Bei der dritten Sitzung war ich wieder dabei. Leider war ich sehr abgespannt von einer üblen Arbeitswoche, dadurch war ich nicht so gut wie ich gerne gewesen wäre. Es war aber trotzdem wieder eine sehr gute Sitzung, mit einem kleinen Dämpfer am Ende, der ja schon für einige Diskussion gesorgt hat und dem ich daher etwas mehr Aufmerksamkeit widmen werde. Dadurch wird er schlimmer klingen als er war, eigentlich war er halb so wild.
Was ist passiert? Suzanna stellte Nachforschungen wegen des Todes von Vincenzo Umbra an und wurde von der Assassinen-Gräfin aufs Kreuz gelegt, indem diese ihr die Mordwaffe unterjubelte und sie des Mordes beschuldigte. So landete sie im Gefängnis. Vincenzo hatte vor seinem Ableben allerdings noch unsere Statue verschwinden lassen, was Gilpetto sehr aufbrachte. Wir anderen planten, unsere alte Residenz zurückzuerobern und dadurch als Haus Atremie wieder aus dem Schatten heraus zu treten. Die Gelegenheit war günstig: Die meisten Schiffe waren unterwegs, daher wenig Krieger der anderen Häuser in der Stadt. Jörg nannte es die „Wochen des Blutes“, da auch andere Häuser die Gunst der Stunde zu nutzen versuchten.
Kapitän Ariadne und ihre Crew waren in der Stadt geblieben, offiziell waren sie ja unabhängige Piraten... noch. Wir schmiedeten eine Allianz mit Haus Baxter, das innerhalb kurzer Zeit zweimal von den Greyards auf die Nase bekommen hatte und nun Gefahr lief, unter die Räder zu kommen. Erst hatten wir überlegt, ihnen nach getaner Arbeit einen Dolchstoß in den Rücken zu versetzen, kamen aber letztlich zu dem Schluss, es sei weiser, sie als Verbündete zu behalten und nach und nach in unser Haus zu assimilieren.
Außerdem wurde bekannt, warum der Greyard-Kapitän, dessen Namen ich immer wieder vergesse, Haus Atremie verraten hatte: Gilpetto hatte ihn verbannt, nachdem Gilpettos Frau ihn für diesen Kapitän verließ. Gilpetto entpuppte sich immer mehr als jähzornig und rachsüchtig, wollte nach der Eroberung unserer Residenz die Frau – Aridanes Mutter! – grausam abschlachten, und genauso ihren Sohn Lesley, mit dem sich ja Stefano näher gekommen war. Wir anderen wollten den Kapitän und seine Crew als unabhängige Piraten „leben lassen“, auch weil wir das Risiko sahen, dass er bei seiner Rückkehr uns angreift und gewinnt. Gilpetto wollte ihn „zerquetschen“.
Gilpetto verbot auch Salva den Umgang mit mir, damit sie nicht schwanger würde, bezeichnete sie als „wertvolle Ressource“. Salva hingegen wollte nach diesem Coup ihre Existenz als „Schein-Kind“ und Attentäterin aufgeben. Nach Gilpettos Anschiss heulte sie den halben Tag auf ihrem Zimmer. Ich ging zu ihr, tröstete sie, und wir planten Gilpettos Ableben (sehr geile Szene, das). Später weihte ich Raphael ein, und wir planten, Gilpetto loszuwerden und den Verräter-Kapitän „heim ins Haus“ zu holen, wofür wir allerdings Frau und Sohn retten müssten (alle Überlegungen mit Geiselnahmen etc. scheiterten an Gilpettos Rachsucht).
Ich schlug vor, Frau und Kind in Sicherheit zu bringen, ich würde sie im Umland verstecken, bis der Kapitän wieder in der Stadt wäre, und dann könnte man Gilpetto gemeinsam mit dem Kapitän ans Leder. Raphaels Gegenvorschlag, Salva könnte doch Gilpetto ermorden, wies ich zurück: Ich würde nie von ihr verlangen, dass sie diese Schuld auf sich läd, schließlich war er ihr Großvater. (Mein fieser Zynisten-Charakter entdeckte bei Salva seine edle Seite, ich änderte auch meine Passions.) Raphael meinte dann, wir könnten uns Gilpetto auch einfach in den Weg stellen, wenn er versucht, seine Ex-Frau zu ermorden, und ihn vor aller Augen töten. Ich war skeptisch, akzeptierte aber schließlich (ich war auch müde und es war schon spät).
Wir diskutierten dann, ob wir das Finale noch ausspielen wollen, da wir nur noch etwa eine Stunde Zeit hatten. Andererseits wäre es für den Spannungsbogen doof gewesen, an dieser Stelle zu cutten. Daher machten wir dann einfach als allererstes den Company Roll, ob der Angriff erfolgreich ist oder nicht. Das war irgendwie Coitus Interruptus: Kein Beschreiben der Szene, kein wer macht was, einfach nur würfeln und peng, wir gewinnen. Hm. Na ja gut, wir hatten halt nicht viel Zeit.
