Dann kann aber alles Simu sein, egal das Regelwerk (solange wir jetzt bei halbwegs klassischen PenNPaper bleiben).
Sogar NOCH MEHR JA!
Und zwar: Man kann eigentlich überhaupt NICHTS SPIELEN, ohne daß ein Minimum an Simulationsanteil gegeben sein MUSS.
Ob ich eine ausschließlich entlang einer Charakterdarstellung orientierte Spielrunde habe, oder ob ich eine über dramaturgische Überlegungen gesteuerte Geschichte spielen möchte, oder ob ich mich völlig in die Hand von Zufallstabellen begebe und eine reine Sandbox-Spielrunde spiele - ALLE brauchen eine Simulation als BASIS für das Spiel.
Das Simlulative im Rollenspiel dient in erster Linie dazu DIE BÜHNE für alles, was sonst gespielt wird, abzugeben.
Nur in wenigen Spielen wird die Simulation mit einer solchen "Prominenz" betrieben, daß simulative Gegebenheiten auch SPIELENTSCHEIDEND sind.
Anders ausgedrückt anhand von Beispielen:
1) Der Charakter, welcher sich emotional mehr und mehr in eine Verzweiflungslage gesteigert hat, übergießt seine Wohnungseinrichtung mit Benzin und zündet es an. - Simulation: Benzin brennt. Eine benzingetränkte, ausreichend gelüftete Wohnung geht in Form eines Wohnungsbrandes in Flammen auf.
=> Spielentscheidend war hier aber der CHARAKTER bzw. natürlich der Spielerentscheid seinen Charakter in dessen Lage genau so auszuspielen.
2) Der Erpresser versucht mit seinem Wagen zu fliehen. Der lakonische Detektiv (SC) schießt auf die Reifen des Wagens (würfelt einen Schuß auf ein angesagtes Ziel), trifft und der Erpresser muß als Fahrer versuchen die Kontrolle über seinen Wagen zu behalten (Fahren-Probe um nicht Außer Kontrolle zu geraten). Der Fahrer schafft dies nicht, der Wagen gerät außer Kontrolle (auf Tabelle für Außer Kontrolle würfeln => Ergebnis: Totalschaden) und knallt mit voller Wucht an eine Häuserecke, wo der Tank reißt und das Wrack in Sekundenschnelle eine flammende Hölle wird.
=> Spielentscheidend waren hier eher SIMULATIVE Dinge wie die Folgen zerschossener Reifen auf die Fahrstabilität eines Fahrzeugs bei hoher Geschwindigkeit, der Einfluß der Fahrkünste des Fahrers und der Umgebungseinfluß, der sich bei der Kollision in entsprechend viel Schaden abbildet. Der Spielerentscheid auf die Reifen zu schießen, hat gleich eine ganze KETTE an Konsequenzen ausgelöst, die simulativ bestimmt wurden.
3) Gleiche Szene wie oben. Nur ist der Erpresser ein WICHTIGER NSC (dramaturgisch bedingte höhere Bedeutung der Unversehrtheit des NSCs) und er hat einige Bennies zur Verfügung und ist zudem kompetenter, da er als Wildcard einen Wild Die würfeln darf. Der SC schießt immer noch erfolgreich auf die Reifen, der Spielleiter würfelt für den NSC seine Fahren-Probe und schafft sie nicht. Da aber der NSC so wichtig ist, gibt der Spielleiter einen Bennie des NSCs aus und wiederholt die Probe. Damit schafft es der Erpresser dem SC gerade so zu entwischen ohne umzukommen.
=> Spielentscheidend ist hier eine rein aus DRAMATURGISCHEN Gründen bedingte Kompetenz- und Zähigkeits-Einstufung des NSCs sowie eine Entscheidung Bennies für Wurfwiederholungen einzusetzen. Alle diese Entscheidungen sind NICHT simulierend, sondern wurden nur entlang dramaturgischer Notwendigkeiten getroffen - oder bei SW, wo einen ein Bennie ja nie sicher rettet, sondern einem nur eine zweite Chance gibt, eher dramaturgische WÜNSCHE als "Notwendigkeiten". Trotzdem ist immer noch ein simulierendes Element auch NACH einem solchen "plot-immunisierenden" Bennie-Einsatz enthalten. Dieses setzt die Bühne: Auch mit einem zerschossenen Reifen kann man schneller wegfahren, als jemand einem hinterher laufen können wird (realweltliche Belege dafür gibt es zuhauf). Die dafür notwendige Kompetenz des Fahrers ist durch den nach simulativen Spielregeln erzielten ERFOLG beim Würfeln der Fahren-Probe (egal ob mit Bennie-Einsatz oder nicht) festgestellt worden. Daß der Fahrer also dem Fußgänger entkommt, geschieht auf Basis der Simulation realweltlicher Gegebenheiten.
Wenn also, wie in den drei obigen Beispielen, die Simulation immer irgendwo vorhanden ist, dann gibt es KEIN Rollenspiel OHNE Simulation.
Wie gesagt: Simulation ist eine gezielte Modellbildung von etwas (real- oder fiktiv-)weltlich Vorhandenem zu einem gewissen Zweck.
Dieser "gewisse Zweck" kann auch nur einfach das "Bühnenbild" sein, die Kulisse, das Lokalkolorit, oder ganz grundlegende Dinge wie die Schwerkraft, also daß Dinge nach unten fallen, wenn man sie losläßt.
Solche Spielweltmodelle finden sich auch in "Erzählrechte-Systemen", bei denen die Regeln an sich nichts in puncto Simulationsumsetzung leisten, sondern nur den Erzählfaden weitergeben lassen. Doch auch dort wird ja vom Erzählenden SIMULIERT. Er versucht eine für die Aufnahme seiner Erzählung nachvollziehbare, verständliche Schilderung abzugeben. Und dies geht nicht ohne eine Modellierung dessen, worüber geredet wird. - Nur ist oft die Modellierung sehr einfach gehalten bzw. basiert auf dem Inferieren der nicht gegebenen Informationen durch den Zuhörer.
Aber es wird IMMER simuliert.
Was hingegen NICHT IMMER der Fall ist: Die ENTSCHEIDUNGEN bzw. die KONSEQUENZENKETTEN werden nicht immer rein simulativ umgesetzt.
Und das ist der Hauptunterschied, bei dem man von einem "simulativen" Spiel spricht, wenn die Kausalbeziehungen in entscheidendem Maße entlang vorgegebener simulativer Prozesse entstehen, statt wie bei "erzählerischen" Spielen entlang dramaturgischer Strukturen oder bei charakterbezogenen Spielen entlang emotionaler Befindlichkeiten der Hauptakteure.
Und nur damit es nicht falsch verstanden werden möge: Ein Rollenspiel wird IMMER auch ein simulatives Element aufweisen, aber ein Rollenspiel wird IMMER auch charakterbezogen emotionale Elemente sowie dramaturgische Elemente aufweisen. - Nur wenn ALLES zusammen vorhanden ist, liegt ein Rollenspiel vor. Fehlt eine dieser Komponenten GANZ, dann hat man ein anderes Spiel, aber KEIN Rollenspiel mehr vorliegen.