stichworte: sozial sicher, Balancing leichter, "Was guckst du mich so an? Das ist von den Regeln her erlaubt!", Spannung wird intensiver, Vertrauen).
c) Du möchtest andere zum überlegenen Rollenspiel bekehren (letzter Satz).

Zu a): Schön, dass du einen Spielstil gefunden hast, der dir gut gefällt. Es ist manchmal nicht leicht, von klassischen Systemen ausgehend, die Art von Spiel zu finden, die einem wirklich liegt. Allerdings muss ich auch sagen (und das lehnt sich an den Spieler an, der mit deinem Spielstil nicht zurecht gekommen ist): Ob ein Stil funktioniert und Spaß macht, hängt meiner Erfahrung nach von der gesamten Gruppe ab. Wenn du nämlich mit vier anderen spielst, die gerne mit Werten hantieren und würfeln, dann wirst du entweder von der guten Stimmung mitgerissen oder du gehst wieder. Ich persönlich lasse mich bei Rollenspielen immer gerne vom Stil der Runde mitreißen. Wenn ich einen bevorzugten Stil angeben soll, würde ich sagen: Ein klar geregeltes Erzählspiel.

Zu b): Das ist schade, das solltest du dir abgewöhnen. Du hast erkannt, wo die Probleme beim von DSA propagierten Spielstil sind ("Pfusch hinterm Spielleiterschirm", "Dramaturgie vor Werte") und hast eine Lösung gefunden, mit diesen Problemen in deiner Runde fertigzuwerden. Frag aber z.B. mal die ARS-Fraktion, die wird dir sagen, dass das Wissen, dass man jetzt nur eine 10%-Chance hat, lebend aus der Sache rauszukommen, Spannung aufbaut und den Spieler zittern lässt. Das geht natürlich nur, wenn auch der Spielleiter sich an die Regeln hält und führt nicht zu dramaturgisch durchgeplanten Spielen, sondern zu Spielabenden, bei denen der Spielleiter mit seinen vorbereiteten Herausforderungen flexibel auf die Spieler reagieren muss, um ihnen eine spannende Opposition zu bieten.

Zu c): Das kannst du natürlich versuchen. Allerdings ist schwierig, deiner "Anleitung" zu folgen... denn es gibt nicht wirklich eine Anleitung. Im Wesentlichen schreibst du, dass man Würfel weglässt und es möglich ist, dass das Spiel nicht aus dem Ruder läuft und Spaß machen kann; dabei gehst du auf Balancing, Fairness und Spannung ein und behauptest, dass alles das im freien Spiel möglich ist. Für mich bleiben (unter anderem) folgende Fragen offen:
- Was macht denn der Spielleiter bei dir in der Runde?
- Welche Rechte hat der Spielleiter?
- Was machen die Spieler?
- Wie sieht bei dir ein Charakterbogen aus?
- Woher wissen die Spieler beispielsweise, dass ein "Vampirhalbdrache mit der Klassenkombination Krieger/Barbar/ Frenzied Berserker" nicht erlaubt ist?
- Wie sieht Charakterentwicklung aus?
- Worüber freut ihr Euch besonders, wie sehen coole Momente im Spiel aus? Wie erreicht ihr diese Momente?
- Was für "Abenteuer" spielt ihr?

Ich möchte jetzt nicht unbedingt, dass du das alles ausführlich beantwortest — ich wollte dir mit der Aufzählung der Fragen klar machen, dass dein Aufsatz in der Form ungünstig ist, um andere von deinem Spielstil zu überzeugen. Denn dazu müsstest du vermitteln, nach welchen Regeln ihr spielt ;)

EDIT/PS: Kennst du eigentlich "klar geregelte Erzählspiele", wie z.B. Wushu oder PtA?

Offline Vale waan Takis

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #6 am: 6.09.2007 | 10:23 »
Interessante Ausführung, die einiges vom "Regel-" bzw. "Würfellosen" "Rollenspiel" beleuchtet und evtl. für manch einen der sich damit bisher nicht auseinander gesetzt hat ein interessanter Impuls sein kann.
Es wird deutlich gemacht worauf man sich einlassen muss, wenn man an genau dieser Art zu spielen Spaß haben will.

Ich persönlich hab schon die verschiedensten Abstufungen von <viele regeln -viele würfe> bis hin zu <wenig regeln - keine würfe> gehabt und habe für mich festgestellt, dass reines freeformen zwar schön aber nicht mein Lieblingsding ist.
Ein paar der Gründe tauchen auch in deinem Text auf bzw. ein paar tauchen auf die mich darin hindern würden bei euch in der Runde den Spielspaß zu erlangen, den mir ein anderer Spilstil geben würde.

Beispiel:
Mit steigenden schauspielerischen Fähigkeiten wurden dazu auch bald alle nicht körperlichen Handlungen ausgespielt und gleichzeitig mit dem Charakterwert verglichen. Zunehmend viel der Charakterwert dabei aber auch zurück, weil die Spieler die Werte steigerten und bei Charaktererschaffungen auswählten, die sie auch gut ausspielen konnten oder wollten.
Ich darf nicht spielen was ich will, sondern nur was ich kann.
Persönlich schätze ich aber Charaktere die Dinge tun können, die ich nicht kann und charakterlich von mir verschieden sind.
Das fällt bei dem beschriebenen Spilstil leider flach. Ich kann nicht den charismatischen barden spielen,d er die Mengen begeistert, wenn ich nicht selbst etwas Redetalent mitbringe oder es anderweitig "ausspielen" kann. Schade.

Deine Beispiele sind vielleicht etwas unglücklich gewählt  :-\
Zitat
... aber ich möchte diesen Fall exemplarisch veranschaulichen: Natürlich wählte er den Krieger, weil er sich bei einem Krieger hinter der Sicherheit der Werte und Würfel verstecken konnte. Er konnte nicht verlieren, da er maximal Würfelpech haben konnte und somit nie für seinen Charakter persönliche Fehlentscheidungen machen konnte. Dies beeinflusste aber auch seinen Spielstil: Wo es für andere Spieler schon eine spieltechnische Niederlage war von der Herzensdame abgelehnt zu werden, seinen Ruf in der adeligen Führungsschicht zu verlieren oder eine künstlerische Schaffenskrise zu haben, war für ihn die einzige Möglichkeit, die ihm Angst machte, der Tod im Kampf. Natürlich aus Würfelpech. Entsprechend dazu war für ihn jedes Abenteurer langweilig, in dem es keinen Kampf gab, der die Fertigkeiten seines Charakters an die Grenzen führte.
Hier machst du den Spieler des Kriegers ganz schön schlecht. Natürlich ist ein Abenteuer ohne Kampf für ihn langweilig, wenn er nciht anderweitig gefordert wird oder halt nur der Depp ist. Dem Magier ohne Magie, dem Frauenheld ohne Frauen und dem Barden ohne Stimme würde es auch nicht anders gehen.
Die Kunst das Spiel zu leiten besteht ja auch darin für alle Beteiligten etwas interessantes zu Schaffen.
Ihr habt euch wohl nicht unbedingt gut auf euren neuen Spieler eingestellt und ihm bei Einstieg wenig geholfen. Aber vielelicht erscheint das hier auch nur so.

