Ich sag ja gar nichts, wenn das Setting eindeutig mittelalterlich oder noch früher gelagert ist. Aber gerade die "größten" Settings, will sagen Mainstream wie Aventurien oder Forgotten Realms, legen ja den Schwerpunkt längst auf Renaissance bis Barock.
Nicht ganz. Sie legen den Schwerpunkt auf Sword&Sorcery.
Das Problem ist, wenn man es zu sehr in die Renaissance packt, dann ist es kein Fantasy mehr, sondern eben Renaissance mit Zauberei. Und wenn man es zu sehr ins Mittelalter verfrachtet, dann hat man keine Fantasy, sondern Mittelalter mit Zauberei.
Natürlich kann "Mittelalter mit Zauberei" reizvoll sein. Und auch "Renaissance mit Zauberei" kann reizvoll sein. Aber Fantasy liegt halt irgendwo dazwischen. (Wobei bei Fantasy nicht mal Zauberei vorkommen muss.)
Das fantastische liegt ja meistens auch darin, dass man nicht konkret ein irdisches Verhältnis nimmt, sondern einige Sachen verändert.
Desweiteren: Fantasy bedient sich ja meistens der Mythen&Legenden. Das heißt, es will zu einer Zeit spielen, wo alles noch mystisch ist und die Wissenschaft keinen Sieg davongetragen hat. (Evtl. wo die Wissenschaft anfängt, ihre ersten Erfolge zu feiern. - Aber letztendlich ncoh nicht wirklich erfolgreich war.)
Das heißt, technisch gesehen ist man auf einen Stand, wo nur das möglich ist, was man auch ohne großartige Wissenschaft hinbekommt. (Bzw. wo man Pseudo-Wissenschaften wie z.B. Alchemie oder Astrologie für braucht.)
Mechanik ist kein Problem. Mechanik wir davon den meisten Menschen als primitiv empfunden und nicht wirklich als Wissenschaft. - Daher kann man auch ohne Probleme komplizierte mechanische Konstrukte erdenken, ohne dass man das als Sieg der Wissenschaft versteht. Gerätschaften, die auf Alchemie oder Magie beruhen, sind auch problemlos möglich.
Wobei man aber bei Alchemie darauf achten muss, dass sich die Alchemie nicht zu sehr wie Chemie anfühlt. - In dem Augenblick, wo man Alchemie wie gewöhnliche Chemie behandelt, verliert die Alchemie ihren mystischen Hauch und wird quasi zur gewöhnlichen Naturwissenschaft Chemie. Das gleiche gilt auch für Astrologie vs. Astrophysik: Solange alles schön astrologisch bleibt, bleibt die Mystik vorhanden. Sobald man aber anfängt, die Astrologie stärker astrophysikalisch anzuhauchen, verschwindet diese Mystik.
Daher sind Feuerwaffen auch problematisch: Sie begründen sozusagen das Zeitalter der Chemie, da sie eine praktische Anwendung chemischer Prinzipien sind. Ein Zauberstab, aus dem ein Feuerball kommt, ist irgendwie Fantasymäßig. Eine Muskete aus der ein Feuerstoß kommt, ist halt ein Sieg der Wissenschaft. (Aber es hindert einen natürlich niemand daran, Zauberstäbe für jedermann zur Verfügung zu stellen, so dass die Piraten nicht mit Musketen, sondern mit Zauberstäben kämpfen.)
Zu erkennen an Kleidung, Degen, und diversen neuzeitlichen Erfindungen wie Buchdruck mit beweglichen Lettern, Post- und Bankwesen, leonardischen Apparaten und so weiter.
Diese Sachen beruhen halt alle auf mechanischen Grundlagen und nicht auf chemischen. Und bei Leonardos Apparaten kommt dann noch ein "Funktioniert nicht wie gewünscht" hinzu.
Schließlich brauchen diese Vorderlader schier ewig zum Nachladen, so 1-2 Schuss pro Minute; wieviele Kampfrunden dann auf Ladetätigkeiten entfallen, darf sich jeder selber ausrechnen.
Hast du letztens "Die Schatzinsel" gesehen? Da haben die Leute das Problem mit den langen Ladezeiten gelöst, indem der Gouverneur zum Beispiel 5 Waffen hatte: Das heißt, er konnte 5 Schüsse hintereinander abgeben. (Und danach war der Kampf dann auch schon gelaufen und er hatte genügend Zeit zum nachladen.)
Und das ist imho ein weiteres Problem mit Feuerwaffen: Mit Feuerwaffen wäre man eher im Musketen&Degen Setting bzw. im Steampunk Setting.
Das Feuerwaffen das Genre extrem verändern können, merkt man imho am deutlichsten an den verschiedenen D'Artagnan Verfilmungen:
- Es gibt Filme, da kämpfen die Musketiere hauptsächlich mit Degen und in den Kampfszenen sieht man dann schöne langatmige Degenduelle.
- Und es gibt Filme, da kämpfen die Musketiere hauptsächlich mit Musketen und in den Kampfszenen sieht man dann, wie sich die Gegner gegenseitig beschießen.
Klar, beide Verfilmungen sind schön. Aber es stellt sich beim Anschauen doch eine grundsätzlich andere Atmosphäre ein. - Und das nur, weil sie die Feuerwaffen geändert haben. - Die Zeit, in der das ganze spielt, blieb in beiden Verfilmungen die gleiche.