Suzanna war eh nicht da, da im Gefängnis (und ihre Spielerin etwas ratlos), wir anderen suchten einen Moment einen Anschluss bzw. eine neue Szene, nach der Robin dann griff, indem er Jörg fragte, was eigentlich Lesley macht. Lesley hatte ein Schwert gezogen und wollte kämpfen. Stefano (Robin’s Charakter), der sich im Haus befand und uns die Türen geöffnet hatte, fing an, auf ihn einzureden, das nicht zu tun. „Wir wollen dir nichts tun.“ – „Wir? Was heißt WIR?! Du gehörst zu denen?“ Geile Situation, ich war echt gespannt, wie es weitergeht.
Timo stieg dann ein, indem er beschrieb, wie Raphael blutbefleckt und im Kampfrausch angerannt kommt und irgendwas brüllt. Ich schloss mich an mit der Beschreibung von Ricardo... da unterbrach uns Jörg: „Erst mal sehen, ob ihr überhaupt da ankommt.“ Und dann fingen wir an, einen Zweikampf zu würfeln. Das war irgendwie unglücklich: Erstens, weil wir zurückgespult haben, als die andere Szene eigentlich gerade an einem Höhepunkt war, und diesen leider hinterher auch nicht wieder aufgegriffen haben. Zweitens, weil bei dem Kampf der
imaginative Kontext fehlte. Wann und wo sind wir eigentlich? Was ist um uns herum? Wie sieht es da aus? Wer läuft da rum, und was machen die gerade?
Gegen wen kämpfen wir überhaupt? (Erst auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es der Chef-Gardist Robin vom Kartenspiel letzte Sitzung war). In allen anderen Szenen (sowohl diese Sitzung als auch die letzte) hatte ich ein gutes und plastisches Bild der Situation vor Augen, auch gerade dank Jörgs ausführlichen Beschreibungen. Aber in dieser Szene hatte ich
gar kein Bild, weil Jörg die Beschreibungen rausgekürzt hat.
Hinzu kam dann, dass sich der Kampf dank Rüstung und guter Streuung bei den Trefferzonen ziemlich hinzog. Ich fing an zu gähnen und hab nur noch halbherzig hingeschaut. Robin wollte seine Magie einsetzen, wusste aber die Regeln nicht, und Jörg sagte ganz klar, dass darauf jetzt keine Rücksicht genommen wird. Ich benutzte die einzige brauchbare Kampffertigkeit meines Charakters, Throw, in der ich mir vor der Sitzung extra noch einen ED gekauft hatte, musste aber feststellen, dass ein Schaden von width shock + 1 killing bei 4 Würfeln plus ED gegen Chain Mail und Schild ziemlich nutzlos ist, also habe ich es dann gelassen, womit drei von vier Spielern nichts zu tun hatten.
Mehr als die schiere Dauer störte mich aber an dem Kampf, dass er nicht in die Fiktion eingebettet war. Er wirkte ein bisschen wie ein Fremdkörper.
Als Raphael endlich gewonnen hatte, war es dann wirklich schon spät und Jörg wollte das Abenteuer schließen, indem er kurz beschrieb, wie wir die Frau und den Jungen in Sicherheit bringen. Da musste ich noch mal eingreifen, da unser letzter Plan ja gewesen war, sie eben nicht in Sicherheit zu bringen, sondern uns direkt Gilpetto zu stellen. Also wieder zurückspulen. Zweite Diskussion mit Raphael, der von seinem Kampf ziemlich schwer verwundet war. Ich meinte: „Heute ist kein guter Tag für einen Kampf mit Gilpetto.“ Raphael meinte aber: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Und ich war müde und wollte nicht mehr diskutieren.
Also kam es zur Konfrontation. Raphael traf Gilpetto mit dem ersten Überraschungsschlag nicht annähernd hart genug. Gilpetto, der natürlich als Gegner nicht ohne war, zückte zwei Messer. Ich griff mir Frau und Kind und lief weg. Ariadne und ihre Männer hielten mich nicht auf, schließlich war es ihre Mutter. Gilpetto traf gut und Raphael war nach zwei Runden Geschichte. Dann griff Gilpetto Stefano, den Bruder, an, der diesmal wusste, wie der Zauber funktioniert, aber Mist würfelte und nichts zustande brachte. Es gab dann noch eine Verfolgungsjagd, Stefano entkam knapp.
Fazit: Eigentlich alles gut, leider am Ende etwas hastig und unkonzentriert, wodurch die oben geschilderten Stolpersteine zu erklären sind. Wenn wir alle wacher gewesen wären und noch eine Stunde mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir den Angriff auf das Haus ausführlicher beschrieben, hätten erst den Kampf gehabt – parallel auch Szenen mit den anderen Charakteren bzw. Kämpfe gegen Mooks – dann schön die Szene mit Stefano und Lesley ausgespielt, und dann wäre es ausgegangen wie immer es dann ausgegangen wäre. Ob ich Timo überzeugt hätte, an einem anderen Tag zu kämpfen, oder ob das genauso gelaufen wäre, weiß ich nicht, aber das macht auch nichts. Ist Raphael eben tot, den wird keiner vermissen.
Also, vielleicht wäre es doch das kleinere Übel gewesen, vor dem Finale zu schneiden und das dann eben auf die nächste Sitzung zu verschieben. Aber wie gesagt, so furchtbar dramatisch wie’s jetzt vielleicht klingt war es nicht, vorher war’s ne echt geile Sitzung und das Ergebnis ist auch in Ordnung, damit können wir nächstes Mal nahtlos weiter rocken.