Das mit der Balance trifft sicherlich für euch zu, kein Problem  ;)
Zitat
Wie kann man die Balance der Charaktere erhalten, ohne dass Einer/ Alle zu mächtig werden?
Wie kann man die Fairness bei Auswertungen von Handlungen erhalten?

Doch dann kommt das böse Thema Spannung. Ich persönlich bin ein Fan von Gevatter Zufall und von unvorhergesehenen Überraschungen ("Huch das hat geklappt?" oder auch "Wie konnte das nur schief gehen?").
Da gibt es kein Erzählspiel, dass das kann. Aber okay darauf muss man sich einlassen, wenn man ein Erzählspiel spielen will.
Hier muss ich dennoch zum ersten Mal deutlich widersprechen:
Zitat
Kann die Spannung denn ohne Würfel erhalten werden?
Ja, sie wird sogar intensiver, da man sich immer anstrengen muss um eine Handlung zu schaffen.
Nein wird sie nicht. Vielleicht kann sie es werden, aber sie muss es keinesfalls. Bei Spannung kommt es immer darauf an, wie sie erzeugt wird und was der einzelne als spannend empfindet.
Im reinen Erzählspiel gibt es nunmal keine Gefahr für Leib und Leben des Charakters (denn das wäre absolute Willkür des Spielleiters) und wer daraus seine Spannung zieht ist am falschen Platz.
Natürlich kann der SL dennoch eine spannende Atmosphäre schaffen, keine Frage.

Das Beispiel ist aber leider wieder schlecht  ;) 
Zitat
Dazu nur ein kurzes Beispiel: Ich spielte eine Demorunde von Unknown Armies (kein würfelloses Rollenspiel), hatte jedoch keine Ahnung von den Werten und Parametern die in diesem System herrschten. Ich wusste, dass ich ein paar Trefferpunkte hatte und einen Art Widerstandswert und die Fertigkeiten hatten einen Prozentwert. Als aber ein Verrückter meinem komplett unbewaffneten Charakter eine Knarre an den Kopf hielt, kam ich richtig ins Schwitzen, weil ich keine Ahnung hatte, wie viel Gehirnmasse mir ein Schuss wegblasen konnte. Also reagierte ich, wie ich auch in Echt reagiert hätte. Ich wollte es verdammt noch einmal nicht darauf ankommen lassen meine Widerstandsfähigkeit zu testen und begann damit auf den Kerl einzureden, da er scheinbar besessen oder zumindest geistig stark verwirrt war. Da mein Charakter ein selbsternannter Messias war, rechnete ich ihm keine sinnvollen Kampffähigkeiten an und entschied, dass reden das Beste war. Interessanterweise schaue ich während der gesamten Szene nie auf meinen Charakterbogen und es hätte „Unbewaffneter Nahkampf 80%“ auf ihm stehen können, ich wollte einfach nicht von einer Pistole getroffen werden. In einem System in dem ich gewusst hätte, was für ein Schaden eine Pistole anrichtet und wie hoch meinen Chancen gewesen wären, sie dem Kerl aus der Hand zu schlagen hätte ich es vielleicht versucht, auch wenn es nicht zu dem Charakter des Messias passte.
Wenn du einen Char spielst zu dem "unbewaffneter Nahkampf 80%" nicht passt, warum hat er es dann?
Außerdem zwingt dich niemand bei einem Wertebasierenden Spiel etwas zu spielen, das du nicht willst.
Die Werte dienen der orientierung an das, was der Charakter kann oder nicht kann und wie du ihn haben wolltest (Es sei denn man spielt mit vorgefertigten Charakteren, denen man allerdings auch problemlos eine eigene Persönlichkeit geben kann).
Wenn ich in der Situation Nina Ninja spiele, wird sie versuchen die Waffe wegzuschlagen, weil es in ihrer von mir gewählten Persönlichkeit so dir ist.
Spiel ich Bodo Bauer wird er wimmern und flehen obwohler er einen Stärkewert bis zum Himmel hat.
Einfach weil es passt.
Das Beispiel ist für mich absolut kein Argument, sorry.
Es schlägt sogar wieder ein klein wenig in die Kerbe: "Ich kann nur spielen, was ich selber bin."
Wenn du verstehst was ich meine, manchmal drücke ich mich etwas konfus aus.  ::)

Zitat
Ich hoffe, dass ich mit meiner Abhandlung ein paar Leuten vielleicht geholfen habe sich selber (und andere) davon zu überzeugen, dass die festgefahrenen Muster, die im Rollenspiel eingeschlagen wurden doch nicht die einzigen sind und freie Rollenspiele zumindest eine gleich gerechte und spannende Alternative zu traditionellen Rollenspielen sein können.
Was dran jetzt überheblich oder bekehrend sein soll versteh ich nicht  :P

Zitat
Du hast bis hier gelesen? Ich bin fasziniert und jetzt sag was ;)
Hab ich
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Tybalt

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #7 am: 6.09.2007 | 11:05 »
Beispiel:Ich darf nicht spielen was ich will, sondern nur was ich kann.
Persönlich schätze ich aber Charaktere die Dinge tun können, die ich nicht kann und charakterlich von mir verschieden sind.
Das fällt bei dem beschriebenen Spilstil leider flach. Ich kann nicht den charismatischen barden spielen,d er die Mengen begeistert, wenn ich nicht selbst etwas Redetalent mitbringe oder es anderweitig "ausspielen" kann. Schade.

Auch wenn ich mir mit Freeform nicht so richtig anfreunden kann, das hier spricht doch dafür: Ich spiele lieber mit Leuten, die ihren Charakter darstellen können. Ich mag es nicht. wenn der Barde von einem rhetorisch unbeholfenen, schüchternen Spieler dargestellt wird, der sich bei eloquenten Reden seines Charakters nur an seine Werte hält. "Ich mach da mal eine aufwühlende Rede." Och nö. Wenn man das überhaupt nicht kann, soll man es halt nicht spielen. Es reicht ja schon ein kurzer Ausschnitt der Ansprache, und es muss ja auch nicht perfekt sein.

