Die Romantheorie finde ich tatsächlich sehr wichtig für die Erzählkomponente von Rollenspielen, aber das Theater kann eben für den Part wo gespielt wird ein großes Vorbild sein.
Kann.
Aber ist es wirklich die passende Analogie?
Vergegenwärtigen wir uns einfach mal die Anforderungen und Beschränkungen, denen ein Schauspieler und ein Rollenspieler ausgesetzt sind.
Beide stellen eine fiktive Einzelperson dar, beide können Stimme, Mimik und Gestik als Ausdrucksmittel nutzen.
Aber da enden auch schon die Gemeinsamkeiten.
Der Schauspieler kann mit vollem Körpereinsatz auf eine oft gegenständlich vorhandene Umgebung reagieren, der Rollenspieler sitzt am Tisch und das Bühnenbild befindet sich ausschließlich in der Vorstellung der Mitspieler.
Er kann nicht ausschließlich schauspielern, er muss erzählen- und eben nicht, wie ein Schauspieler, der einen Monolog hält, sondern wie ein Autor, der eine Geschichte entwirft oder allerhöchstens so, als würde er die beschreibenden Teile eines Dramentextes vorlesen.
Außerhalb von Dialogsequenzen wird er praktisch
ausschließlich darauf zurückgreifen können.
Dagegen ist jegliche Verkörperung des SC mit schauspielerischen Mitteln eben
nicht unabdingbar, eben
nicht das seit Anbeginn des Rollenspiels etablierte Vehikel, über das der Spieler seinen Beitrag zur Gestaltung der Sitzung transportiert.
Insgesamt ergibt das bei mir das Bild eines Erzählers mit abgegrenztem Aufgabenbereich (eben einer einzelnen Figur), der die wörtliche Rede seines Protagonisten schauspielerisch unterstreichend vortragen kann- wie es (in unserer schriftlichkeitsbasierten, mündliche Erzähltraditionen ermangelnden Kultur wohl vielen Rezipienten nicht bewusst) Geschichtenerzähler seit alters her tuen.
Die Schauspieleranalogie speist sich mE primär aus der Fokussierung auf eine einzelne Rolle- nicht so sehr aus der (im Gegensatz zur für das Medium Rollenspiel mitkonstituierenden Erzählung)
optionalen schauspielerischen Tätigkeit, die der Spieler ausführt.
Direkte Rede ist eben die schauspielerische Komponente des Erzählens, wo man im Rollenspiel dem Theater am nähesten kommen kann durch stimmungsabhängige Sprache.
Mehr als eine Annäherung ist hier aber aus den genannten Anforderungen des Mediums hinaus nicht möglich und auch nur in dem eingegrenzten Bereich der sozialen Interaktion mit anderen Bewohnern des Settings.
Während der SL dem Verhalten des Geschichtenerzählers in bestimmten Spielformen sehr nahe kommen kann, bleibt die Distanz zwischen Spieler und Schauspieler außerhalb des LARP ungleich größer.
Ich denke es kommt, wenn wir von Romantheorie sprechen, auch noch darauf an, welche Erzählperspektive man wählt. Indirekt erzählende Spieler erzählen ja meistens in der Ich-Perspektive, der SL bedient sich aber beim spielen der NSCs bemerkenswerter Weise sehr oft der Er-Perspektive - selbst wenn es um soziale Interaktion geht.
1. ist der SL in der Situation, eine weitaus größere und weniger auf persönliche Vorlieben zugeschnittene Auswahl an Figuren führen zu müssen.
Dies wird zwangsläufig zu einer größeren Distanz führen.
2. sehe ich aber auch nicht, worauf Du damit hinauswillst.
Beide Perspektiven -und noch einige mehr bzw. nach unterschiedlichen Kriterien aufgeschlüsselt- finden sich in Romanen und Erzählungen.
Niemand würde einem Roman, der in der 1. Pers. Sing. geschrieben ist, die Romanhaftigkeit absprechen; gerade in postmodernen Werken wird regelmäßig innerhalb einer Erzählung zwischen verschiedenen Perspektiven, auch verschiedenen Erzählformen gewechselt.
Eine autodiegetische Erzählinstanz, also vereinfacht gesagt der klassische Ich-Erzähler, ist als in der 1. Pers. Sing. und innerhalb der fiktionalen Welt erzählend, perspektivisch nur dadurch von einem SC unterschieden, dass er traditionell allein erzählt.
Beziehen wir die perspektivischen Brüche der Postmoderne mit ein, stellen wir uns einen Text vor, in dem mehrere dieser Erzählinstanzen mit einem weiteren, in einer ausgelagerten Perspektive berichtenden Erzähler verknüpft sind, erhalten wir, völlig innerhalb zeitgenössischer, wenn auch nicht all zu konventioneller Romanparameter, eine Struktur, die dem narrativen Grundaufbau eines Rollenspielabends nicht unähnlich ist.
Ich sehe hier im produzierten Text größere Gemeinsamkeiten mit epischen als mit dramatischen Werken.
Natürlich gelten alle diese Analogien unter dem massiven Vorbehalt, dass Rollenspiele ein eigenständiges Medium, noch dazu traditionell mit einem enorm ausgeprägten Anteil inhärent nicht-literarischer Prouktionsprozesse, sind und als solche immer Diskrepanzen zu den genannten Beispielen aufweisen werden.
Aber meine Ausführungen sollten immerhin veranschaulicht haben, warum es keinesfalls abwegig ist, eher den Roman als das Drama als Vergleich heranzuziehen.
Man muss sich für diese Betrachtung natürlich ein gutes Stück weit von dem diskursiven Schaden lösen, den die Forge angerichtet hat, muss die
stances als das vorläufige Modell begreifen, dass sie, wie jedes falsifizierbare theoretische Konstrukt, nun mal sind und sich davon nicht in die Denkung einer für die gesamte Betrachtung von Rollenspielen formativen Trias aus Spiel/Erzählung/Verkörperung hineindrängen lassen.
Noch mal zum Mitschreiben :
P&P-Rollenspiel ohne Erzählen/Beschreiben geht nicht.
Rollenspiel ohne Schauspielern dagegen ist problemlos möglich, auch, wenn es manche Spieler nicht ansprechen mag.
Das macht das Laientheater am Küchentisch aber nicht weniger optional.
Ich trage Kämpfe auch lieber auf der Battlemap aus.
Trotzdem ist auch ein Rollenspiel ohne Battlemap ein Rollenspiel.
Und genau so verhält es sich mit der Übernahme schauspielerischer Elemente ins RPG.
Sie sind ein Hilfsmittel, weiter nichts.