Eine erstaunliche, ernüchternde und zugleich lang bewusste Erkenntnis.
Gestern haben wir Shadowrun gespielt.
Und eine Erkenntnis schält sich aus dem Dunst meiner Unwissenheit.
Diese Erkenntnis lautet: Shadowrun hat seinen Reiz verloren.
Lassen Sie mich erklären.
Ich spielleite Shadowrun seit der ersten Auflage. Die Regeln haben uns nie sonderlich interessiert, es war die Welt, die das Spiel aufregend machte. Mit jeder neuen Auflage veränderte sie sich, und aus diesem Metaplot pickten wir uns die Rosinen raus, die uns am besten schmeckten.
Eine gute Strategie. Solange man mit der grundlegenden Struktur des Hintergrunds einverstanden ist: Shadowrunner sind die Wesen im Hintergrund, die in den bedrohlich dunklen Schatten der Konzernhochhäuser Jobs erledigen.
Interessant ist dabei, dass das Spiel in einem sehr konservativem Verständnis der Macht verweilt: Das Sagen über das Wohl und Wehe der Stadt, des Landes und der Welt haben in Shadowrun immer die Konzerne oder einzelne Super-NSCs. An dieser Struktur wird nicht gerüttelt, egal, was die Shadowrunner unternehmen mögen. Ein reaktionäres Weltbild, mit hübsch-anarchischen Farbklecksen zur Dekoration obenauf.
Shadowrun war mein Spiel, seitdem es das Licht der Welt erblickt hat. Und nun muss ich feststellen, dass wir uns entfremdet haben. Leer muten die möglichen Aktionen der Spielercharaktere an, und das nicht, weil die Charaktere oberflächlich gespielt werden, im Gegenteil. Leer deshalb, weil Shadowrunner letzten Endes niemals den Status Quo der herrschenden Machtverhältnisse verändern können. Das Spiel ist nicht darauf ausgelegt. Darum geht es nicht im Standard-Shadowrun. Da geht es um kleine Unterschiede, nicht um große Umwälzungen.
Hungert es mich nach Heldentum?
Nein. Aber ich verspüre Lust auf große, viel größere Tragweite. Ich will, dass die Taten der Helden Tragweite besitzen.
Ist es wirklich das? Oder ist es der Sense of Wonder, die Rule of Cool, die Exploration phantastischer Schauplätze, die mir in Shadowrun fehlt?
Mit Sicherheit auch das. Es ist beides: Ich will, dass Charaktere mächtig sein können, wenn sie wollen, und ich will vor allem, dass wir als Gruppe wieder wie Kinder in eine Fantasiewelt eintauchen können, die uns in ihrer Andersartigkeit den Atem verschlägt.
Ich will wieder Robert E. Howard anstatt Joanne K. Rowling.
Ich will wieder Roger Zelazny anstatt Terry Brooks.
Ich will wieder Robin D. Laws anstatt Tom Dowd.
Vielleicht will ich wieder meine rollenspielerische Junfräulichkeit zurück.