Von daher kann Freeform Leuten sicher helfen, etwas aus sich herauszukommen, aber den selben Effekt erreicht man beim klassichen Rollenspiel ebenfalls, wenn man das Ausspielen fördert.

Zitat
(zum Thema Spannung)
Hier muss ich dennoch zum ersten Mal deutlich widersprechen: Nein wird sie nicht. Vielleicht kann sie es werden, aber sie muss es keinesfalls. Bei Spannung kommt es immer darauf an, wie sie erzeugt wird und was der einzelne als spannend empfindet.
Im reinen Erzählspiel gibt es nunmal keine Gefahr für Leib und Leben des Charakters (denn das wäre absolute Willkür des Spielleiters) und wer daraus seine Spannung zieht ist am falschen Platz.
Natürlich kann der SL dennoch eine spannende Atmosphäre schaffen, keine Frage.

Volle Zustimmung, und auch der Grund, warum ich ungern ohne Würfel spielen würde. Intrigen, Nachforschungen, Ermittlungen... Alle Interaktion mit NSC laufen auch ohne Würfel ganz gut, aber spätestens beim Kampf oder bei sowas wie Wahrnehmungsproben möchte ich dann doch Würfel haben, weil ich da das Zufallselement nicht missen will.

Ein Rededuell kann ich direkt am Spieltisch austragen, einen Schwertkampf nicht, das muß abstrahiert werden. Und nur Beschreiben reicht mir da eben nicht. (Wobei gute Beschreibungen IMHO den Unterschied zwischen Gegner totwürfeln und einem tollen, spannenden Kampf ausmachen, aber das nur so am Rande.)


Tybalt

Offline Vale waan Takis

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #8 am: 6.09.2007 | 11:17 »
Auch wenn ich mir mit Freeform nicht so richtig anfreunden kann, das hier spricht doch dafür: Ich spiele lieber mit Leuten, die ihren Charakter darstellen können. Ich mag es nicht. wenn der Barde von einem rhetorisch unbeholfenen, schüchternen Spieler dargestellt wird, der sich bei eloquenten Reden seines Charakters nur an seine Werte hält. "Ich mach da mal eine aufwühlende Rede." Och nö. Wenn man das überhaupt nicht kann, soll man es halt nicht spielen. Es reicht ja schon ein kurzer Ausschnitt der Ansprache, und es muss ja auch nicht perfekt sein.
Im Prinzip stimme ich dir zu...wenn es um extremfälle geht.
Wenn jemand absolut keinen bezug zu etwas hat wäre es besser wenn er die Finger davon lässt, aber das amchen die meisten Spieler automatisch.
Aber dann andererseits ganz krass mit zweierlei Maß zu messen finde ich irgendwie dann auch wieder nicht richtig und führt ja evtl. schon bei der Charaktererschaffung zu Problemen (Ich wüßte gerne wie das bei euch läuft Tybald). Denn wenn soziale Fähigkeiten eh ausgespielt werden, muss man ja auch keine Punkte drauf verschwenden. Es dürfte also nur noch Werte für Kampf und andere nicht darstellbare Fähigkeiten geben. Dort eine vernünftige Balance aufrecht zu erhalten stelle ich mir schwierig vor.
Aber die Diskussion gab es soweit ich weiß schon öfters hier  ;)
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Offline Stefan G.

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #9 am: 6.09.2007 | 11:27 »
Zumal bei diesen "Softskills" die vom Spieler selbst kommen ein weiteres Problem ist, dass nicht der, der es am besten darstellen kann am besten fährt, sondern der, der es am besten versteht den Geschmack des SLs zu treffen und/oder ihn von seiner Sicht der Dinge zu überzeugen.

Das hinterläßt bei mir heute eher einen faulen Nachgeschmack.

Außerdem braucht man sich dann auch nicht zu wundern wenn dann von Leuten die nicht so viel Reden können/wollen vermehrt Barbaren und Magier gespielt werden, einfach weil deren Nieschen schwerer/nicht durch labern abzudecken sind.


Ansonsten haben Dom und Preacher schon genug gesagt.
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Offline Friedensbringer

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #10 am: 6.09.2007 | 11:27 »
zunächst mal:
eine tortur den text ohne vernünftige absätze zu lesen! bei so langen texten ist das unbedingt zu vermeiden.

aber ansonsten recht interessant geschrieben, und wie Spiderschwein schon sagte, für jemand der sich noch garnicht damit auseinander gesetzt hat auch informativ und anregend.

ich jedoch habe mir des häufigeren gedacht:
schön, dass das bei euch funktioniert, bei meiner runde geht das nicht! es gibt meiner erfahrung nach wesentlich mehr würfelfetischisten als -hasser, und aussagen wie
Zitat
Ich bin mir sicher, dass alle Spieler wissen, was ein übertriebener und in der bespielten Welt nicht angemessener Charakter ist und was nicht.
würde ich nach meinen con erfahrungen schonmal garnicht unterschreiben!

insbesondere diese passage fand ich interessant:
Zitat
In einem freien Rollenspiel ist die Fragen, ob alle Spieler zu mächtig werden eigentlich nicht mehr gegeben. Da man keine Gegner mit festgelegten Werten hat, die für die Charaktere einer bestimmten Stufe ausgelegt sind, kann man die Herausforderungen für die Spieler sehr frei einteilen. Sind sie alle mächtig, so sind ihre Herausforderungen nun einmal auch gewaltig, sind sie durchschnittlich mächtig, müssen sie sich auch mit den normalen Herausforderungen einer Welt in der sie leben herumschlagen.
wie kommst du auf die idee, dass dies in einem nicht-freien rollenspiel nicht gegeben ist? ich kenne kein system (gut genug) als dass es soetwas wie "zu mächtige" spieler gibt. es macht auch logisch keinen sinn. die charaktere wurden nach regeln erschaffen, und nach diesen regeln kann ich auch gegner erschaffen, die genauso gut, oder besser als die charaktere sind. und damit habe ich, wenn das sein muss, eine herausforderung für jede art von "macht".

beschränkungen werden ggf von der welt auferlegt, in dem sinne dass sich der dsa meister nicht traut seinen stufe 30 helden noch etwas entgegenzusetzen.

my 2 cents
Zitat von: Ludwig Wittgenstein
Wenn man unter Ewigkeit nicht endlose Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der Ewig, der in der Gegenwart lebt.

