Unsere Fantasy-Kampagne begann Anfang 2004 und läuft immer noch. Mit größtenteils denselben Charakteren. Und wir haben in dieser Zeit mehr und bemerkenswertere Geschichten erspielt, als in der doppelten Zeit und mehr Spielzeit pro Spielsitzung in einer fast identisch besetzten AD&D 1st Ed. Kampagne.
Wenn es einem wichtig ist mehr "Geschichte" zu erspielen, wenn also der Handlungsfortschritt in einer Spielrunde ein wichtiger Interessenspunkt aller Spielenden ist, dann bekommt man bei Savage Worlds mehr Handlung für dieselbe Spielzeit. - Das bietet auch Cinematic Unisystem, welches aber andere Interessenspunkte wie z.B. taktisches Vorgehen nicht so bedient, dafür aber noch viel mehr als SW die cinematischen Versatzstücke z.B. durch krasse Unterordnung der NSCs unter die SCs (noch mehr als nur Wildcard/Extras-Einteilung) in den Vordergrund stellt.
Settinghopping ist für manche Gruppen ein "Feature".
Wenn ich ein Rollenspiel wie Necessary Evil (nicht nur als Setting eines generischen Rollenspiels gesehen, sondern ein ähnlich thematisiertes eigenständiges Rollenspiel) mit meinen Spielern spielen will, und danach ein (ebenso eigenständiges) Piratenrollenspiel. Dann müssen sie ständig sich in neue, ja meist umfangreiche Regeln einlernen (mit den immer wiederkehrenden Einlernschwierigkeiten bei jedem neuen System) und dann spielt man in diesem Rollenspielsetting eine Weile, hat genug von Piraten, Superschurken, oder was weiß ich, und will etwas anderes spielen und darf den Neulern-Zirkus wieder machen.
Man spielt dabei immer auf Einsteigerniveau, was sie Souveränität im Regelumgang anbetrifft.
Rollenspiele, die als "Hauptrollenspiel" geführt werden, wie DSA oder - hier sogar mit einer Fülle an Spielwelten - D&D sind die Rollenspiele, zu denen man nach einem Exkurs in den Weltraum oder in den modernen Horror wieder zurückkommt. - Bei Savage Worlds fehlt "Das Eine Setting (tm)", welches jeden bindet und in welches die Savages immer zurückkehren werden. Evernight ist nur eine Kampagne, die man irgendwann FERTIGGESPIELT haben wird - d.h. alle darin aufgebauten, entscheidenen Konflikte sind am Ende aufgelöst.
Nachdem wir OFT langjährige Kampagnen haben "versanden" sehen - ob Midgard, RuneQuest, Traveller, AD&D, Deadlands, usw. - gibt der Savage-Kampagnen-Ansatz uns die Möglichkeit eine Kampagne auch einmal zu einem für alle Mitspieler befriedigenden Abschluß zu spielen - und zwar noch bevor wir alle im Rentenalter sind (bei manchen meiner Alte-Säcke-(tm)-Runde ist das nur noch etwas über ein Jahrzehnt - also nicht so lang, wie unsere längste AD&D-Kampagne, die auch letztlich versandet ist, gedauert hat).
Ich habe öfter mal Lust etwas anderes zu spielen. Aber weder ich noch meine Spieler haben ständig Lust neue Regelsysteme - die meist eh nur altbekanntes neu abmischen (und nicht immer gut) - zu erlernen. Daher spielen wir Savage-Settings oder Conversions von anderen Rollenspielen auf Savage Worlds (die Conversion spielfertig zu erstellen dauert wesentlich weniger lang, als sich komplett neu in ein dediziertes anderes Regelsystem einzuarbeiten, da man nur die - so oder so anzueignenden - Setting-Fluff-Informationen für die Conversion braucht).
Ich kaufe auch gerne Settings- und Kampagnenbände zu anderen Rollenspielen, weil ich diese leicht auf Savage Worlds konvertieren kann. - Wo ich sehr zurückhaltend bin, ist bei Rollenspielen OHNE Kampagne oder intensive Abenteuerunterstützung, da ich lieber eine fertige Kampagne von vorne bis hinten verbiege (das geht in Portionen während die Kampagne läuft), als mit alles selbst ausdenken zu müssen.
Ein neues Rollenspiel, welches mit komplett neuem Regelwerk UND ohne Spielleiterunterstützung für einen Kampagnenstart und das Aufrechterhalten einer Kampagne daher kommt, ist zwar immer noch "Standard" bei den Rollenspielprodukten, jedoch geht es an meinen Bedürfnissen und meiner aufwendbaren Zeit vorbei.
Zur Schulzeit und an der Uni war das noch keine Frage. Da haben wir intensiv mehrere "Große Systeme" wie RuneQuest und Traveller und AD&D und Midgard sogar parallel in Kampagnen bespielt - z.T. war ich in zwei dicken Kampagnen Spielleiter (was damals bedeutete: ALLES selbst machen - Welt(en) entwerfen (bei AD&D und Traveller) und Abenteuer selbst erstellen - Kaufabenteuer gab es zu wenige und waren eh nur etwas für "zwischendurch", aber nicht für eine "echte" Kampagne, die sich immer um die Spielercharaktere zu drehen hatte, statt "Instant-Futter" zu bieten). - Das geht heute einfach nicht mehr.
