Du sprichst von Themenauswahl so, als dürfte man das nur mit spitzen Fingern anfassen. Themenauswahl ist der Kern des Geschäfts. Das Wort "Spiel" in Spiel-Design bezieht nicht auf Dinge, die in Büchern stehe, sondern auf auftretende Spielsituationen: Der Designer formt das Spielen vor.
Ebend, und dabei kann er eine Menge Probleme im Vorfeld entschärfen/ sich die Arbeit erleichtern, indem er festlegt was da im Spiel so passieren soll, was er also in der Spielwelt damit beleuchten will. Tut er das allerdings nicht und sagt quasi "alles geht", dann muss er sich auch ein wenig mehr anstrengen, bzw. läuft vor erhebliche Probleme, wenn er Balancing udn Stimmigkeit gleichzeitig abdecken will.
Man muss auch bedenken, dass selbst wenn klar ist, was ein Spieler versucht, noch lange nicht klar sein muss, was ein Charakter versucht. Ich kann ganz hervorragende Mechanismen schreiben ohne mich jemals damit zu beschäftigen, was Charaktere versuchen. Schau dir mal ein Spiel an, dass das Trait Pattern vernünftig benutzt. Da erkennt man, dass man hervorragend designen kann und den Spielern über die Charakterebene trotzdem alle Freiheiten lassen.
In den Worten kann ich jetzt so keinen Sinn drin erkennen.
Wir sprechen aber die ganze Zeit über Fertigkeiten. Fertigkeiten kann es von ihrer Struktur her nur endlich viele geben. Diese müssen vorher beim Design ausgewählt werden. Man muss sich also fragen, welche Fertigkeiten in die Liste kommen sollen. Diese Liste entspricht dann der Menge an möglichen Problemen.
Codierte Fertigkeiten im System kann es nur begrenzt geben. Die sinnvolle Zahl und ihre Umsetzung sollte sich nach den Problemen richten, die man anzusprechen gedenkt - womit wir wieder beim "Thema" sind.
Ich mach mal ein Beispiel: Charaktere können sich die Schuhe zubinden. Nehmen wir meist so an. Sobald es einen Wert "Schuhe zubinden" gibt (völlig egal, ob und wie der skaliert ist), ist Schuhe zubinden ein ernstzunehmendes Problem.
Es ist erst einmal ein Angebot, und ggf. ein Hinweis, was der Spelleiter für Situationen zu unterstützen gedenkt. Ein Problem wird es erst bei einem unzureichend designten Fertigkeitssystem, z.B. solchen binären.
Du könntest sagen: "Schuhe zubinden ist auch ein blödes Beispiel." Mag sein, aber es ist genauso vernünftig wie jedes andere. Die Auswahl der Werte ist völlig willkürlich. Der Designer beginnt mit einem völlig weißen Blatt und kann dann alles hinschreiben. Bevor der Designer da war, gibt es keine Regeln.
Der Designer ist doch kein Affe mit ner Schreibmaschine. Er sollte sich also Gedanken machen, was er da schreibt (und für wen) und ist dann auch verantwortlich dafür, was dabei raus kommt.
Du ziehst meine Grundannahme, das Balancing wünschenswert sei, in Zweifel und begründest im ersten Absatz damit, das Balancing schwierig sei. Das find ich jetzt ein bischen schwierig. Um eine Grundannahme zu entkräften, sollte es schon was deutlich Tiefsinnigeres kommen als technische Schwierigkeiten.
Ich hatte nicht vor Balancing als solches in Zweifel zu ziehen, sondern wollte darauf hinaus, dass ein System eigentlich in dieser Hinsicht bei auch nur minimaler Transparenz der zu erwartenden Handlung und einer halbwegs großen Zahl an realen Optionen selbstbalancend wäre, weil die Wertigkeit der zivilen Fertigkeiten und ihre Alternativen dabei klar ist. Alles was nötig wäre, ist ein klarer Wertmaßstab und da bietet sich eben meiner Meinung nach am einfachsten einer an, der aus der Spielwelt abgeleitet wurde.
Probleme gibt es erst bei völlig fehlender oder irreführender Deklaration des Spielinhalts bzw. wenn Leute ein Problem mit dem Spielinhalt an sich haben und vor dem Problem stehen die Divergenz zwischen eigenen Wünschen und dem Restspiel zu überbrücken, bzw. dann nicht bereit sind, die Folgen ihrer bewußten suboptimalen Entscheidungen auszubaden.
Dann sprichst du über den SL. Das ist nicht möglich, denn der SL ist eine Regel. Man kann Rollenspiele ohne SL machen oder mit zwei SL oder mit wechselndem SL oder sonstwas. Da es Regeln aber erst gibt, nachdem der Designer fertig ist, kann das Handeln des SLs keine Maßgabe für das Handeln des Designers sein: Der Designer macht den SL.
Mein Formfehler: Ersetze SL durch Grundlagenabstimmung zum Setting.
Wie es dazu kommt gehört aber in die Regeln und wenn der Designer das nicht erklärt, z.B. durch entsprechende Hinweise an einen potentiellen SL und seine Gruppe, hat er hier eine Lücke in seinem Werk.
Dann sprichst du zuletzt von dem Problem, um das hier in der Tat schon die ganze Zeit geht: Nämlich, wie man Effektives und Stimmiges verbindet. Aus mir unerfindlichen Gründen verortest du das im Spieler: Es gebe wohl Stimmungs- und Effektivspieler, je nachdem wie diese Charaktere bauten.
Sowas setzt irgendwelche unveränderlichen Persönlichkeitsmuster voraus, wovon man als Spiel-Designer vielleicht doch lieber die Finger lässt. Betrachten wir doch lieber die Produkte: Stimmige und effektive Charaktere.
Mit denen allerdings können wir als Designer gut umgehen, denn beide Spieler haben ihren Charakter nach unseren Regeln erschaffen. Und dann ist es nämlich ein Leichtes die Regeln so zu nehmen, dass die Charaktere gleichzeitig stimmig und effektiv werden.
Die Betrachtung der Spieler meinerseits kommt daher, dass ich überlegt habe, wer hat denn überhaupt ein Problem mit einem mangelnden Balancing von Nebenfertigkeiten hätte. Denn Balancing ist ja kein Eigenwert sondern wird bemüht, um eben Spieler zufrieden zu stellen.
Daher war meine Leitfrage:
Wer hat ein Problem mit dem Balancing von Abenteuer- und Nebenfertigkeiten und warum? Erst wenn ich die Krankheit korrekt diagnostiziert habe, kann ich die passende Medizin/Regeln zusammenstellen, anstelle nur an den Symptomen zu doktorn.
Meine Kritik hing daher auch an dem von mir so wahrgenommenen Vorschlag, auf die Effektivität hin zu regeln und alles andere dann der Stimmigkeit ein paar Fluffbrocken hinzuwerfen und wenn sie die bekannten Kreise stört eben wieder in den Zwinger zu stecken.
Das hilft meines Erachtens aber keinem. Der "Effektivspieler" baut immer noch effektiv und der "Stimmig"spieler hat nun zwar irgendwo einen Wert auf dem Papier, darf ihn aber ausdrücklich nicht einsetzen um irgend etwas damit zu bewirken. So kommt zum Schaden noch der Spott hinzu.