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Offline Skyrock

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #11 am: 6.09.2007 | 12:51 »
Ich bin der Schrecken, der die Nacht durchflattert... Ich bin die Prestigeklasse, die durch ihre kewl powerz deinen Pet NSC absägt... Ich bin die Lötlampe, die deine Goldene Regel zu einem noch nutzloseren Klumpen zusammenschmelzt... Ich bin - die ARS-Fraktion![/Darkwing-Duck-Rauchbomben-Ansprache]

Vorweg: Absätze und Leerzeilen heben die Lesbarkeit an, auch wenn das andere schon gesagt haben.

Wirklich bewusst wie problematisch diese Situation war, wurde mir erst im Nachhinein, als wir einen neuen Spieler kurzfristig in unseren Reihen aufnahmen. Er war ein bisschen Schüchterner und konnte nicht so frei reden wie die Anderen. Heute wirkt es auf mich wie die eindeutigste Wahl, dass er sich einen Krieger erstellte und außer seinen Kampftalenten fast alles andere vernachlässigte. Wir trennten uns wegen unterschiedlicher Spielansichten irgendwann wieder, aber ich möchte diesen Fall exemplarisch veranschaulichen: Natürlich wählte er den Krieger, weil er sich bei einem Krieger hinter der Sicherheit der Werte und Würfel verstecken konnte. Er konnte nicht verlieren, da er maximal Würfelpech haben konnte und somit nie für seinen Charakter persönliche Fehlentscheidungen machen konnte.
Es macht mich traurig wieder einmal zu sehen wie schlechte Systeme das Bild vom Abenteuerrollenspieler trüben.
Ein ARSler will als Spieler Leistung bringen, taktisch kluge Entscheidungen treffen und so Herausforderungen überwinden. Wenn die Einfluß- und somit Leistungsmöglichkeiten eines Spielers sich auf die anfängliche Zusammenstellung der Werte beschränken und somit Charakter- und Spielerleistung untrennbar eng zusammen fallen, dann kommt es natürlich zum fatalen Effekt dass sich jemand nur auf seinen guten Werten ausruht und selbst keine Leistung im tatsächlichen Spiel mehr bringen muss.

Einige Systeme haben von den Regeln aus taktische Einflussmöglichkeiten im tatsächlichen Spiel eingebaut und umschiffen so diese Klippe. Bei Cyberpunk 2.0.2.0 schützt mich etwa auch Combat Sense +10, Handguns +10 und REFlexes 10 nicht wenn ich so blöd bin offen auf dem kampfschauplatz rumzustehen anstatt Deckung zu suchen und immer in Bewegung zu bleiben; und wenn ich den vollgepanzerten Cyborg mit 9mm beharke anstatt zur Säure-Paintballpistole zu greifen helfen mir die Werte alleine auch nicht mehr weiter.
Andere Systeme hingegen fordern den Spielleiter hingegen dazu auf eine Metastruktur zu schaffen mit der man auf der Basis von Plausibilitätenabwägung und unterstützendem Regeleinsatz strategisch agiert. Der klassische Dungeoncrawl bei dem man forscht, ausspäht, über Pläne nachdenkt und abwägt ob man mit den Orks verhandelt, sie offen angreift oder zu schmutzigen Tricks greift ist hier ein gutes Beispiel (as opposed to Monty-Haul-Dungeon wo man nur von Raum zu Raum gehen und Gegner umkloppen darf.)
DSA hat es hierzulande leider versäumt letzteres zu vermitteln und stattdessen überaus miese und lineare Monty-Haul-Dungeons angeboten; Shadowrun ist hierzulande wohl das was einer solchen Metastruktur noch am nächsten kommt.

Dies beeinflusste aber auch seinen Spielstil: Wo es für andere Spieler schon eine spieltechnische Niederlage war von der Herzensdame abgelehnt zu werden, seinen Ruf in der adeligen Führungsschicht zu verlieren oder eine künstlerische Schaffenskrise zu haben, war für ihn die einzige Möglichkeit, die ihm Angst machte, der Tod im Kampf.
Tod ist das Hauptrisiko der meisten klassischen Rollenspiele, und so auch bei DSA nach Regeln.
Gerade wenn der Spieler nichts von eurer Verhausregelung weiß betrachte ich es als legitim wenn der Spieler darauf achtet sich gegen die größte regeltechnisch definierte Möglichkeit der Niederlage abzusichern - IMHO ein positives Zeichen dafür dass er sich um den Charakter schert indem er ihn schützt.

Ebenso verständlich muss sein dass ihn Laberabenteuer um künstlerische Schaffenskrisen und Hofoperetten langweilen. Er hat ein klares Bild davon gehabt was er erleben will, er hat den Charakter entsprechend ausgerichtet, und der SL hat verschlafen ihm zu verschaffen wonach er lechzt.

Ich merkte, wie gefährlich unserer Spielstil war, weil man durch diese Form des Spiels alle sozial nicht so sicheren Personen gleich zu Kampfmaschinen erzieht.
Meine Erfahrungen sind genau umgekehrt. Beschützende Erzählspielwerkstätten wo Charaktere "eh nicht sterben solange sie nichts dummes tun" spucken regelmäßig sozial unsichere Spieler aus, deren Charaktere undurchdacht durch die Welt spazieren und kaum dass sie eine harte und konsequenzenreiche ARS-Runde betreten überfahren werden.

Gute ARS-Runden erzwingen hingegen Charaktere die wohlüberlegt und geschickt gelenkt werden. Eine dumpfe Kampfmaschine deren einziger Plan darin besteht reinzustapfen und alles zu erschießen überlebt keinen einzigen Shadowrun; das gewitzte Chamäleon das den Komplex erforscht, sich das Vertrauen einer Sekretärin erschleicht um ihr die Keycard zu klauen und während der Mission selbst nur kontrolliert Feindkontakt aufnimmt schon eher.

Es ist wie der Unterschied in der Spielkultur zwischen Japano-Konsolen-RPGs und Roguelikes. Der JKRPGler ist es nur gewohnt draufzukloppen, und wenn das nicht klappt einfach den Savestate neu zu laden, was die Konsequenzen seiner Fehlentscheidungen annulliert.
Der Roguelike-Spieler hingegen muss durch den Permadeath echte und irreparable Konsequenzen befürchten, weshalb nur umsichtige und scharfsinnige Spieler es in diesem Genre weit bringen.

