Shadowrun passt bestens zu Immersion und Drama - gerade *weil* die Charaktere per Definition Schwächen und Fehler haben.
Die hiesige Shadowrun-Runde arbeitet immens mit den persönlichen Hintergründen der Charaktere und schafft so, glaube ich, einen recht hohen Level an Immersion.
Als die Problematik mit dem Vertrauensverhältnis zwischen SL und Spieler erwähnt wurde, wurde der Nagel auf den Kopf getroffen, glaube ich.
Drama und Suspense erreiche am besten mit den Spielern, mit denen ich bereits jahrelang spiele und die wissen, dass ich keinen Spieler in die Pfanne haue, weil er einen unterhaltsamen Nachteil hat. Den Charakter, ja, aber darum geht es ja auch.
Das Problem sind die "Sicherheitsspieler", die glauben, dass sie das Spiel "verlieren", wenn ihr Charakter irgendwelche nutzbaren Schwächen hat. Das schlimme ist, dass man einem Sicherheitsspieler diesen Denkfehler auch nicht erklären kann, egal wie gut man argumentiert.
Man kann Romane, Filme oder klassische Epen als Beispiele heranzitieren - der Sicherheitsspieler wird trotzdem glauben, dass er sich schützen muss - vor dem SL, dem Abenteuer und vielleicht sogar den anderen Spielern. Meiner Beobachtung sind die Leute, die von sich aus auch am ehesten auf andere Menschen zugehen, extrovertiert und selbstbewusst sind, diejenigen, die von Anfang an Charaktere mit interessanten Schwächen bauen. Denen muss man nicht erklären, dass die Schwächen des Chars oft die eigentlichen Stärken sind (in einem dramaturgischen Sinne).
Die Spieler, die jedoch auch im normalen sozialen Umgang eher defensiv, introvertiert und vielleicht nicht ganz so selbstbewusst sind, haben in Folge auch Probleme sich am Spieltisch in irgendeiner Form zu offenbaren oder haben Schwierigkeiten damit, eine Niederlage vor Publikum mit einem Lachen und "shit happens" zu quittieren.
Die schlimmsten Sicherheitsspieler sind sich dessen bewusst und haben sich damit abgefunden - sie bauen gezielt langweilige Charaktere und bleiben im Hintergrund der Ereignisse, während der Rest der Gruppe spannende Dinge erlebt und persönliche Dramen durchsteht. Mir tun diese grauen Mäuse ja schon ein bisschen Leid, aber nach fast 18 Jahren Rollenspiel und endlosen Ermutigungsversuchen und Vertrauensbeweisen habe ich irgendwie keine Geduld mehr dafür.
Ich versuche, meine Gruppen von den Spielern her immer so zusammenzubekommen, dass die dynamischen Spieler überwiegen und praktisch keine tote Masse durchgeschleift wird. Das ist vielleicht nicht die sozialste Lösung für das Immersion-Problem, aber die einzige, die das Spiel für mich rettet.
Die andere Seite sind SL, denen man saftige Filetstücke an interessanten Hintergründen vorwerfen kann, und die trotzdem nichts damit machen. Ich habe über Jahre einen Nekromanten gespielt mit einem Hintergrund aus verlorener Liebe, Eifersucht und Reue, der seine tiefgefrorene Frau ins Leben zurückholen will und dazu alles tun würde (Mr. Freeze lässt grüßen *g*) - obwohl sie das wahrscheinlich in keiner Weise gutgeheißen hätte. Das wurde von keinem einzigen SL aufgegriffen, jemals. Und ich habe unter vier verschiedenen Leitern mit dem Char gespielt. Das fand ich sehr enttäuschend. Zwar habe ich mich selbst nach besten Kräften bemüht, den Hintergrund einzubringen, aber wenn es vom Abenteuer überhaupt gar nicht unterstützt wird, bringt es auch nichts. Aber wir waren auch noch jung und unerfahren.
Ich habe das Problem mit Drama/Immersion tatsächlich gerade akut, da ich ums verrecken nicht weiß, wen ich von meinen üblichen Verdächtigen für eine nWoD-Kampagne, die ich im nächsten Jahr starten möchte, fragen soll und wen nicht. Ärgerlicherweise haben zielstrebig diejenigen Interesse an dem Thema, die ziemliche Sicherheitsspieler sind. Das ist ja noch der größte Witz, dass es Sicherheittsspieler häufig genau zu den Abenteuern hinzieht, wo Charakterschwächen essentiell sind, und von denen weg, wo ihr aalglatter Spielstil kein Problem darstellen würde (in einem Dungeoncrawl oder Superhelden-OneShot interessiert Dein Background keinen Menschen *g*).