Heute nehme ich gerne ein Savage Setting mit eine Plot-Point-Kampagne als Rückgrat meiner Kampagne, mit Savage Tales um mehr Knochen und Fleisch zu bieten und mit Abenteuergeneratoren, um Ideen, Kristallisationskeime für eigene Szenarien zu erhalten. - Dieses Paket macht MICH rundum sorglos.
Ich MAG Setting-Abwechslung, ich MAG Kampagnen auch mal fertig zu spielen, ich MAG mich auf die Inhalte der Kampagnen konzentrieren zu können, statt auf immer neuen Regelwerks-Hakeligkeiten festzuhängen.
Das ist für MICH ein Vorteil bei Savage Worlds. Und für meine Spieler, die so zu mehr und abwechslungsreicheren Handlungen kommen, als sie es mit anderen Ansätzen kämen - jedenfalls nicht mit mir als Spielleiter.
Zur Regelbeherrschung von umfangreichen, komplexen Regelwerken:
Deadlands Classic ist ein Regelmonster. Ich kenne mich damit aus. MIR macht es darin keine Schwierigkeiten NSCs aus dem Ärmel zu schütteln. - Aber schon im nächstbesten Rollenspiel kenne ich mich nicht so aus wie in meinem Staubmantel. Und dann? Dann fängt die HARTE Arbeit an, die getan werden muss, damit ich meine Spieler nicht unfair behandele, die aber noch nichts mit den eigentlichen Inhalten der Kampagne zu tun hat, sondern die nur meine Ideen, meine Vorstellungen in eine konforme Regeltechnik abbilden soll. - Wo auch immer diese Abbildung zu lange dauert, kostet sie mehr Zeit, als ICH sie aufzuwenden bereit bin.
Zum Charakterspiel:
Durch die Bennie-Vergabemöglichkeit als sofortiges, positives Feedback, für all die Szenen, die ich als Spielleiter gerne sehen möchte, haben wir hier weit mehr und BEWUSSTERES Charakterspiel in unseren SW-Runden, als wir das bei D&D 3E hatten. Die Charaktere werden nicht nur durch die Edges, sondern auch ganz prominent durch die Hindrances und deren Ausspielen bestimmt. Und diese Hindrances wirken sich auch bei Kampfszenen durch Wahl nicht optimaler Taktiken aus, weil der Charakter z.B. Loyal ist und eben einen verbündeten Extra nicht einfach verrecken läßt - das ist der intensive Einfluß des Charakterspiels gerade auch in Kampfszenen, den ich in vielen anderen Rollenspielen nicht kannte (und von dem ich nicht wußte, daß ich ihn vermissen würde, bis ich mal wieder eine D20-Runde mitgespielt hatte, wo solches Charakterspiel in Kampfszenen einfach nicht stattfand).
Charakterspiel ist nicht nur an regeltechnischen Punkten festzumachen. - Wie ich schon mal schrieb, hatten wir mit dem alten D&D, welches ohne Fertigkeiten oder Feats daherkam, jede Menge Charakterspiel betrieben. Wenn die SPIELER das wollen, dann können sie das in JEDEM Regelsystem - egal ob es umfangreiche oder knappe Regeln aufweist. - Es ist nur so, daß manche Regelsysteme eingebaute "Fördermechanismen" für diese Art zu spielen mitliefern (Fate-Chips bei Deadlands, Bennies, Drama-Punkte, Helden-Punkte, usw.). Hier wird gezielt das, was der Gruppe, und dazu zählt auch der Spielleiter(!), Spaß macht, gefördert und man bekommt durch dieses SOFORTIGE positive Feedback auch gleich eine spürbare und ANFASSBARE (Wichtig! Bennies, Fate-Chips etc. muß man anfassen können!) Belohnung.
Ich kann mich über mangelndes Charakterspiel in meinen Savage Worlds Runden - auch in One-Shots von Einstiegern in dieses Regelsystem - nicht beklagen. Ich habe in Necropolis ähnlich tiefe Tragik erlebt, wie sonst davor nur bei Engel. Ich habe erst neulich in einem Fantasy-One-Shot erst von einem Spieler erlebt, was es heißt ein Paladin, ein tiefgläubiger Ordenskrieger, zu sein - mit allen Konsequenzen. So etwas ist ATEMBERAUBEND.
Wenn eine Spielrunde "durch den Plot hetzt", dann liegt das garantiert nicht am Regelsystem. Ich habe auch von Gruppen gehört, die Evernight in sieben Spielsitzungen "durchgespielt" haben sollen. Wie das gehen kann, wo man doch so viel persönliche Interaktion und subtiles Politisieren in dieser Kampagne braucht, was ja gewisse Zeit erfordert, entzieht sich mir. Aber jede Spielgruppe spielt nach dem Tempo, das ihr liegt.
Wenn einem einzelne Spieler das Tempo nicht paßt, wenn es zu schnell (oder auch zu langsam) vorangeht, ja, dann SAGT man doch mal was! - Einfach klar äußern, daß man hier zu sehr im "Schnellen Vorlauf" nur von einem Meilenstein in der Kampagne zum nächsten vorspult, wo man doch lieber auch die Reise dorthin genießen möchte.