Ich weiß, dass sich viele Runden darauf geeinigt haben, dass der Spielleiter aus dramaturgischen Gründen schummeln darf um z.B. einen Spielertod durch reines Würfelpech zu verhindern. Genauso kann der Spielleiter sich aus dramaturgischen Gründen aber auch gedacht haben, dass ein Festnahme des Spielers gut wäre und fängt dann während eines Kampfes an heimlich an den Würfelergebnissen herumzumodeln um diesen Zustand herbeizuführen, indem er mal ein Schadenspunkt mehr einbaut, den Widersacher häufiger als gewürfelt treffen lässt oder seine defensiven Fähigkeiten leicht überreizt. Von solchen Situationen gibt es mehr als genügend und sie werden stillschweigend akzeptiert. Die Frage ist nun wiederum warum sie akzeptiert werden, denn in einem normalen Gesellschaftsspiel wird schummeln ja normalerweise nicht akzeptiert.
Ich hasse Geschummel heiß und innig, denn zum einen entwertet der SL so die Aktionen seiner Spieler und macht sie zu bedeutungsloser Ausschmückung seines Erzähltrips, zum anderen drängt er seinen Spielern seine Vision von einer guten Geschichte auf, anstatt dass die Spieler mit Schwert und Würfel ihre eigene Geschichte schreiben.

Kann die Spannung denn ohne Würfel erhalten werden?
Ja, sie wird sogar intensiver, da man sich immer anstrengen muss um eine Handlung zu schaffen. „Ich hau mal drauf“ oder „Ich werf’ das Seil rüber“, reichen nämlich nicht mehr, da man keinen Würfelwurf mehr hinterher schieben kann, der alle Fragen klärt. Man muss die Situation genauer betrachten, dem Spielleiter mehr Fragen stellen und sich allgemein viel tiefer in die Situation hineinversetzten um eine Handlung beschreiben zu können, die den Würfelwurf ersetzt und nicht nur einleitet. Man sollte immer im Hinterkopf behalten, dass die Beschreibung der versuchten Aktion darüber entscheidet, ob man sie schafft. Die Spannung entsteht hier gerade darin, dass man keine Vorhersehbarkeit hat.
Stimmung kommt auf wenn einen der Zersetzungstrahl des Beholders trifft und der Rettungswurf offen gewürfelt wird (um mal einen gewissen Leuchtturm zu zitieren).

Gerade Würfelwürfe bringen Unsicherheit rein, auch für den SL. Ein offen gemachter Wurf an dem nichts gedreht wird, der harte Konsequenzen hat und von dem alles abhängt transportiert wahre Spannung.
Wer Zufallsgeneratoren durch SL-Entscheid ersetzt hat hingegen für zumindest einen Spielteilnehmer keine Spannung mehr, da dieser ja schon weiß wie es ausgeht. Plus, wenn es negative Effekte gibt, dann ist es der SL der die Arschkarte gezogen hat da er effektiv aktiv einen Charakter getötet hat. Ein neutrale Instanz von außen (wie der Würfel) entlastet den SL von dieser Bürde.

In traditionellen Systemen kann man häufig sehr genau berechnen was man ungefähr würfeln muss um einen erfolg zu erzielen und wie schmerzhaft es werden könnte, wenn einem die Handlung misslingt.
Und das mit gutem Recht. Ohne Abschätzbarkeit der Chancen, möglichen Effekte und Gewinne ist keine echte Taktik möglich, sondern verkommt alles zu purer Zufälligkeit auf Spielerseite.
Aus der Höhle des Schwarzwaldschrates - Mein Rollenspielblog

Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
- Ludwig von Mises

Pyromancer

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #12 am: 6.09.2007 | 13:43 »
Weg mit den Würfeln
oder: Wie man vom traditionellen Rollenspiel zum freien Rollenspiel kommen kann

...

Ich hoffe, dass ich mit meiner Abhandlung ein paar Leuten vielleicht geholfen habe sich selber (und andere) davon zu überzeugen, dass die festgefahrenen Muster, die im Rollenspiel eingeschlagen wurden doch nicht die einzigen sind und freie Rollenspiele zumindest eine gleich gerechte und spannende Alternative zu traditionellen Rollenspielen sein können.


Du hast bis hier gelesen? Ich bin fasziniert und jetzt sag was ;)


Du beschreibst da eine Entwicklung, die ich selbst auch so ähnlich durchgemacht habe.
Zuerst war unser Rollenspiel sehr würfellastig. Und das System war schlecht. Da war es nur natürlich, dass ich da vom Würfeln wegwollte. Aber für den Kampf braucht man die Würfel halt doch, dachte ich. Die logische Konsequenz: Ich fing an, Feng Shui zu leiten, wo der Kampf das zentrale, wesentliche Element ist und quasi das komplette Rollenspiel im Kampf stattfindet. Das hat wunderbar funktioniert.  :)

Dann kam "Engel" raus. Ein Rollenspiel völlig ohne Würfel! Und auch das hat ohne Probleme funkioniert, nur mit den paar Stichworten, die auf dem Charakterblatt stehen und den Karten, die gezogen werden. Das ist bis heute eines meiner Lieblingsrollenspiele.

Und trotzdem: Inzwischen habe ich den weiten Bogen zurück zu Werten und Zufallsmechanismen geschlagen. Werte sind cool. Zufallsmechanismen sind cool. Alles, was du mit deinem freien Spiel machst, mach ich mit einem Werte-und-Zufallsmechanismen-System besser. Ehrlich!
Die Kunst dabei ist halt, dass man das richtige System nimmt.

Offline Celdorad

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #13 am: 6.09.2007 | 14:41 »
So,
ich möchte euch erst einmal für die zahlreichen Antworten danken.

Vorweg: Den Vorwurf der Überheblichkeit finde ich sehr unbegründet. Ich möchte jedem sein System lassen, das seinen Wünschen am meisten entspricht. Ich möchte auch nicht behaupten, dass die sog. "ARS-Fraktion" meine Todfeinde sind, die alle nur ******* bauen und nerven. Überhaupt nicht! Was ich geschrieben habe, entspricht meiner Erfahrung. Nicht mehr und nicht weniger.

Es gab ein paar Meinungen, die mir aufgefallen sind:

Alle-Spieler-zufrieden-stell-Mentalität
Entschuldingung, aber mir deswegen vorzuwerfen, dass ich nicht auf meine Mitspieler eingehe finde ich sinnfrei. Rollenspiele sind ein breites Hobby und jeder kann sich seine Nische suchen. Ich werde aber nicht anfangen ein Spiel so zu verflachen, dass ich es allen Recht mache. Bevor jemand mit mir spielt, erkläre ich ihm, was ich vorhabe und wie der Spielstil ist. Keiner wird gezwungen irgendwo mitzumachen, aber es gibt nun einmal in jedem Hobby Personen und Meinungen, mit denen man nicht auf einen Nenner kommt. Ich habe auf der anderen Seite leider auch noch nie eine, was ich "eingefahrene" Gruppe nenne, gekannt, die es auch nur im Ansatz verstehen wollte, dass ich eine Situation erst einmal beschreiben wollte.

You can what you can act
Natürlich sollte man das, was sein Charakter können soll auch darstellen können. Das ist wieder eine Sache der Voraussetzungen, die ich an Mitspieler stelle: Anstatt sich Ewigkeiten mit einem Regelwerk und einem Charakterbogen zu beschäftigen schreibst du eine Hintergrundgeschichte und INFORMIERST dich über das was dein Charakter können soll.
Es ist nicht, dass ich noch nie mit einem "Kämpfer" gespielt hätte. Nachdem der sich ein bisschen mit Kriegstheorie und Waffenkunde beschäftigt hatte, flogen bei dem in der Beschreibung richtig die Fetzen und ich als SL hatte meine liebe Mühe und Not die Gegner nicht alzu alt aussehen zu lassen.

Das leitet über zu dem Spannungs-Tod-Askept:
Ich finde es einfach nur traurig, dass der Tod das einzige ist, was bestimmten Spielertypen Angst einjagen kann. Ich kann mir keinen Charakter vorstellen, der so simple sein sollte. Man hat nur Angst vor dem Tod, wenn man etwas hat, was einen am Leben hält. Bei einem so einfachen Charakter wäre es mir völlig egal, ob er stirbt oder nicht. Wenn es in die Handlung passt, so soll er doch sterben. Nennt es Willkür, ich nenne es unwichtig. In meiner alten D&D-Erfahrung kommt dann doch der gleiche Kerl wieder um die nächste Ecke geschlendert (C'mon roll up a new Charakter).

Irgendwas wollte ich noch sagen... Vielleicht fällt es mir später ein...
Bestes Filmzitat:
"Ja, das ist vielleicht deine Meinung, Mann." (Der Dude, The Big Lebowski)

Bestes Literaturzitat:
"Wohin verschwindet dieser ganze fertige Haufen tagsüber?" (Zeit der Geister von Esther Kaufmann)

Bestes RPG-Zitat:
"Meine Kinder kamen nie in das Alter, in dem sie das Vertrauen darin verloren, dass ich genauso für gutes Wetter wie für einen gefüllten Magen zuständig bin..." (Jao in Welcome to the Jungle (PtA))

Offline Roland

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #14 am: 6.09.2007 | 15:28 »
Alle-Spieler-zufrieden-stell-Mentalität
Entschuldingung, aber mir deswegen vorzuwerfen, dass ich nicht auf meine Mitspieler eingehe finde ich sinnfrei. Rollenspiele sind ein breites Hobby und jeder kann sich seine Nische suchen. Ich werde aber nicht anfangen ein Spiel so zu verflachen, dass ich es allen Recht mache.

Wenn man einen Spieler und dessen Charakter in seine Runde aufnimmt, verpflichtet man sich dadurch.

Kann ein Spieler mit seinem Charakter in einer Runde langfristig wenig anfangen, gibts dafür mindestens zwei Schuldige, den Spieler, und den SL, der ihm nicht von der Charakterwahl abgeraten hat.


You can what you can act


Wenn ich das in meinen Runden durchsetzen würde, hätten wir wohl höchsten halb so viele Spieler zur Verfügung, wie im Moment.
Die wenigsten Menschen können im Rollenspiel einen großen Teil des Charakters/Charakterwissens angemessen darstellen. Und noch viel weniger, wenn man dem Maßstab eines halbwegs informierten Amateurs (von Experten ganz zu schweigen) anlegt.
Mir reicht es vollkommen, wenn ein Spieler die Aktionen seines Charakters kurz beschreibt. Das ist zwar nicht das Optimum, kostet aber weit weniger Zeit, als einem begabten Erzähler bei der Ausbreitung von eloquentem Unsinn zu zuhören.

Dein Geschmack in allen Ehren, aber ich würde wohl in Deiner Runde genau so wenig glücklich werden, wie in der Hardcore-ARS Runde nebenan.
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Offline Friedensbringer

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #15 am: 6.09.2007 | 15:38 »
Vorweg: Den Vorwurf der Überheblichkeit finde ich sehr unbegründet.

naja, du musst doch wohl zugeben, dass dein essay eine gewisse dogmatik beinhaltet, oder? ich empfinde es so, und offenbar auch einige andere hier.

Zitat
Alle-Spieler-zufrieden-stell-Mentalität

tja, das sehe ich ähnlich wie Roland. wenn ich jemanden aufnehme und ihn spielen lasse was er will, dann verpflichte ich mich als spielleiter meiner meinung nach auch ein stück ihm zu bieten was er will.
Zitat von: Ludwig Wittgenstein
Wenn man unter Ewigkeit nicht endlose Zeitdauer, sondern Unzeitlichkeit versteht, dann lebt der Ewig, der in der Gegenwart lebt.

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Offline Dom

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #16 am: 6.09.2007 | 15:43 »
Zitat von: Celdorad
Ich finde es einfach nur traurig, dass der Tod das einzige ist, was bestimmten Spielertypen Angst einjagen kann.
Du siehst, wie ich oben schon geschrieben habe, die Sache zu sehr von "mein Standpunkt ist der einzig richtige" aus.

Nimm an, ich spiele Mensch-ärgere-dich-nicht und zwar nicht, weil ich als erstes meine Pöppies alle ins Haus kriegen und gewinnen möchte, sondern weil es mir Spaß macht, durch geschickes Setzen der farbigen Pöppies symmetrische Muster auf dem Spielbrett zu erzeugen. Dann wäre es doch seltsam, wenn ich zu einer Person, die einfach "nur gewinnen will" sage: Es ist traurig, dass du die Schönheit des Spieles verkennst. Es kommt doch auf die Farbzusammenstellung, auf die Symmetie an und nicht auf das schnöde Weitersetzen und Gewinnen.

Und jetzt stelle dir vor, dass einige Personen im Überleben des Charakters und Erreichen von bestimmten Zielen innerhalb der Spielwelt den Gewinn sehen und dass andere lieber Geschichten und Gefühle ausspielen und vergleiche das mit dem Mensch-ärgere-dich-nicht Spiel.

Offline Stummkraehe

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #17 am: 6.09.2007 | 16:28 »
Das leitet über zu dem Spannungs-Tod-Askept:
Ich finde es einfach nur traurig, dass der Tod das einzige ist, was bestimmten Spielertypen Angst einjagen kann. Ich kann mir keinen Charakter vorstellen, der so simple sein sollte.
Moment! Du wirfst hier zwei Dinge in einen Topf, die ich auf jeden Fall trennen würde: Den Unterschied zwischen dem was ich als Spieler fürchte und dem was mein Charakter fürchtet.

Und als Spieler ist der Charaktertod tatsächlich der einzige Verlust, den ich wirklich fürchte.
Warum?
Weil jeder andere Verlust, den mein Charakter erleidet, für mich als Spieler immer auch einen Aufhänger für weitere Abenteuer darstellt. Sollte mein Charakter aber draufgehen, ist der erstmal futsch und ich muss mir einen neuen aus den Fingern saugen.

Offline Boba Fett

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #18 am: 6.09.2007 | 16:55 »
Du hast bis hier gelesen? Ich bin fasziniert und jetzt sag was ;)
Ich habe bis dahin gelesen, bin fasziniert, dass es noch jemand anderes gibt, der so viel schreibt. ;)

Jetzt sag ich was: interessant.
Ich stimme nicht allem zu aber viel von dem, was Du schreibst, ist meiner Meinung nach eine Entwicklung, die nicht wenige durchschreiten.
Vom Herausforderungsrollenspiel zum stimmungsvollen Erzählspiel - wenn die Herausforderungen an Bedeutung (für das Spielen) verlieren, verlieren die Würfel auch an Bedeutung.
Es gibt nicht wenige, die ähnliche Wege gehen und daher gibt es einige Rollenspiele, die sich dem widmen.
Da geht es nicht mehr um die Ermittlung der Resultate aus Handlungsversuchen (ich knack das Schloss - würfel mal), sondern um die so genannten Gestaltungsrechte (wer kann kann bestimmen was passiert). Im Klassischen Rollenspiel (mit Würfeln) hat der Spielleiter erstmal die Gestaltungsrechte für die Welt und die Spieler für jeden Charakter und dann gibt es noch das Zufallselement, was eine gewisse Dynamik in das Spiel gibt.
Nimmt man das Zufallselement raus, dann basiert dieses Spiel eigentlich nur noch auf "Sagt was ihr macht, ich sag, was dann geschieht."
Das muss nichts schlechtes sein - kann viel Spaß machen, aber irgendwann kommt man zu der Idee, warum eigentlich nicht die Spieler auch etwas mehr Verantwortung übernehmen können. "Wenn Ihr etwas tun wollt und Euch fehlt dazu ein Detail (Der Kronleuchter, an den Ihr Euch schwingen wollt), dann erfindet das doch einfach dazu und dann gibt es dieses Detail einfach".
Danach kommen meistens irgendwelche Konflikte, nämlich dass den Spielleiter irgendwelche Details, die von den Spielern erfunden werden, stören, oder das die Spieler zu viel beisteuern oder sich gegenseitig dabei stören (Wieso Kronleuchter, eben war da doch noch das Glasdach).
Und dann kommt man dazu, dass diese Gestaltungsrechte irgendwie geregelt sein müssen. Dass man Gummipunkte bekommt und jeder darf nur so und so viel Punkte am Abend für Details verballern oder so. Und wer was bestimmen kann und so weiter und so schön.
Oder man regelt einiges durch Karten, die gezogen werden und dann interpretiert werden - die definieren dann irgendwas im weiteren Handlungsverlauf (Tarot Karten sind da sehr bildhafte Deutungsmöglichkeiten).

Das ist alles würfellos und wenn Dich das interessiert, dann solltest Du mal schauen, ob Dich diese Systeme nicht vielleicht begeistern können.
Ein paar zähle ich mal auf:
Amber, Everway, Engel (deutsch), Castle Falkenstein (eigentlich klassisches Rollenspiel, aber mit Karten statt Würfel), Wuschu (nicht würfellos, nimmt die Würfel aber für anderes), pta (primetime adventures - wenn man das mit den Gestaltungsrechten noch ein wenig weiter treibt), Western City (Spielleiterlos)

Wenn Dich davon was interessiert, frag, Dir werden jede Menge Leute helfen können.
« Letzte Änderung: 6.09.2007 | 18:18 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

Offline Maarzan

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #19 am: 6.09.2007 | 21:03 »
Ich gewinne aus der Beschreibungn den Eindruck, dass ihr euch spieltechnisch in eine entlegene Ecke manövriert habt und dann nicht mehr in der Lage wart einem neu dazugestossenen zu erklären, was ihr da eigentlich macht. Und da es für euch, die da langsam hineingewachsen sind, passt, ist für euch klar, der Neue macht was falsch.

Ansonsten sähe eine übertriebene, ins satrirische abgleitende Beschreibung eines Spiels, welches ich ganz bestimmt nicht spielen will, ungefähr genau so aus.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Skyrock

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #20 am: 6.09.2007 | 22:30 »
Alle-Spieler-zufrieden-stell-Mentalität
Entschuldingung, aber mir deswegen vorzuwerfen, dass ich nicht auf meine Mitspieler eingehe finde ich sinnfrei. Rollenspiele sind ein breites Hobby und jeder kann sich seine Nische suchen. Ich werde aber nicht anfangen ein Spiel so zu verflachen, dass ich es allen Recht mache. Bevor jemand mit mir spielt, erkläre ich ihm, was ich vorhabe und wie der Spielstil ist.
War bei dem Kriegerspieler offenbar aber nicht der Fall, andernfalls hätte er von vorneherein gewusst dass diese Konstellation nichts bringt und/oder ein anderer Charaktere angemessener wäre.

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Natürlich sollte man das, was sein Charakter können soll auch darstellen können. Das ist wieder eine Sache der Voraussetzungen, die ich an Mitspieler stelle: Anstatt sich Ewigkeiten mit einem Regelwerk und einem Charakterbogen zu beschäftigen schreibst du eine Hintergrundgeschichte und INFORMIERST dich über das was dein Charakter können soll.
Ich denke niemand hier will einen Wissenschaftler dargestellt sehen der Wasser in Säure kippt, oder einen General der es für einen genialen Schachzug hält Russland im Winter zu überfallen (außer ein Käfig voller Helden steht auf dem Programm).
Davon abgesehen bin ich aber mit gesundem Halbwissen zufrieden.

Und was die Hintergrundgeschichte angeht greift meine jahrelang erprobte Faustformel: Jede Hintergrundgeschichte die über 5 Sätze hinausgeht muss dringend zum Fett ablassen, jede Hintergrundgeschichte mit 3-5 Sätzen ist akzeptabel, und wenn sie kurz genug ist um sie binnen 2 Sätzen mündlich vorzutragen ist sie gut.

Das leitet über zu dem Spannungs-Tod-Askept:
Ich finde es einfach nur traurig, dass der Tod das einzige ist, was bestimmten Spielertypen Angst einjagen kann. Ich kann mir keinen Charakter vorstellen, der so simple sein sollte.
Sicher gibt es auch andere Dinge die man als Spieler fürchtet.
Der Charaktertod ist aber endlich und bietet keinen Aufhänger für neue Abventeuer um Vergeltung und Rache, ist also der totale GAU und damit perfekte Verlustbedingung.

Nicht umsonst verliere ich in NetHack lieber eine Scroll of Teleport als dass ich ins Gras beiße und dank Permadeath 3 Wochen Arbeit vernichtet sehe, und im Rollenspiel am Tisch ist es nicht anders.
Aus der Höhle des Schwarzwaldschrates - Mein Rollenspielblog

Ein freier Mensch muss es ertragen können, dass seine Mitmenschen anders handeln und anders leben, als er es für richtig hält, und muss es sich abgewöhnen, sobald ihm etwas nicht gefällt, nach der Polizei zu rufen.
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Offline Dom

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #21 am: 11.09.2007 | 11:42 »
Zitat
Gibt es systemlos überhaupt oder ist damit eigentlich eher die Anwesenheit mehrerer (bzw aller) Systeme gemeint?
Du hast Recht, es gibt kein Rollenspiel ohne Regeln oder System. Jedoch macht das Anfangspost deutlich, um was es hier im Thread gehen soll. Definitionsfragen haben uns schon oft genug vom Thema abgebracht.

Ein

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #22 am: 11.09.2007 | 13:23 »
Zitat
Eine (Spiel-)Existenz kann doch auch von der Freude am Moment leben, und zwar auch ohne Zugewinn.
Skyrock geht es um die Herausforderung und ich bin mir sicher, dass er sich tierisch freut, wenn bei nethack wieder einmal die Chancen schlecht stehen und sein Charakter trotzdem überlebt.

Offline Skyrock

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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #23 am: 11.09.2007 | 14:43 »
@ Skyrock:
Den Tod eines Charakters als Verlust von 3 Wochen Arbeit zu sehen, zeigt doch vor allem, dass man die Zeit des Spielens angestrengt verbracht hat um die Früchte des Zugewinns reifen zu sehen. Wozu spielt man dann?
Wenn man hart um seine Erfolge kämpft, echtes Risiko eingeht (as opposed to "der SL lässt eh keinen SC sterben") und durch eigene Leistung etwas an den Ausgängen drehen kann, dann ist es eine Errungenschaft einen Charakter zum Wachsen und Gedeihen zu treiben. Dann kann man sich ehrlich und erfüllt darüber freuen etwas substantielles errichtet zu haben und gespannt zusehen wie die Dinge gedeihen.

Um ein paar Werte auf einem Diagramm heranzuzüchten?
Was heißt hier "ein paar Werte auf einem Diagramm"? Diese Werte verbessern die Überlebenschancen meines Charakters an dem ich hänge, diese Werte erlauben es mir Einfluß auf die Welt zu nehmen wenn sie hoch genug sind, diese Werte erlauben es mir mutig in neue Bereiche vorzustoßen in die noch kein niedrigstufiger Charakter zuvor gewesen ist - und diese Werte sind hart erarbeitet.

Ich werfe an dem Punkt mal AD&D mit seinen Named Levels und den erst auf hohen Stufen zugänglichen Ebenen ins Spiel, nebst der Möglichkeit Götter zu erschlagen. (D&D3.x erwähne ich deshalb nicht weil es da ein bißchen anders läuft.)
Da hat man verstanden dass es Spaß macht ganz großes zu erreichen und die Welt zu bewegen. In der BRD, wo uns von DSA und Epigonen eingeredet wurde dass Powergaming sündhaft sei und die Freude über Charakterverbesserung kein eigentliches Rollenspiel sei, war das Verständnis hingegen entweder nie vorhanden oder ausgekiesowt und weggerömert worden (von dem Verbot die Spielwelt nach eigenem Willen umzupflügen und die Metaplot-Jar-Jars über den Haufen zu knallen mal ganz zu schweigen).

"Ein paar Werte auf einem Diagramm", meine Fresse. Wirf mal deine Auf-ein-Wort-Briefe des Apostels Uli weg und schau dir einfach mal die Realität dessen an wie Spieler urtümliche Befriedigung aus eigenen Errungenschaften ziehen, so wie Bill Gates aus seinem Bankkonto, Bodybuilder aus noch etwas mehr Bizeps oder Sammler aus noch einer hart nachgeforschten Briefmarke.
Ich hasse diese Schlechtrederei eines Prinzips das nachweislich vielen unverdorbenen und unverfälschten Menschen Spaß macht (zumal Rollenspieler dazu keine verbuggten Betriebssysteme verticken, keine Anabolika schlucken und keine vierstellige Beträge für kleine quadratische Papierfetzen opfern müssen).

Skyrock geht es um die Herausforderung und ich bin mir sicher, dass er sich tierisch freut, wenn bei nethack wieder einmal die Chancen schlecht stehen und sein Charakter trotzdem überlebt.
Darauf kannst du wetten. Unvorbereitet in eine gleichzeitig spawnende Ork- und Feuerameisenhorde zu stolpern, lebend zu entkommen, sich besser vorzubereiten und dann 2000 Züge später zurückzukehren um den Dungeonlevel zu säubern verschafft eine unheimliche Befriedigung wie sie nur wenige andere Computerspiele bieten können.
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Re: [Offen]: Ein paar Gedanken zu systemlosen RPG's
« Antwort #24 am: 11.09.2007 | 14:49 »
Zitat
Darauf kannst du wetten. Unvorbereitet in eine gleichzeitig spawnende Ork- und Feuerameisenhorde zu stolpern, lebend zu entkommen, sich besser vorzubereiten und dann 2000 Züge später zurückzukehren um den Dungeonlevel zu säubern verschafft eine unheimliche Befriedigung wie sie nur wenige andere Computerspiele bieten können.
ADOM ;D